Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
VStG §24;
VStG §40 Abs1;
VStG §47 Abs1;
VStG §48 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs1;
VStG §24;
VStG §40 Abs1;
VStG §47 Abs1;
VStG §48 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem eine diesbezügliche Strafverfügung vom 24. Oktober 1988 durch rechtzeitige Erhebung eines nicht begründeten Einspruches des schon damals anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers außer Kraft getreten war, erließ die Bezirkshauptmannschaft Bludenz ohne vorhergehender Aufforderung des Beschwerdeführers, sich zu rechtfertigen, unter dem Datum 9. Jänner 1989 gegenüber dem Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, mit dem dieser einer Übertretung gemäß den §§ 2 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz schuldig erkannt wurde, weil er sich vom 31. Juli 1988 bis zum 17. Oktober 1988 unter der Anschrift R, X-Straße, aufgehalten habe, obwohl er nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes gewesen sei. Gemäß § 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzarrest 60 Stunden) verhängt.
Begründend führte die Behörde erster Instanz im wesentlichen aus, es wäre laut Strafantrag der Abteilung III im Hause der Sichtvermerk des Beschwerdeführers mit 31. Juli 1988 abgelaufen. Erst am 17. Oktober 1988 habe der Beschwerdeführer einen neuerlichen Sichtvermerksantrag gestellt. Der Beschwerdeführer habe sich somit vom 31. Juli 1988 bis zum 17. Oktober 1988 im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein.
In der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung wurde im wesentlichen nur geltend gemacht, das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil eine Aufforderung zur Rechtfertigung an den Beschwerdeführer nicht ergangen sei.
Vor Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers richtete die belangte Behörde am 13. Februar 1989 an den Beschwerdeführer zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters ein Schreiben mit folgendem Wortlaut:
"Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz hat Ihnen mit Straferkenntnis Zl. X-12021-1988 vom 9. 1. 1989 zur Last gelegt, Sie hätten sich vom 31. 7. 1988 bis 17. 10. 1988 unter der Anschrift R, X-Straße, aufgehalten, obwohl Sie nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes waren.
Die ho. Sicherheitsdirektion hat über Ihre Berufung vom 26. 1. 1989 gegen das genannte Erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz zu entscheiden.
Es wird Ihnen Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, Ihre Stellungnahme abzugeben bzw. sich zu der Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen."
Der Beschwerdeführer hat dieses Schreiben unbeantwortet gelassen.
Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz.
Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei die Tatsache unbestritten geblieben, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 31. Juli 1988 bis 17. Oktober 1988 im Bundesgebiet Aufenthalt genommen habe, obwohl er nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung (Sichtvermerk) gewesen sei. Die belangte Behörde schließe sich daher vollinhaltlich der diesbezüglichen Begründung im erstinstanzlichen Bescheid an. Der Beschwerdeführer habe in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung lediglich um Übermittlung einer Abschrift der Strafanzeige ersucht. Da keine Strafanzeige (im Sinne einer exekutiven Anzeige an die zuständige Behörde) vorgelegen habe, sondern lediglich eine interne Mitteilung der Fremdenpolizeiabteilung an die Strafabteilung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, habe die Behörde erster Instanz, ohne auf dieses Ersuchen näher einzugehen, das Straferkenntnis erlassen. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13. Februar 1989 nochmals die Möglichkeit zur Rechtfertigung eingeräumt, doch sei bis zum Tag der Erlassung des Berufungsbescheides keine Äußerung eingelangt. Unter diesem Gesichtspunkt sei das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf eine Aufforderung zur Rechtfertigung und nicht ohne Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bestraft zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht zunächst unter dem Blickwinkel der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren geltend, im Verfahren vor der Behörde erster Instanz sei an ihn keine Aufforderung zur Rechtfertigung im Sinne des § 40 VStG 1950 gerichtet worden.
Wenngleich es nach der Aktenlage zutrifft, daß die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer vor Fällung des Straferkenntnisses keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu rechtfertigen, kann die der Behörde erster Instanz anzulastende Verletzung des Parteiengehörs im gegenständlichen Fall nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß die Verletzung des Parteiengehörs in einem Verwaltungsstrafverfahren durch die Behörde erster Instanz im Zuge des Berufungsverfahrens dann saniert wird, wenn der im Verwaltungsstrafverfahren Beschuldigte durch die ihm hiezu von der Behörde zweiter Instanz gebotene Gelegenheit in seinem Recht auf Rechtfertigung nach Lage der Sache und in Ansehung der Entscheidung der Behörde nicht ungünstiger gestellt wird, als dies bei einem vor der Behörde erster Instanz gewährtem Parteiengehör der Fall gewesen wäre (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Aufl. 1987 zu § 40 VStG 1950 angeführten Erkenntnisse, insbesondere
1. bis 5.). Da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben hatte, der Behörde gegenüber seine Rechtfertigung vorzubringen, ist der der Behörde erster Instanz unterlaufene Verfahrensmangel saniert worden.
Soweit der Beschwerdeführer jedoch als Mangelhaftigkeit des Verfahrens des weiteren releviert, die Strafverfügung und die Strafanzeige hätten eine Umschreibung des Tatzeitraumes und des entscheidenden Sachverhaltes nicht enthalten, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil eine Unvollständigkeit einer Strafverfügung oder einer Strafanzeige nicht zur Mangelhaftigkeit des nach dem Außerkrafttreten der Strafverfügung eingeleiteten ordentlichen Verfahrens führen kann.
Aber auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zur Verfahrensrüge erweist sich als nicht stichhältig. Da der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren niemals behauptet hat, er habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 17. Oktober 1988 um die Verlängerung des bis inklusive 31. Juli 1988 ausgestellten Sichtvermerkes angesucht und auch aus der Aktenlage sich kein Hinweis auf eine derartige Antragstellung ergeben hat, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zu einer negativen Feststellung derart, daß der Beschwerdeführer zwischen dem 31. Juli 1988 und dem 17. Oktober 1988 keinen Antrag auf Verlängerung des Sichtvermerkes gestellt hat. Vom Beschwerdeführer wird in diesem Zusammenhang übersehen, daß die Behörde erster Instanz in der Begründung des Straferkenntnisses vom 9. Jänner 1989 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß der Beschwerdeführer "erst am 17. Oktober 1988 einen neuerlichen Sichtvermerksantrag gestellt hat". Somit weist der angefochtene Bescheid auch keinen Begründungsmangel auf.
Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird vom Beschwerdeführer neben den bereits als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemachten Gründen im wesentlichen darauf gestützt, daß die belangte Behörde unter Zugrundelegung des voll aufrechterhaltenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses als Beginn des inkriminierten Tatzeitraumes den 31. Juli 1988 angenommen hat, obwohl der Beschwerdeführer bis inklusive 31. Juli 1988 im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung gewesen sei. Von der belangten Behörde wurde in der Gegenschrift zugestanden, daß die Behörde erster Instanz irrtümlich den Tatzeitraum um einen Tag zu früh angesetzt habe.
Insoweit ist die Beschwerde im Recht. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, eine Verwaltungsübertretung gemäß den §§ 2 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz begangen zu haben.
Gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz sind Fremde nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum zeitlich unbeschränkten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, sofern die Dauer ihres Aufenthaltes nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder in den ihnen erteilten Sichtvermerken beschränkt wird.
Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. macht sich, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer sich entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes im Bundesgebiet aufhält oder diesem Bundesgesetz oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verfügung auf andere Weise zuwiderhandelt.
Da der Beschwerdeführer somit in Anwendung der beiden genannten Bestimmungen zu Unrecht schuldig erkannt worden ist, sich am 31. Juli 1988 unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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