Normen
StVO 1960 §19 Abs6;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
StVO 1960 §19 Abs6;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz vom 21. März 1988 wegen Übertretungen des § 4 Abs. 2 StVO und des § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 StVO zufolge des rechtzeitigen Einspruches des Beschwerdeführers außer Kraft getreten war, wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der genannten Behörde vom 10. August 1988 schuldig erkannt, am 14. Oktober 1987 um ca. 23.00 Uhr in Graz 5, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws (richtig: "Lkws") "Auf der Tändelwiese" in östliche Richtung gefahren (zu ergänzen: "zu sein") und auf der Kreuzung Triesterstraße - Auf der Tändelwiese
1) obwohl sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gestanden sei, nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt zu haben, nachdem er am 17. Oktober 1987 von der unfallskausalen Verletzung des Alexander Reck und des Ferdinand Lippusch verständigt worden sei und 2) am 14. Oktober 1987 um ca. 23.00 Uhr in Graz 5 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws (richtig: "Lkws") "Auf der Tändelwiese" in östliche Richtung gefahren zu sein und auf der Kreuzung Triesterstraße - Auf der Tändelwiese, vor der das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" angebracht ist, durch Kreuzen den Vorrang des von rechts kommenden, dem Kennzeichen nach bestimmten Kombis, Lenker Alexander R., nicht beachtet zu haben, wodurch es anschließend zum gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen sei. Er habe dadurch 1) § 4 Abs. 2 StVO und 2) § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 4 StVO verletzt. Wegen dieser Übertretungen wurden über ihn 1) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 800,-- (ein Tag Ersatzarreststrafe) und 2) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 1.500,-- (zwei Tage Ersatzarreststrafe) verhängt. Begründend wurde ausgeführt, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seien auf Grund der Anzeige des Verkehrsunfallkommandos der Bundespolizeidirektion Graz vom 22. Oktober 1987 als erwiesen anzunehmen. Alexander R. habe sein Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen in der Triesterstraße in nördlicher Richtung gelenkt und sei in die Kreuzung Triesterstraße - Auf der Tändelwiese eingefahren. Der Beschwerdeführer habe den Lkw "Auf der Tändelwiese" in östliche Richtung gelenkt und sei zum selben Zeitpunkt in die oben angeführte Kreuzung eingefahren, wobei er ein Linksabbiegemanöver auf die Triesterstraße eingeleitet habe. Der Beschwerdeführer sei schließlich mit der rechten Seite des Hecks des Lkws gegen die linke Flanke des Kombis des Zeugen Alexander R. gestoßen. Dadurch sei dieser Kombi unfallskausal beschädigt worden. Am 17. Oktober 1987 habe der Zeuge Alexander R. den Beschwerdeführer fernmündlich in Kenntnis gesetzt, dass sowohl er als auch Ferdinand L. (Mitfahrer) unfallskausal verletzt worden seien. Obwohl der Beschwerdeführer auf diesem Wege von den Verletzungen des Alexander R. und des Ferdinand L. erfahren habe, habe er es unterlassen, diesen Verkehrsunfall mit Personenschaden sofort bei der nächsten Sicherheitsdienststelle zu melden. In der Abfahrtsrichtung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers sei "Auf der Tändelwiese" unmittelbar vor der oben angeführten Kreuzung das Vorschriftszeichen nach § 52 Z. 23 StVO "Vorrang geben" angebracht gewesen. Die Verkehrslichtsignalanlage dieser Kreuzung habe zum Unfallszeitpunkt gelb blinkendes Licht ausgestrahlt.
Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der Steiermärkischen Landesregierung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 1989 abgewiesen, die zu Punkt 1) verhängte Geldstrafe jedoch gemäß § 19 VStG mit 500 S (zwölf Stunden Ersatzarrest) bemessen und der Spruch zu Punkt 2) dahingehend ergänzt, dass nach dem Wort "Kreuzen" die Worte "und Einbiegen nach links" einzufügen seien. In der Begründung führte die Behörde aus, dass aus der Anzeige, der Skizze sowie den Zeugenaussagen schlüssig hervorgehe, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Einbiegemanövers mit der rechten Längsseite seines Lkws ca. einen Meter auf den östlichen Fahrstreifen der Triesterstraße gelangte. Alexander R. habe seinen Pkw mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h am östlichen Fahrstreifen in Richtung Norden gelenkt. Im Zuge der Annäherung an die gegenständliche Kreuzung habe er den Lkw in Position A/1 der Skizze aus ca. 200 m Entfernung stehen gesehen. Nachdem er angenommen habe und auch annehmen habe können, dass der Beschwerdeführer seiner Wartepflicht entsprechen werde, sei er mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren. Kurz vor dem Einfahren in die gegenständliche Kreuzung habe der Beschwerdeführer den Lkw in Bewegung gesetzt, um das Einbiegemanöver durchzuführen. Obwohl der Zeuge Alexander R. ein Bremsmanöver durchgeführt habe, habe er eine Kollision nicht mehr verhindern können, wobei die rechte Seite des Hecks des Lkws gegen die linke Flanke des vom genannten Zeugen gelenkten Fahrzeuges gestoßen sei. Unbestritten sei geblieben, dass der Beschwerdeführer am 17. Oktober 1987 gegen 11.00 Uhr vom Zeugen Alexander R. telefonisch darüber verständigt bzw. in Kenntnis gesetzt worden sei, dass sowohl der Genannte als auch sein Beifahrer noch am Unfallstag ins Unfallkrankenhaus gegangen und dort Verletzungen beider Personen festgestellt worden seien. Dem Beschwerdeführer sei zwar bewusst gewesen, dass er aus diesem Grunde die nächste Polizeidienststelle hätte verständigen müssen, sei jedoch der Annahme gewesen, dass dies am 19. Oktober 1987 früh genug wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Übertretung des § 4 Abs. 2 StVO:
§ 4 Abs. 2 StVO verpflichtet jene Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang steht, dazu, beim Verkehrsunfall verletzten Personen Hilfe zu leisten sowie sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.
Zutreffend macht der Beschwerdeführer geltend, dass es Sinn dieser Bestimmung sei, dass den Verletzten unmittelbar Hilfe zuteil wird und dass die verständigte Sicherheitsdienststelle sofort die notwendigen Erhebungen am Unfallsort veranlassen bzw. vornehmen kann. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass eine Verständigung der Polizei drei Tage nach dem Unfall diesem Zweck nicht mehr gerecht werden kann. Es ginge daher am Zweck dieser Bestimmung vorbei, eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO auch dann noch anzunehmen, wenn ein an einem Verkehrsunfall ursächlich Beteiligter von den Verletzungen anderer Beteiligter erst drei Tage nach dem Unfall - unmittelbar nach dem Unfall hatten die Beteiligten erklärt, nicht verletzt worden zu sein, weshalb es zu einem Austausch der Daten nach § 4 Abs. 5 StVO gekommen ist - erfährt, da diesfalls auch bei einer Verständigung der Sicherheitsdienststelle eine "Unfallsaufnahme" an Ort und Stelle nicht mehr zielführend ist.
Den Beschwerdeführer traf daher keine Verpflichtung gemäß § 4 Abs. 2 StVO, die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen, nachdem er drei Tage nach dem Verkehrsunfall von den Verletzungen der Unfallsbeteiligten erfahren hatte. Mit dem in der Gegenschrift enthaltenen Hinweis der belangten Behörde auf die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1971, Zl. 1973/70, und vom 9. Mai 1980, Zlen. 1765, 1766/78, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, da der Sachverhalt insbesondere insofern anders gelagert war, als dort eine Verständigungspflicht nach längstens zwölf Stunden noch für gegeben erachtet wurde.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid diesbezüglich mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Zur Übertretung des § 19 Abs. 7 in Verbindung mit S 19 Abs. 4 StVO:
Gemäß § 19 Abs. 7 StVO darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
Wesentliches Tatbestandselement im Sinne des § 44a lit. a VStG einer Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 7 StVO ist somit, dass der Lenker eines im Vorrang befindlichen Fahrzeuges zu unvermitteltem Bremsen oder zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. April 1984, Zl. 81/03/0170).
Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, dass dieses Tatbestandsmerkmal im Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses keinen Niederschlag gefunden hat. Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift geäußerten Ansicht schließt nämlich die Formulierung "Sie haben durch --- den Vorrang des --- verletzt, wodurch es anschließend zum gegenständlichen Verkehrsunfall kam" dieses Tatbestandselement nicht in sich. Denn die Ursache des Unfalles musste nicht unbedingt darin liegen, dass der Vorrangberechtigte zu einem unvermittelten Bremsen oder zum Ablenken des Fahrzeuges genötigt wurde (was ihm jedoch nicht gelang, weshalb es zum Verkehrsunfall kam). Es wäre auch denkbar, dass der Vorrangberechtigte den Verkehrsunfall durch Bremsen oder Ablenken in einer ihm zumutbaren Weise (vgl. hiezu das Erkenntnis des OGH vom 11. März 1980, 2 Ob 18/80, ZVR 1980, 11/335), verhindern hätte können, jedoch auf Grund eines Reaktionsfehlers tatsächlich nicht verhindert hat. Da sohin die Tatsache, dass es zu einem Verkehrsunfall kam, gedanklich nicht miteinschließt, dass der Vorrangberechtigte zu einem unvermittelten Bremsen oder Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde und sohin sein Vorrang verletzt wurde, entsprach die Tatumschreibung nicht den Erfordernissen des § 44a lit. a VStG, was den angefochtenen Bescheid auch in diesem Punkt mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete.
Bei diesem Ergebnis konnte dahingestellt bleiben, ob - insbesondere in Anbetracht der Lage des Unfallsortes, wie sie sich in der der Anzeige beiliegenden Skizze darstellt, nämlich jedenfalls bereits außerhalb des Kreuzungsbereiches - der Unfall überhaupt durch eine Vorrangverletzung verursacht wurde. Zur Frage, ob dem Beschwerdeführer überhaupt ein Verschulden trifft, hätte es bei der gegebenen Sachlage der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Verkehrsfach bedurft.
Der angefochtene Bescheid war sohin zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 20. September 1989
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