VwGH 90/19/0267

VwGH90/19/02678.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. März 1990, Zl. 5-212 Fo 11/4-90, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a lita;
VStG §9 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach (BH) vom 14. November 1989 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Arbeitgebers M Ges.m.b.H. & Co KG - wie anläßlich einer am 20. Februar 1989 beim Standort Baustelle Kanalisation B vorgenommenen Überprüfung festgestellt worden sei - nicht dafür gesorgt, daß nachstehende Bauarbeitenschutzvorschriften eingehalten worden seien: Es sei eine Künette, die nicht im Felsen oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankomme, mit einer Tiefe von mehr als 1,25 m (Tiefe sei 2,3 m gewesen) ausgeführt worden, ohne daß die Künette gepölzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 16 Abs. 4 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, in der geltenden Fassung, begangen. Es wurde deshalb über ihn gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von 7 Tagen) verhängt.

Mit Bescheid vom 30. März 1990 gab der Landeshauptmann von

Steiermark (die belangte Behörde) der dagegen vom

Beschwerdeführer erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950

in Verbindung mit § 24 VStG 1950 keine Folge und bestätigte das

Straferkenntnis dem Grunde und der Höhe nach mit der Maßgabe,

"daß 1.) der letzte Halbsatz des Spruches '... ohne daß die

Künette auf einer Länge von 2 m gepölzt war,' sowie 2.) die

übertretene Bestimmung '§ 16 Abs. 4

Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954', lautet,

3.) die Verhängung der Geldstrafe '... in Verbindung mit § 33

Abs. 7 Arbeitnehmerschutzgesetz' erfolgt, 4.) die Verhängung der Ersatzarreststrafe gemäß '§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 VStG 1950'".

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für die Erledigung der Beschwerde von Belang - zusammengefaßt folgendes aus: Daß der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der M Ges.m.b.H. & Co KG sei, stehe unbestritten fest. Schon daraus ergebe sich gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der übertretenen Arbeitnehmerschutzvorschrift. Daß der Beschwerdeführer einen verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 4 VStG 1950 bestellt hätte, sei von ihm weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Da es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, und über das Verschulden im Arbeitnehmerschutzgesetz nichts bestimmt sei, hätte der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 alles das initiativ darzulegen gehabt, was für seine Entlastung spreche. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, sein Nichtverschulden an der vorliegenden Verwaltungsübertretung glaubhaft zu machen. Auf Grund der Bestimmung des § 16 Abs. 4 Bauarbeitenschutzverordnung müßten Künetten, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht gegeben wären, vollständig, das heiße durchgehend und ohne Rücksicht auf Querungen, gepölzt werden. Daß im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Pölzung vorgelegen hätten, sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Die Auffassung des Beschwerdeführers, es bestehe keine Verpflichtung eine Künette durchgehend zu pölzen, und durch die im Bereich der 2 m der Künette, die keine Pölzung aufgewiesen habe, vorhandenen Querungen sei keine Gefährdung gegeben gewesen, habe keine Berücksichtigung finden können. Der Sachverhalt sei vom Arbeitsinspektorat auf Grund der Wahrnehmungen eines Bediensteten in Ausübung seines Dienstes zur Anzeige gebracht und durch seine Zeugenaussage belegt worden. Im übrigen würden die Einwendungen des Beschwerdeführers nur Rechtsfragen betreffen, die jedoch nicht in seinem Sinne entschieden hätten werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer zunächst der bereits in seiner Berufung erhobene Vorwurf wiederholt, sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde hätten gegen die Grundsätze der Amtswegigkeit (§ 39 Abs. 2 AVG 1950) und der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG 1950) verstoßen, "da praktisch überhaupt kein Beweisverfahren abgeführt" worden sei. Der Beschwerdeführer meint, das Verfahren sei "absolut mangelhaft" geblieben, weil die "Behörde" allein auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorates ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Entscheidung getroffen habe.

Dieser Vorwurf ist aber schon deshalb nicht berechtigt, da die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nur in jenen Fällen geboten ist, in denen der Sachverhalt einer Klärung bedarf. Vom Beschwerdeführer wird verkannt - worauf von der belangte Behörde zutreffend in ihrer Gegenschrift verwiesen wird -, daß ihm sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Verfahren vor der belangten Behörde wiederholt Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen sowie auch zu dem diesen zugrundeliegenden, angezeigten Sachverhalt zu äußern. Der Beschwerdeführer hat weder bei seiner Vernehmung als Beschuldigter vom 7. Juli 1989 noch in seiner Stellungnahme vom 15. September 1989 noch in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis das Vorliegen des ihm angelasteten Sachverhaltes bestritten. Noch in seiner Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, es wäre ihm nur aus technischen Gründen nicht möglich gewesen, im betreffenden Bereich der Baustelle die geforderte Pölzung anzubringen bzw. wäre dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß die Künette durchgehend zu pölzen sei, und überhaupt habe er die Übertretung deshalb nicht zu verantworten, weil keine Gefährdung der Arbeiter gegeben gewesen wäre. Für die belangte Behörde bestand daher keine Veranlassung, den durch das Arbeitsinspektorat zur Anzeige gebrachten und überdies durch die Aussage des Poliers des Beschwerdeführers sogar bestätigten Sachverhalt einer weiteren Überprüfung zu unterziehen.

Aber auch der weitere vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, der angefochtene Bescheid sei im Spruch so mangelhaft gefaßt, daß eine konkrete Überprüfung nicht möglich sei, trifft nicht zu.

§ 44 a lit. a VStG 1950 bestimmt, daß der "Spruch", wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, daß jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A).

Es entspricht weder den Tatsachen, daß der Spruch des Straferkenntnisses keine Angaben über die Tatzeit und den Tatort enthält, noch kann der Verwaltungsgerichtshof finden, daß der Spruch des Straferkenntnisses nicht eindeutig erkennen läßt, welche Straftat dem Beschwerdeführer angelastet worden ist. Dem Spruch des Straferkenntnisses in der durch den angefochtenen Bescheid ergänzten Form ist klar zu entnehmen, daß als Tatzeit der 20. Februar 1989 und als Tatort die Baustelle Kanalisation B angegeben sind. Wenn der Beschwerdeführer schließlich erstmals in seiner Beschwerde darauf verweist, daß die Baustelle mehrere Kilometer lang gewesen sei, so kann ihm im gegebenen Fall nicht gefolgt werden, daß der Tatort im vorliegenden Fall nicht dadurch präzisiert worden sei, wenn es im Spruch des angefochtenen Bescheides heiße, "ohne daß die Künette auf einer Länge von 2 m gepölzt war". Diese nähere Bezeichnung des Tatortes würde nur dann nicht reichen, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben wären, daß entweder die ganze Baustelle mit einer anderen Baustelle verwechselt werden könnte, oder daß bei dieser Baustelle verschiedene örtlich verwechselbare Beanstandungen erfolgt wären. Daß dies der Fall ist, kann weder der Aktenlage entnommen werden, noch wurde vom Beschwerdeführer Entsprechendes vorgebracht.

Ebenso wie bereits in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wird vom Beschwerdeführer schließlich - offensichtlich unter dem Titel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit - geltend gemacht, die belangte Behörde habe sich nicht mit der subjektiven Tatseite auseinandergesetzt und die Frage seines Verschuldens und seiner subjektiven Verantwortlichkeit nicht richtig gelöst. Hiebei wird vom Beschwerdeführer neuerlich, wie bereits im Verwaltungsverfahren, darauf hingewiesen, daß er sowohl handelsrechtlicher als auch gewerberechtlicher Geschäftsführer des genannten Unternehmens sei, was aber seiner Meinung nach nicht bedeute, daß er grundsätzlich für allfällige Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes verantwortlich sei. Das Unternehmen beschäftige rund 300 Mitarbeiter, wobei täglich in ganz Österreich auf weit mehr als 50 Baustellen gearbeitet würde. Er selbst sei in erster Linie mit der kaufmännischen Gesamtleitung dieses Großunternehmens befaßt und sei daher verständlicherweise nicht auf den Baustellen. Diese würden von verantwortlichen Polieren bzw. Bauleitern betreut, die für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen an Ort und Stelle verantwortlich seien. Es würden im Unternehmen ständig Kontrollen gemacht und wöchentliche regelmäßige Baubesprechungen abgehalten werden, in denen er mit allfälligen Beanstandungen konfrontiert werde, um dann allfällige Fehler oder Mängel zu beheben bzw. deren Abstellung zu veranlassen.

Auch diesem Beschwerdevorbringen muß der Erfolg versagt bleiben. Da zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, bei dem der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 glaubhaft hätte machen müssen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dazu hätte es der Darlegung bedurft, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Mit dem wiedergegebenen Vorbringen hat der Beschwerdeführer nur allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im einzelnen insbesondere auf der gegenständlichen Baustelle funktionieren sollte.

Im übrigen ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Das ist aber im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren handelsrechtlicher Geschäftsführer (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0005). Daß der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer des genannten Unternehmens, dem die Eigenschaft als Arbeitsgeber zukommt, ist, wird von ihm selbst nicht in Abrede gestellt. Von dieser ihn als solchen treffenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit hätte den Beschwerdeführer die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 oder eines Bevollmächtigten (§ 31 Abs. 2 ASchG) befreien können. Auf eine derartige Bestellung hat sich der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich berufen. Die belangte Behörde hatte auch keinen Grund zur Annahme, daß ein verantwortlicher Beauftragter oder ein Bevollmächtigter für die streitgegenständliche Baustelle bestellt worden ist. Mangels eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht dazu verhalten, von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer eine derartige Bestellung vorgenommen hat.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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