Normen
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §114 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
B-VG Art131 Abs1;
StPO §84;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §114 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
B-VG Art131 Abs1;
StPO §84;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Einleitung des Disziplinarverfahrens verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen (Unterbrechungsbeschluß) wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Universitätsdozent in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Z-Klinik der Universität Wien im Krankenhaus der Stadt Wien.
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer folgende Erledigung erlassen:
"Betrifft: Disziplinarverfahren
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Senat IV für Universitätsprofessoren und Universitätsassistenten an der Universität Wien hat in der Sitzung vom 23. Mai 1990 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Sie gemäß § 123 Abs. 1 BDG beschlossen.
In der Sitzung vom 25. Juni 1990 wurde eine Unterbrechung Ihres Disziplinarverfahrens gemäß § 114 Abs. 1 BDG beschlossen."
Gegen die vom Beschwerdeführer als Bescheid qualifizierte Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Disziplinarakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie einräumte, daß der Einleitungsbeschluß nicht in der Form eines Bescheides ergangen sei und die in der Beschwerdeschrift angeführten Mängel aufweise.
Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, daß nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 91, 123 BDG 1979 gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, durch unrichtige Anwendung dieser Normen in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die angefochtene Erledigung sei ein Bescheid. Sie enthalte einen Spruch, der den Willen der belangten Behörde in einem bestimmten Sinne zu entscheiden, erkennen lasse. Die bescheiderlassende Behörde sei entsprechend gekennzeichnet und die Erledigung mit der entsprechenden Klausel über die Richtigkeit der Ausfertigung versehen. Der angefochtene Bescheid enthalte lediglich einen Spruch, wonach gegen ihn ein Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 eingeleitet und dessen Unterbrechung gemäß § 114 Abs. 1 leg. cit. beschlossen worden sei. Jegliche darüber hinausgehenden Ausführungen fehlten. Dem angefochtenen Bescheid fehle jede Begründung, nicht einmal ein Hinweis auf eine Disziplinaranzeige oder ähnliches sei enthalten. Im Hinblick auf die in den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG 1950 festgelegte Begründungspflicht wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, den Grund für die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Dies habe sie jedoch vollkommen unterlassen. Mit der Rechtswidrigkeit des Einleitungsbeschlusses sei notwendigerweise auch jene des Unterbrechungsbeschlusses verbunden, weil ein nicht eingeleitetes Disziplinarverfahren auch nicht unterbrochen werden könne.
Die Beschwerde gegen den Bescheid, betreffend die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. z.B. VfSlg. 4216, 6603; VwSlg. 9458/A) schließt das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als Bescheid noch nicht das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Abspruches mit Bescheidcharakter aus. Dennoch erfordert die Annahme des Bescheidcharakters einer solchen Erledigung, daß nach ihrem Inhalt der normative Charakter und die Absicht der Behörde in der Sache verbindlich abzusprechen eindeutig und für jedermann erkennbar sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0166). Schon in der Formulierung der oben wiedergegebenen Erledigung "... hat die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Sie gemäß § 123 Abs. 1 BDG beschlossen..." manifestiert sich der Bescheidwille der belangten Behörde so unmißverständlich, daß das Fehlen der Bezeichnung dieser Erledigung als Bescheid an ihrem Bescheidcharakter - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst einräumt - nichts ändert.
Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß gemäß § 123 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.
Da gegen den Beschluß auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens kein Rechtsmittel zulässig ist, ist damit der Instanzenzug erschöpft und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Der Beschluß, das Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 2 BDG 1979 einzuleiten, ist nicht bloß eine prozessuale Verfügung. Der Beschluß gestaltet vielmehr das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer erhält nämlich durch den Beschluß den Status eines Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet ist, dessen Rechtsverhältnisse anders sind als die jener Beamten, gegen die kein Disziplinarverfahren eingeleitet ist (VfSlg. 4327;
VwSlg. 9168/A).
Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin gelegen, dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Dies ist schon deshalb erforderlich, um klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, Zl. 84/09/0143, VwSlg. 11.938/A und vom 27. April 1989, Zl. 89/09/0014).
Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird und für dessen weiteren Gang er eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang einer durchzuführenden Untersuchung und des vor den Disziplinarkommissionen stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens war (vgl. VfSlg 5523/1967, 7016/1973). Eine selbständige, bindende Feststellung über die Schuld des betroffenen Beamten enthält der Einleitungsbeschluß nicht; er stellt nur eine vorläufige Meinungsäußerung der zuständigen Disziplinarbehörde dar, daß der Beschuldigte eines Dienstvergehens verdächtigt sei und daß bei der Schwere des Vorwurfs über Schuld und Strafe im Disziplinarverfahren entschieden werden müsse. Er ist also nicht in sich abgeschlossen, sondern - wie sein Name besagt - lediglich dazu bestimmt, das Disziplinarverfahren einzuleiten, sofern nicht schon vorher eine Einstellung erfolgt.
Im Hinblick auf die in den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG 1950 festgelegte Begründungspflicht wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, die Verdachtsgründe für die Einleitung des Disziplinarverfahrens in der Bescheidbegründung sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Ein Verdacht liegt vor, wenn bekannt gewordene Tatsachen für die Begehung eines Dienstvergehens einen Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht haben, der ihn von einer bloßen Vermutung abhebt (vgl. z.B. erst jüngst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107).
Die Partei eines Disziplinarverfahrens, in deren Rechte eingegriffen wird, hat einen Anspruch darauf, die Gründe dafür zu erfahren; denn nur dann kann sie ihre Rechte sachgemäß verteidigen.
Der angefochtene Bescheid läßt jegliche Begründung vermissen. Dieser Mangel hindert den Verwaltungsgerichtshof daran, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen.
Daraus ergibt sich, daß einerseits infolge fehlender Sachverhaltsfeststellung der angefochtene Bescheid ergänzungsbedürftig geblieben ist, anderseits die belangte Behörde Verfahrensvorschriften über die Begründungspflicht außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher deshalb im ausgesprochenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Gemäß § 114 Abs. 1 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren dann zu unterbrechen, wenn die Disziplinarbehörde während des Disziplinarverfahrens zur Ansicht kommt, daß eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlung vorliegt. In diesem Fall ist sogleich - wie dies auch § 84 StPO anordnet - die Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde zu erstatten.
Die Verfügung über die Unterbrechung eines Disziplinarverfahrens ist in der Form eines ANFECHTBAREN verfahrensrechtlichen Bescheides zu treffen (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, Zl. 84/09/0151, 0152).
Das im Art. 131 Abs. 1 B-VG aufgestellte Erfordernis der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann.
Solcherart war die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Ausspruch über die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens richtet, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)