Normen
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
MOG 1985 §73 Abs2;
MOG 1985 §76;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs3 impl;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
MOG 1985 §73 Abs2;
MOG 1985 §76;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs3 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer- und Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Zur Vermeidung von Wiederholungen sei zur Vorgeschichte der vorliegenden Beschwerde auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, V 139, 140/87, und vom 30. Juni 1988, B 849/86, B 850/86, auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1985,
Zlen. 84/07/0288, 85/07/0108, vom 8. Juni 1988, Zl. 86/17/0160, und vom 9. Februar 1990, Zl. 89/17/0161, sowie auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1990 in den den gleichen Verfahrenskomplex betreffenden Beschwerden B 398/89, B 404/89, B 405/89 und B 842/89 verwiesen. Inhaltlich geht es in all diesen Verfahren um die Frage, inwieweit die den einzelnen Beteiligten zustehende Einzelrichtmenge im Sinne des § 73 MOG 1985, BGBl. 210 (davor § 57e Marktordnungsgesetz 1967) durch die von den Beteiligten (zum Teil mit dritten Personen) geschlossenen Vereinbarungen über die Verpachtung bzw. Eigentumsübertragung von Futterflächen bzw. durch Partnerschaftsvereinbarungen ab dem 29. November 1982 verändert wurde.
1.2. Mit Bescheid vom 24. Juli 1987 stellte der Geschäftsführer des Milchwirtschaftsfonds über Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1987 die Einzelrichtmenge des Betriebes des Beschwerdeführers, vlg. R, für das Wirtschaftsjahr 1987/88 gemäß § 76 Abs. 1 MOG 1985 in der geltenden Fassung mit 99.936 kg fest. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Milchwirtschaftsfonds die rechnerische Richtigkeit der dem Beschwerdeführer mitgeteilten Einzelrichtmenge überprüft. Die Einzelrichtmenge für das Wirtschaftsjahr 1986/87 habe 99.936 kg betragen (Bescheid vom 29. Juli 1986). Im Wirtschaftsjahr 1986/87 habe der Beschwerdeführer eine Anlieferung von 85.756,8 kg an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb vorgenommen. Gemäß § 73 Abs. 2 MOG 1985 bleibe die Einzelrichtmenge grundsätzlich von Wirtschaftsjahr zu Wirtschaftsjahr gleich (Wahrungsmenge). Da auf den Beschwerdeführer keine Bestimmung des MOG, welche diese Grundsatzbestimmung ausschalten würde (z.B. § 73 Abs. 3, 4 oder 5 MOG), anzuwenden sei, bleibe die Einzelrichtmenge des Wirtschaftsjahres 1986/87 für das Jahr 1987/88 in der im Spruch angeführten Höhe gewahrt.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
1.5. In (teilweiser) Entsprechung der im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsanträge (Zl. A 122/90) sprach der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. März 1991, G 227-231/90 und Folgezahlen (G 37-40/91), aus, daß folgende gesetzliche Bestimmungen verfassungswidrig waren:
a) Art. II Z. 5 und 6 sowie Art. III Abs. 4 erster Satz, Abs. 5 zweiter bis letzter Satz, die Bezeichnung "zehn" in Abs. 6 erster Satz, Abs. 7 zweiter Satz, Abs. 8 und Art. IV Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1985, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1985), BGBl. Nr. 291;
b) Art. II Z. 13 bis 15 und 18 sowie Art. III Abs. 6, Art. V und Art. VI Abs. 2 Z. 2, jeweils des Abschnittes I des Bundesgesetzes vom 20. März 1986 über Änderungen des Marktordnungsgesetzes 1985 (Marktordnungsgesetz-Novelle 1986) und des Bundesfinanzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 183;
c) Art. II Z. 12 bis 14, 15, soweit diese sich auf § 73 Abs. 7 bezieht, und Z. 17 bis 19 des Bundesgesetzes vom 27. März 1987, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1987), BGBl. Nr. 138.
Ferner sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß folgende gesetzliche Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben werden:
a) Art. III Abs. 1 bis 3, Abs. 4 zweiter Satz, Abs. 5 erster Satz, Abs. 6 (mit Ausnahme des Wortes "zehn" im ersten Satz), Abs. 7 (mit Ausnahme des zweiten Satzes) und Abs. 9 bis 14 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1985, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1985), BGBl. Nr. 291;
b) Art. III Abs. 3 bis 5, Art. VI (mit Ausnahme des Abs. 2 Z. 2) und Art. VIII, jeweils des Abschnittes I des Bundesgesetzes vom 20. März 1986 über Änderungen des Marktordnungsgesetzes 1985 (Marktordnungsgesetz-Novelle 1986) und des Bundesfinanzgesetzes 1986, BGBl. Nr. 183;
c) Art. III Abs. 4 (mit Ausnahme der Verfassungsbestimmung) und Abs. 6, Art. IV (mit Ausnahme der Verfassungsbestimmung) und Art. V des Bundesgesetzes vom 27. März 1987, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985 geändert wird (Marktordnungsgesetz-Novelle 1987), BGBl. Nr. 138.
Schließlich sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 29. Februar 1992 in Kraft tritt und daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.
1.6. Mit Erkenntnis vom 8. März 1991, B 398, 404, 405, 842/89, hob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid des Geschäftsführers des Milchwirtschaftsfonds vom 10. Februar 1989, Zl. Ia/1756/1766/Dr. G./j. es handelt sich um einen Ersatzbescheid nach Aufhebung des ursprünglichen Bescheides vom 29. Juli 1986 durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1988, B 850/86, mit dem die dem Beschwerdeführer im MILCHWIRTSCHAFTSJAHR 1986/87 zustehende Einzelrichtmenge gemäß § 76 Abs. 1 MOG 1985, BGBl. Nr. 210, festgestellt wurde, auf.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Auf Grund des vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Ermittlungsverfahrens zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, insbesondere auf Grund des vom ersuchten Bezirksgericht Wolfsberg durchgeführten Ortsaugenscheines im Anwesen des Beschwerdeführers und der dort aufgenommenen Personalbeweise, nimmt der Verwaltungsgerichtshof als erwiesen an, daß die von der Mutter des Beschwerdeführers bewohnte Wohnung weder mit der Wohnung noch mit den Kanzleiräumlichkeiten des Beschwerdeführers - dieser war im Zeitpunkt der Bescheidzustellung sowie im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung Rechtsanwalt - ident war noch mit diesen eine Einheit bildete.
Die Abgabe der Postsendung mit dem angefochtenen Bescheid am 28. Juli 1987 an die Mutter des Beschwerdeführers in deren über den Kanzleiräumen im ersten Stock gelegenen Wohnung bewirkte somit keine gültige Ersatzzustellung im Sinne des § 16 Abs. 2 des Zustellgesetzes. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher entgegen der in der Gegenschrift geäußerten Auffassung der belangten Behörde davon aus, daß die Beschwerde, gerechnet von der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer selbst am 22. Dezember 1987, rechtzeitig erhoben worden ist.
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unzuständigkeit des Geschäftsführers des Fonds nicht zu erkennen und verweist diesbezüglich auf sein Erkenntnis vom 9. Februar 1990, Zl. 89/17/0161.
2.3. Die unter Punkt 1.6. erwähnte Aufhebung des Bescheides über die dem Beschwerdeführer im MILCHWIRTSCHAFTSJAHR 1986/87 zustehende Einzelrichtmenge durch den Verfassungsgerichtshof wirkt auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurück (ex-tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Eine diese Rechtsfolge ausdrücklich regelnde Bestimmung enthält das VfGG 1953 allerdings im Gegensatz zu § 42 Abs. 3 VwGG nicht, doch ergibt sich dies unmittelbar aus § 87 Abs. 2 VfGG 1953 (vgl. das hg. Erkennntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199).
Diese ex-tunc-Wirkung bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. ebenfalls das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur zu § 42 Abs. 3 VwGG).
2.4. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. Februar 1990, Zl. 89/17/0161, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, V 139, 140/87, Slg. Nr. 11752, ausgeführt hat, haben Feststellungsbescheide über die zustehende Einzelrichtmenge auch für die Folgejahre Bindungswirkung, sofern nicht eine nach dem Gesetz zu berücksichtigende Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt. Der Umfang der Bindungswirkung richtet sich nach dem Inhalt des normativen Abspruches.
Insofern baut der angefochtene Bescheid über die zustehende Einzelrichtmenge für das Milchwirtschaftsjahr 1987/88 auf dem Bescheid über die Einzelrichtmenge für das Wirtschaftsjahr 1986/87 auf. Das kommt auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck, wo es heißt: "Gemäß § 73 Abs. 2 MOG bleibt die Einzelrichtmenge grundsätzlich von Wirtschaftsjahr zu Wirtschaftsjahr gleich (Wahrungsmenge). Da auf Sie bzw. Ihren Betrieb keine Bestimmung des MOG, welche diese Grundsatzbestimmung ausschalten würde (z.B. § 73 Abs. 3, 4 oder 5 MOG), anzuwenden ist, bleibt Ihnen die Einzelrichtmenge des Wirtschaftsjahres 1986/87 für das Wirtschaftsjahr 1987/88 in der im Spruch angeführten Höhe gewahrt".
2.5. Da nun der angefochtene Bescheid für das Milchwirtschaftsjahr 1987/88 auf dem Bescheid über das Milchwirtschaftsjahr 1986/87 aufbaut, aber zwischen diesen Bescheiden kein gesetzlich normierter, untrennbarer Zusammenhang - etwa nach Art des stufenförmigen Aufbaues von Titelbescheid und einer Abfolge von Vollstreckungsakten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1956, Slg. N.F. Nr. 4084/A; aber auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 7908, und vom 23. Juni 1982, B 453/79, und die dort als untrennbar aufgefaßten Verfahrenszusammenhänge) - besteht, ist der angefochtene Bescheid durch die Aufhebung des Bescheides für das vorangegangene Milchwirtschaftsjahr normativ nicht etwa in Wegfall geraten, sondern hat infolge der ex-tunc-Wirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis verloren (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199).
2.6. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.7. Im fortgesetzten Verfahren wird zu beachten sein, daß die vorliegende Beschwerdesache auch einen der Anlaßfälle für den im Punkt 1.5. wiedergegebenen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren gebildet hat.
2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz der Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, da diese bereits im pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes berücksichtigt ist.
2.9. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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