VwGH 89/05/0155

VwGH89/05/015520.2.1990

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 21. März 1989, Zl. R1/V-81159/4, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Judenau-Baumgarten)

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art119a Abs5;
ROG NÖ 1976 §19;
VwGG §41 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art119a Abs5;
ROG NÖ 1976 §19;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1989, Zlen. 84/05/0159, 0161, verwiesen. Gegenstand dieses Verfahrens waren Grundstücke im Ausmaß von 3.118 m2 und 1.144 m2. Zur Bewirtschaftung dieser Grundstücke und eines zugehörigen Buschenschankbetriebes erachtete der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis den Zubau, für den eine nachträgliche Baubewilligung beantragt worden war, als im Sinne des § 19 Abs. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes nicht erforderlich. Am 8. März 1984 hatte der Beschwerdeführer neuerlich um die Erteilung der Baubewilligung für den Zubau zu dem bereits mit Bescheid vom 28. August 1972 bewilligten Weinkeller angesucht. Das Bauprojekt, auf das sich die nun vorliegende Beschwerde bezieht, ist in etwa dasselbe Projekt, wie jenes, das Gegenstand des Erkenntnisses vom 30. Mai 1989 war. Allerdings liegt dem gegenwärtigen Ansuchen eine um

1.777 m2 (mit 740 Rebstöcken bestockte) vergrößerte Weingartenfläche zugrunde. Mit der am 27. Juni 1984 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 118 Abs. 2 der NÖ Bauordnung (BO) auf den Gemeinderat der Marktgemeinde Judenau-Baumgarten. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1984 wies der Gemeinderat den Devolutionsantrag mit der Begründung zurück, daß zur Zeit ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sei und die Baubehörde erster Instanz nach Meinung der Baubehörde zweiter Instanz berechtigterweise auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes warte, sodaß ein ausschließliches Verschulden der Baubehörde erster Instanz nicht vorliege. Auf Grund der Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juni 1985 der Bescheid vom 17. Oktober 1984 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen, weil die Zurückweisung des Devolutionsantrages ungerechtfertigt erfolgt sei.

In der Folge beauftragte die mitbeteiligte Gemeinde einen Amtssachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens, ob der antragsgegenständliche Zubau zu einem bestehenden Kellerobjekt nach § 19 Abs. 2 und 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 als erforderlich anzusehen sei. In seinem Gutachten vom 18. Februar 1986 kam der Amtssachverständige Dipl. Ing. T. zu dem Schluß, daß ein Zubau mit einer Nettogrundrißfläche von 42 m2 im Obergeschoß und 18 m2 im Untergeschoß als erforderlich anzusehen sei, nicht jedoch der beantragte Zubau mit insgesamt ca. 74 m2. Mit Schreiben vom 8. April 1986 legte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme des Universitätsdozenten Dipl. Ing. Dr. K.B. vom 4. April 1986 zu dem Gutachten des Amtssachverständigen vom 18. Februar 1986 vor. Selbst bei der vom Amtssachverständigen unterstellten Nutzung der Räume des bewilligten Altbestandes (das heißt ohne Nutzung des bewilligten Lagers als Schlafraum für den Beschwerdeführer oder eine familienfremde Arbeitskraft) sei der zusätzlich erforderliche Neubau im Gutachten des Amtssachverständigen zu klein bemessen. Hätte der Amtssachverständige den erforderlichen Stiegenaufgang, das Brennstofflager, den Platzbedarf für Sechsertische (Achtertische hätten sich nicht bewährt), das unbedingt erforderliche Ausmaß der Sanitärgruppe berücksichtigt, so wäre er selbst bei sparsamster Verwendung des Altbaues zu einem zusätzlichen Flächenbedarf von 74,81 m2 gekommen. In einer ergänzenden gutächtlichen Stellungnahme vom 10. März 1987 erachtete der Amtssachverständige den Gesamtbedarf an Nettogrundrißfläche mit 61,25 m2 für den Zubau als gegeben. In einer Stellungnahme vom 8. April 1987 erklärte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter zur vorgehaltenen gutächtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 10. März 1987, daß die vom Gutachter dargestellten Maße, Gegebenheiten und Berechnungen nicht mehr den Tatsachen entsprächen. Der Amtssachverständige irre bei den aufgestellten Tischen bzw. dem Platzbedarf und den notwendigen Arbeiten. Dies könne anhand eines Lokalaugenscheines, dessen Durchführung beantragt werde, sofort bewiesen werden. Weiters gab der Beschwerdeführer bekannt, daß er das Projekt insoweit abgeändert habe, als die Stiege anders gestaltet worden sei und auch der Schlafraum im Altbestand nunmehr als Lagerraum gewidmet werde. Diesbezüglich werde einer neuer Plan bei der Baubehörde eingereicht werden, bzw. sei er schon eingereicht worden. Zu diesem Planaustausch kam es allerdings nach der Aktenlage nicht mehr. Dem Ansuchen liegt nach wie vor ein Plan vom 30. Juni 1983 zugrunde, in dem der westliche Teil des Obergeschoßes des Altbestandes als Aufenthaltsraum ausgewiesen ist. Mit Bescheid vom 29. April 1987 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag um nachträgliche Baubewilligung infolge Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Judenau-Baumgarten ab. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß der Gemeinderat nach ausführlicher Prüfung des Sachverhaltes, insbesondere auch nach Gegenüberstellung der Argumente des Privatsachverständigen und jener des amtlichen Gutachtens zu dem Ergebnis gelange, daß durch den Amtssachverständigen äußerst gewissenhaft und schlüssig geprüft worden sei, ob das Kriterium des Erfordernisses nach § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes gegeben sei. Der Gemeinderat sehe daher keinen Grund, die Ausführungen des Amtssachverständigen und die einwandfreie Aussage, daß das gegenständliche Vorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche, nicht zu seiner eigenen Entscheidung zu machen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 21. März 1989 wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers ab. Die Annahme eines höheren Raumbedarfes begründe der Privatgutachter im wesentlichen damit, daß für eine fremde Arbeitskraft eine zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeit bzw. Nächtigungsmöglichkeit zu schaffen sei. Nach Ansicht des Amtssachverständigen bestehe aber bei einem Buschenschankbetrieb kein Bedarf nach einem Aufenthaltsraum oder einer Übernachtungsmöglichkeit für den Beschwerdeführer oder Aushilfskräfte. Der Erklärung des Vorstellungswerbers, daß er inzwischen die Raumgestaltung verändert habe und die Gutachten somit ohne Grundlage seien, sei zu entgegnen, daß die Aufsichtsbehörde die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgrund der dieser zugrundegelegenen Projektsunterlagen zu überprüfen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1989, B 596/89, die Behandlung der Beschwerde jedoch ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde sowie über die Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gemeinde erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. Nr. 8000-2 (das war die vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im April 1987 anzuwendende Fassung), sind nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden. Nach Absatz 4 dürfen im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Für das Grundstück Nr. nnn KG XY, auf dem der Zubau zum Betrieb eines Buschenschankes errichtet werden soll, ist im Flächenwidmungsplan die Widmungsart "Grünland" und die Nutzungsart "Landwirtschaft" festgelegt.

Die Errichtung eines Buschenschankbetriebes als landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ist in einem Gebiet mit der Flächenwidmung "Grünland-Landwirtschaft" dann zulässig, wenn die Herstellung der Baulichkeit im Sinne des § 19 Abs. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes erforderlich ist. Der Amtssachverständige hat in seinem Gutachten vom 18. Februar 1986 ausgeführt, daß wegen der Vergrößerung der Weingartenflächen grundsätzlich die Errichtung eines Zubaues für einen Gastraum, eine WC-Anlage, einen privaten Waschraum eine Heizung sowie zur Einstellung der Maschinen und Geräte erforderlich ist. Strittig ist lediglich, ob ein Zubau im beantragten Ausmaß von 74,46 m2 oder, wie der Amtssachverständige meint, von 61,25 m2 erforderlich ist. Diese Frage kann nur auf Grund von Gutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Agrartechnik beantwortet werden.

Maßgeblich ist dabei jene Sach- und Rechtslage, die bei Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vom 29. April 1987 gegeben war. Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage sind sowohl für die Gemeindeaufsichtsbehörde als auch für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen eines Beschwerdeprüfungsverfahrens nach Art. 131 B-VG rechtlich unerheblich. Da es der Beschwerdeführer unterlassen hat, das von ihm eingereichte Projekt zu ändern, sei es durch die konkrete Angabe der weiter vergrößerten Weingartenflächen, planliche Änderungen des Bauprojektes selbst, oder beides, waren sowohl der Gemeinderat als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde gehalten, das eingereichte, unmodifiziert Projekt ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Die diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers geht damit ins Leere.

Der Entschluß der Behörde, einem Gutachten zu folgen, bildet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Akt der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG 1950. Diese unterliegt jedenfalls insoweit der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als es sich um die Feststellung handelt, ob der in der Beweiswürdigung gelegene Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen entsprechenden Ergebnis geführt hat bzw. ob der Sachverhalt, der in dem Denkvorgang gewürdigt wurde in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Diesen Voraussetzungen entspricht aber der angefochtene Bescheid deshalb nicht, weil es an einer Beweiswürdigung im Sinne einer Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten fehlt. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, die Annahme eines höheren Raumbedarfes begründe der Privatsachverständige im wesentlichen damit, daß für eine fremde Arbeitskraft eine zusätzliche Aufenthaltsgelegenheit bzw. Nächtigungsmöglichkeit zu schaffen sei, stimmt in dieser Form nicht mit der Aktenlage überein, ist doch Dipl. Ing. Dr. K.B. selbst bei der vom Amtssachverständigen unterstellten Nutzung der Räume des bewilligten Altbestandes (keine Nutzung als Aufenthalts- oder Schlafraum) zu einem erforderlichen Ausmaß des Zubaues von insgesamt 74,81 m2 gelangt. Die unterschiedliche Annahme des erforderlichen zusätzlichen Platzbedarfes resultiert einerseits aus divergierenden arbeitswirtschaftlichen Argumenten der beiden Sachverständigen, andererseits aus der vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Aufstellung von Tischen mit sechs und solchen mit acht Plätzen, wogegen der Privatsachverständige nur die Aufstellung von Tischen mit sechs Plätzen für zweckmäßig erachtete, weil sich Achtertische in der Praxis nicht bewährt hätten.

Auch insoweit mangelt dem angefochtenen Bescheid eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Privatgutachters.

Wohl ist die Vorstellungsbehörde nicht verpflichtet, den für ihre Entscheidung maßgebenden Sachverhalt selbst zu klären; vielmehr kann sie zu diesem Zweck mangelhafte Gemeindebescheide aufheben und die Sache an die Gemeinde zurückverweisen. Entschließt sie sich jedoch, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, so hat sie alle Vorschriften der §§ 37 ff. AVG 1950 über die mängelfreie Ermittlung des Sachverhaltes einzuhalten (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1984, Zlen. 82/06/0181, 0187). Da der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde in seinem Bescheid vom 29. April 1987 keine Gründe dargelegt hat, weshalb er das Gutachten des Amtssachverständigen und nicht jenes des Privatsachverständigen seiner Entscheidung zugrundelegte, hätte die belangte Behörde entweder den Bescheid des Gemeinderates aufheben oder die erforderlichen Feststellungen selbst treffen müssen. Da sie auch letzteres nicht tat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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