VwGH 90/19/0319

VwGH90/19/03198.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde der N. gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. Mai 1990, Zl. St 95/90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs2;
VStG §1 Abs2;
VStG §44a litb;
VStG §44a litc;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs2;
VStG §1 Abs2;
VStG §44a litb;
VStG §44a litc;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die Strafe und den bezüglichen Kostenersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen - also hinsichtlich des Schuldspruches - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 1990 wurde die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 190/1990) für schuldig befunden und nach der letztzitierten Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) bestraft, weil sie sich nach Ablauf der dreimonatigen sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer, und zwar vom 1. Februar 1990 bis 23. Februar 1990, im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne im Besitz eines gültigen österreichischen Sichtvermerks gewesen zu sein; die sichtvermerksfreie Einreise in das Bundesgebiet gemäß dem österreichisch-türkischen Sichtvermerksabkommen sei am 31. Oktober 1989 bei der Grenzkontrollstelle "Flughafen Wien/Schwechat" erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin behauptet "Rechtsanhängigkeit", da bereits mit Straferkenntnis vom 6. März 1990 eine Bestrafung nach § 2 in Verbindung mit § 14 des Fremdenpolizeigesetzes auf Grund desselben Sachverhaltes erfolgt und über die diesbezügliche Berufung noch nicht entschieden worden sei. Das zweite Straferkenntnis vom 3. April 1990, welches dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid zugrunde liege, sei daher rechtswidrig.

Dazu genügt es, auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid (Seite 2 Mitte) zu verweisen, aus welchem sich unschwer entnehmen läßt, daß es sich bei der Erledigung vom 6. März 1990 nicht um ein Straferkenntnis, sondern um eine Strafverfügung gehandelt hat, welche einerseits eine Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Paßgesetzes und andererseits eine solche wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zum Gegenstand hatte. Auf Grund des gegen diese Strafverfügung von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruches wurde lediglich das Strafverfahren betreffend Übertretung des Paßgesetzes, eingestellt. Es war somit keineswegs rechtswidrig, in der Folge wegen der Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes das Straferkenntnis vom 3. April 1990 zu erlassen. Das nunmehrige Beschwerdevorbringen ist daher unverständlich und geradezu mutwillig.

Die belangte Behörde hat die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Tat dem § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 190/1990) unterstellt und die Strafe unter Anwendung des § 14 Abs. 1 leg. cit. bemessen. Dazu ist festzustellen, daß die Novelle BGBl. Nr. 190/1990 am 7. April 1990 in Kraft trat (Ausgabe am 6. April 1990, vgl. Art. 49 Abs. 1 B-VG). Sohin war zu prüfen, ob die erwähnte Subsumtion der Tat durch die belangte Behörde im Grunde des § 1 Abs. 2 VStG 1950 rechtens war. Nach dieser Gesetzesstelle richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Im vorliegenden Beschwerdefall wurde die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat noch vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 begangen, das Straferkenntnis vom 3. April 1990 jedoch erst am 10. April 1990 (sohin nach Inkrafttreten der erwähnten Novelle) zugestellt, somit erlassen. In diesem Zusammenhang sei klargestellt, daß unter der im § 1 Abs. 2 VStG 1950 erwähnten "Fällung" des Bescheides erster Instanz dessen "Erlassung" zu verstehen ist (vgl. dazu Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren, 7. Auflage, Seite 353, sowie in diesem Sinne auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. Auflage, RZ 718). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0179) berühren Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat bei Fehlen einer besonderen gegenteiligen Übergangsregelung die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, gemäß § 1 Abs. 2 VStG 1950 nur hinsichtlich der Strafe die Folge, daß ein etwaiges nunmehr dem Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Daraus folgt, daß in einem solchen Fall als verletzte Vorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 diejenige anzusehen ist, welche vor der Rechtsänderung in Kraft war, jedoch als Strafsanktionsnorm im Sinne des § 44a lit. c leg. cit. bei einem zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz günstigeren Recht für den Täter dieses heranzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1986, Zl. 86/18/0038).

Die Novelle BGBl. Nr. 190/1990 zum Fremdenpolizeigesetz enthält keine besondere, zu § 1 Abs. 2 VStG 1950 gegenteilige Übergangsregelung. Weiters bedroht § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz idF dieser Novelle (in Verbindung mit § 2 leg. cit.) weiterhin den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet mit Strafe und zwar mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--. § 14 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes vor dieser Novelle sah für einen solchen Fall eine Geldstrafe bis zu S 3.000,-- oder Arrest bis zu 6 Wochen vor. Vergleicht man diese beiden Strafdrohungen, so ist diejenige nach § 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung der erwähnten Novelle für den Täter günstiger (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. September 1982, Slg. Nr. 10 801/A).

Daraus folgt im Beschwerdefall, daß die belangte Behörde als verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 zu Recht § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 190/1990 herangezogen hat. Sie hat jedoch insoweit die Rechtslage verkannt, als sie als Strafsanktionsnorm im Sinne des § 44a lit. c VStG 1950 nicht bereits das für die Beschwerdeführerin günstigere Recht, nämlich § 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung der erwähnten Novelle angewendet hat.

Was den Schuldspruch anlangt, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht die Erfüllung des objektiven Tatbestandes. Sie bringt allerdings vor, ihr Verschulden sei von der belangten Behörde zu Unrecht angenommen worden. Dazu verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zu Recht darauf, daß es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (in der Fassung vor der erwähnten Novelle) um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 handelt, sodaß es der Beschwerdeführerin oblegen wäre, glaubhaft zu machen, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die Beschwerdeführerin bringt insoweit vor, sie sei der Ansicht gewesen, daß sie erst um die "Aufenthaltsgenehmung" anzusuchen habe, wenn "alle Unterlagen vorhanden" seien, wobei sie erst mühsam in Erfahrung hätte bringen müssen, welche Unterlagen zu beschaffen seien. Auch sei sie der Ansicht gewesen, daß eine geringfügige Verspätung der Antragstellung keine Auswirkungen haben könne. Von der Beschwerdeführerin könne nicht von vornherein verlangt werden, daß sie sämtliche österreichischen Bestimmungen kenne und danach handle.

Damit vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Zu Recht verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1984, Zl. 82/01/0133, wonach es im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung von einem Fremden verlangt werden muß, daß er sich über die mit dem Aufenthalt von Ausländern im Gastland zusammenhängenden inländischen Rechtsvorschriften informiert und er sich daher das Unterbleiben entsprechender Erkundigungen zumindest als Fahrlässigkeit gegen sich gelten lassen muß. Dabei mußte der Beschwerdeführerin sogar klar sein, daß das Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes einige Zeit in Anspruch nimmt und daß sie ohne Sichtvermerk keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0155).

Da der Schuldspruch daher frei von Rechtsirrtum ist, war die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Im Ausspruch über die Strafe und den bezüglichen Kostenersatz war der angefochtene Bescheid jedoch wegen des oben aufgezeigten Verstoßes gegen § 44a lit. c VStG 1950 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der (pauschalierte) Schriftsatzaufwand lediglich S 10.110,-- beträgt und Stempelgebührenersatz nur im Ausmaß von S 540,-- (S 360,-- für die dreifach einzubringende Beschwerde, S 120,-- für die Vollmacht und S 60,-- für den in einfacher Ausfertigung beizulegenden Bescheid) zuzuerkennen war.

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