Normen
AlVG 1977 §1 Abs2 litd;
AlVG 1977 §14 Abs1;
AlVG 1977 §14 Abs2;
AlVG 1977 §14 Abs4;
AlVG 1977 §15 Abs1 lita;
AlVG 1977 §15;
AlVG 1977 §26 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs2 litd;
AlVG 1977 §14 Abs1;
AlVG 1977 §14 Abs2;
AlVG 1977 §14 Abs4;
AlVG 1977 §15 Abs1 lita;
AlVG 1977 §15;
AlVG 1977 §26 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.209, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 30. Mai 1966 geborene Beschwerdeführerin beantragte am 26. Juni 1986 die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld aus Anlaß der am 29. April 1986 erfolgten Geburt ihrer Tochter Silvia. In der im Verfahren vorgelegten Arbeitsbescheinigung ihres Vaters A M vom 19. Juli 1986 wurde bestätigt, daß die Beschwerdeführerin im Landwirtschaftsbetrieb ihres Vater vom 1. September 1981 bis 31. August 1984 als Lehrling, vom 1. September 1984 bis 27. März 1985 als mittätiges Familienmitglied und ab 28. März 1985 als ländliche Hauswirtschaftsgehilfin beschäftigt gewesen sei. Im letzten vollen Monat ihrer Beschäftigung habe sie S 200,-- Taschengeld erhalten. Nach dem im Akt liegenden Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der Bauern an die Beschwerdeführerin vom 15. Juli 1986 wurde ihr für die Zeit vom 4. März 1986 bis 24. Juni 1986 Wochengeld gewährt.
Mit Bescheid vom 5. September 1986 gab das Arbeitsamt Steyr dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 14 und 15 Abs. 1 AlVG wegen Nichterfüllung der Anwartschaft keine Folge. Nach der Bescheidbegründung sei die Anwartschaft deshalb nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführerin noch 72 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung fehlten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, sie sei in der Zeit vom 1. September 1981 bis 31. August 1984 hauptberuflich Landwirtschaftslehrling und danach hauptberuflich in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis im Betrieb ihrer Eltern beschäftigt gewesen. Die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung habe sie am 28. März 1985 mit Erfolg abgelegt. Für ihre regelmäßige Beschäftigung im Betrieb habe sie freie Station und Barentlohnung erhalten; die tägliche Arbeitszeit sei mindestens 8 Stunden gewesen. Dieses Dienstverhältnis, aufgrund dessen sie bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern pflichtversichert gewesen sei, sei trotz ihrer Verehelichung am 10. November 1985 nicht unterbrochen worden. Zufolge dieses arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnisses sei die Rahmenfrist des § 14 AlVG so verlängert worden, daß die Anwartschaft auf Karenzurlaubsgeld erfüllt sei. Dies habe die erstinstanzliche Behörde nicht beachtet.
Am 5. Dezember 1986 gab A M in einer niederschriftlichen Vernehmung vor der belangten Behörde an:
"Wie ich bereits in der AB vom 19.7.86 angegeben habe, war meine Tochter M E in meiner Landwirtschaft vom 1.9.81 bis 31.8.84 als Lehrling, vom 1.9.84 bis 27.3.85 als mittätiges Familienmitglied hauptberuflich beschäftigt und vom 28.3.85 bis laufend beschäftigt. Ich korrigiere nunmehr - die Beschäftigung meiner Tochter hat mit ihrer Entbindung am 29.4.86 geendet. Meine Tochter war bis zu ihrer Heirat die einzige mithelfende Person neben den Eltern. Seit diesem Zeitpunkt verrichtet meine Tochter keine Arbeiten mehr für meinen Betrieb. Die Hauptaufgabe meiner Tochter war die Erledigung der Küchenarbeit im Ausmaß von ca. 5 St. tgl., dazu kamen noch übrige Hausarbeiten. Im Stall war meine Tochter ca. 3 St. tgl. beschäftigt. In der Erntezeit hat sie noch zusätzlich mitgeholfen. Als Vergütung für diese Arbeit hat sie freie Station, Kleidung und Taschengeld im Ausmaß von wöchentlich (in der AB irrtümlich S 200 mtl. angegeben) S 200,-- erhalten. Die Arbeiten, die meine Tochter verrichtet hat, werden jetzt von den übrigen Familienmitgliedern und Bekannten mitgemacht. Seit meine Tochter verheiratet ist (10.11.85) erhält sie kein Taschengeld mehr."
Die Beschwerdeführerin bestätigte die Richtigkeit der Angaben ihres Vaters mit dem Bemerken, daß sie bei der Niederschrift anwesend gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid ergab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach der Bescheidbegründung sei folgender Sachverhalt zugrunde gelegt worden: Die Beschwerdeführerin sei ab 1. September 1981 bis 31. August 1984 als landwirtschaftlicher Lehrling in der Landwirtschaft ihres Vaters beschäftigt gewesen. Vom 4. März 1986 bis 24. Juni 1986 habe sie Wochengeld von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern bezogen. Zwischenzeitlich sei sie, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, in der Landwirtschaft der Eltern tätig gewesen. In der Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 AlVG (diese Rahmenfrist könne herangezogen werden, wenn in der Rahmenfrist nach § 14 Abs. 2 AlVG die Anwartschaft nicht erfüllt sei) vom 26. Juni 1984 bis 25. Juni 1986, die um die Zeit des Wochengeldbezuges (113 Tage) auf den 5. März 1984 zu verlängern gewesen sei, seien 180 anwartschaftsbegründende Tage nachgewiesen. Die Zeit des Wochengeldbezuges könne gemäß § 14 Abs. 4 lit. c AlVG nicht auf die Anwartschaft angerechnet werden. Die Anwartschaft sei mit der innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist nachgewiesenen Beschäftigungszeit nicht erfüllt. Die belangte Behörde erachte es als erwiesen, daß es sich bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin in der elterlichen Landwirtschaft um kein arbeitslosenversichungsfreies Dienstverhältnis gehandelt habe und eine weitere Verlängerung der Rahmenfrist um diese Zeit nicht möglich sei. Nach übereinstimmenden Angaben sei sie bis zu ihrer Entbindung in der elterlichen Landwirtschaft tätig gewesen (mindestens 8 Stunden täglich) und habe dafür als Gegenleistung freie Station und Taschengeld erhalten, dies jedoch auch nur bis zur Verehelichung am 10. November 1985. Von der belangten Behörde werde die Ansicht vertreten, daß es sich bei dieser Tätigkeit, aus der sie keine Entgeltansprüche gehabt habe, nicht um ein arbeitslosenversicherungsfreies Dienstverhältnis, sondern um eine Mitarbeit im Rahmen einer familiären Zusammenarbeit bzw. um eine gegenseitige Beistandspflicht innerhalb der Familie gehandelt habe. So habe sie im Haushalt und in der Landwirtschaft der Eltern mitgeholfen. Von diesen sei ihrer Verpflichtung entsprechend der Unterhalt der Beschwerdeführerin bestritten worden, und zwar so lange, bis sie geheiratet habe und damit von anderer Seite eine Versorgung gewährleistet worden sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob die Beschwerdeführerin die Anwartschaft, die für den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Karenzurlaubsgeld nach § 26 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG erforderlich ist, erfüllt hat.
Nach § 26 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Frage, ob die Anwartschaft erfüllt ist, § 14 Abs. 1 und 2 sowie § 15 sinngemäß anzuwenden. Handelt es sich jedoch unter anderem um Mütter, die vor Vollendung des 20. Lebensjahres entbunden haben und im Zusammenhang mit dieser Entbindung Karenzurlaubsgeld beantragen, so sind auch bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Karenzurlaubsgeldes § 14 Abs. 2 und § 15 sinngemäß anzuwenden. Auf die Anwartschaft von Karenzurlaubsgeld sind die im § 14 Abs. 4 lit. a, c, d und e angeführten Zeiten und unter anderem krankenversicherungspflichtige Lehrzeiten anzurechnen. Alle diese Zeiten dürfen bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden.
Da die Beschwerdeführerin am 29. April 1986, dem Tag der Entbindung, im Zusammenhang mit der sie Karenzurlaubsgeld beantragt hat, ihr 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ist die Frage, ob sie die Anwartschaft erfüllt hat, nach der obgenannten Bestimmung des § 26 Abs. 2 AlVG ausschließlich nach den sinngemäß anzuwendenden Normen des § 14 Abs. 2 und des § 15 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 dritter und vierter Satz zu beantworten. Die Meinung der belangten Behörde, es könne die Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 herangezogen werden, wenn in der Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 2 AlVG die Anwartschaft nicht erfüllt sei, findet im Gesetz keine Deckung. Dieser Rechtsirrtum der belangten Behörde führt aber aus den nachstehenden Darlegungen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Bei der zunächst gemäß § 14 Abs. 2 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 AlVG, also ohne Bedachtnahme auf rahmenfristverlängernde Tatbestände nach § 15 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 AlVG, vorzunehmenden Prüfung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1980, Zl. 395/80, Slg. Nr. 10173/A) ist ausschlaggebend, ob die Beschwerdeführerin in den letzten zwölf Monaten vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist), also in der Zeit vom 26. Juni 1985 bis 26. Juni 1986, insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Auf diese Anwartschaft sind die im § 26 Abs. 2 dritter Satz erschöpfend, zum Teil durch Verweisungen auf Tatbestände des § 14 Abs. 4 AlVG aufgezählten Tatbestände anzurechnen. Von ihnen kommen - sachverhaltsbezogen - nur die im § 14 Abs. 4 lit. a und c AlVG genannten in Betracht. Sie liegen aber nicht vor. Zunächst weist nämlich die Beschwerdeführerin im genannten Zeitraum unbestritten keine Zeiten auf, "die gemäß § 1 Abs. 1 der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen" (§ 14 Abs. 4 lit. a AlVG). Denn selbst wenn die auch in diesem Zeitraum ausgeübte Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Vaters entsprechend ihrer Behauptung im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt worden sein sollte, wäre dadurch keine Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 AlVG begründet worden, weil sie aufgrund dieser Beschäftigung der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG unterlag und deshalb nach § 1 Abs. 2 lit. d AlVG von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen war. Das aber hat zur Folge, daß, wie die belangte Behörde zutreffend und von der Beschwerdeführerin auch gar nicht bestritten, ausführte, auch der Anrechnungstatbestand des § 14 Abs. 4 lit. c AlVG ("Zeiten eines Wochengeldbezuges während eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, ...") nicht gegeben war.
Nach dem zufolge § 26 Abs. 2 sinngemäß anzuwendenden § 15 AlVG verlängert sich aber unter anderem die Rahmenfrist des § 14 Abs. 2, wenn innerhalb dieser Frist einer oder mehrere der im § 15 AlVG erschöpfend aufgezählten Tatbestände liegt (liegen) oder in sie hineinreicht (hineinreichen), um den dem jeweiligen Tatbestand entsprechenden Zeitraum (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1986, Zl. 85/08/0206, und vom 1. März 1951, Zl. 2814/50, Slg. Nr. 1970/A). Als solche rahmenfristverlängernde Tatbestände kommen im Beschwerdefall von vornherein nur jene des § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a ("Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist") und lit. j ("Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland ... Wochengeld bezogen hat") in Betracht. Daß der zuletzt genannte Tatbestand gegeben ist, ist unbestritten; eine bloße Verlängerung der Rahmenfrist (vom 26. Juni 1985 bis 26. Juni 1986) um einen der Zeit vom 4. März 1986 bis 24. März 1986 entsprechenden Zeitraum reichte aber zur Erfüllung der Anwartschaft nach § 14 Abs. 2 AlVG nicht aus. Denn diese Anwartschaft könnte im Beschwerdefall nur dann erfüllt sein, wenn 20 Wochen der unstrittigen "krankenversicherungspflichtigen Lehrzeiten" im Sinne des § 26 Abs. 2 dritter Satz AlVG vom 1. September 1981 bis 31. August 1984 innerhalb der verlängerten Rahmenfrist lägen. Durch die Berücksichtigung des Wochengeldbezuges allein würde aber die verlängerte Rahmenfrist erst am 5. März 1985 beginnen. Die Erfüllung der Anwartschaft setzte daher eine zumindest teilweise Anerkennung der Beschäftigungszeiten der Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Vaters nach Abschluß der Lehre als Zeiträume nach § 15 Abs. 1 lit. a AlVG voraus. Trotz des obgenannten Rechtsirrtums der belangten Behörde über die Maßgeblichkeit der Rahmenfrist des § 14 Abs. 1 statt des § 14 Abs. 2 AlVG hängt daher die Berechtigung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Karenzurlaubsgeld unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt der Erfüllung der Anwartschaft nach § 26 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG davon ab, ob die strittigen Beschäftigungszeiten in einem "arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis" im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a AlVG ausgeübt wurden.
Da in dieser Bestimmung auf das Bestehen eines "arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnisses" abgestellt wird, reichte es - entsprechend der übereinstimmenden Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - zur Bejahung der genannten Frage nicht aus, wenn die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde meint, im Betrieb ihres Vater nur aufgrund einer familienrechtlichen Verpflichtung oder familienhaft (wenn auch in einer die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 2 BSVG begründenden Weise) beschäftigt gewesen wäre; die Frage wäre vielmehr nur dann zu bejahen, wenn sie, wie die Beschwerdeführerin behauptet, aufgrund eines (zufolge § 1 Abs. 2 lit. d AlVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 5 Abs. 2 Z. 3 BSVG arbeitslosenversicherungsfreien) Dienstverhältnisses mit ihrem Vater in Beschäftigung stand. Unter einem "Dienstverhältnis" im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 1 Abs. 2 lit. d und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG ist zufolge Anknüpfung der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG an das Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG ein solches nach der zuletzt genannten Bestimmung zu verstehen. Maßgebend ist daher im Beschwerdefall, ob die Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Vaters in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt oder aufgrund familienrechtlicher Verpflichtungen oder in sonstiger Weise familienhaft beschäftigt war.
Die Beantwortung der Frage, ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages oder im Rahmen bloß familienhafter Beziehungen) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Zl. 81/08/0061, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Zl. 83/08/0200). So kann etwa, obwohl die Art des Entgelts und der Entgeltleistungen in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG kein unterscheidungskräftiges Merkmal dafür ist, ob der Beschäftigte seine Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit verrichtet, doch im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes seiner Beschäftigung dann, wenn die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit erlaubt, die vereinbarte und auch tatsächlich durchgeführte Art der Entgeltleistung von entscheidender Bedeutung sein (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Zl. 82/08/0154, und vom 23. Mai 1985, Zlen. 84/08/0070, 85/08/0011). Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit. Demnach kann zwar persönliche Abhängigkeit nicht ohne wirtschaftliche Abhängigkeit, wohl aber wirtschaftliche Abhängigkeit bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Zl. 81/08/0061).
Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung einer Person im Betrieb eines nahen Angehörigen als ein auf eine ausdrückliche oder schlüssige dienstvertragliche Vereinbarung gegründetes Beschäftigungsverhältnis im eben genannten Sinn einerseits oder als eine nicht auf einem solchen Rechtstitel beruhende Beschäftigung andererseits ist das Vorliegen einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung von Bedeutung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spricht die Vermutung im Verhältnis zwischen minderjährigen Kindern und ihren Eltern für den Ausfluß einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung. Die Begründung eines Dienstverhältnisses zwischen solchen Kindern und ihren Eltern ist eher als Ausnahmefall (atypisch) anzusehen (vgl. die Erkenntnisse vom 26. April 1984, Zl. 82/08/0019, vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/08/0153, vom 19. Dezember 1985, Z1. 84/08/0187, vom 15. Mai 1986, Z1. 82/08/0030, und vom 29. Jänner 1987, Zl. 85/08/0106). Im Verhältnis zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern gilt diese Vermutung nicht (Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/08/0188). Gleichgültig, ob die genannte Vermutung gilt oder nicht, muß vorerst eine Klärung dessen, was die Parteien gewollt haben, versucht werden. Da aber gerade in Fällen der Verwandtenmitarbeit zumeist klare und eindeutige, ja vielfach überhaupt ausdrückliche Vereinbarungen fehlen, muß dieser Parteiwille zumeist durch eine nicht immer einfache Ausdeutung ihres Verhaltens unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles ermittelt werden. Nach den privatrechtlichen Grundsätzen (§ 863 ABGB) kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände, d.h. weniger aus bestimmten Worten und einem bestimmten Verhalten, als aus den Begleitumständen, keinen vernünftigen Grund daran, nämlich am Rechtsfolgewillen (im gegenständlichen Zusammenhang: an der Begründung eines Dienstverhältnisses im obgenannten Sinn), zu zweifeln, übrig lassen (vgl. die auch für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1980, Zl. 1205/78, Slg. Nr. 10258/A, vom 26. Februar 1981, Zl. 08/2922/78, und vom 7. Juli 1983, Zl. 08/0129/80).
Um auf dem Boden dieser Rechtslage zureichend beurteilen zu können, ob die nach den Feststellungen der belangten Behörde von der Beschwerdeführerin bis zu ihrer Entbindung am 29. April 1986 ausgeübte Beschäftigung von mindestens 8 Stunden täglich gegen freie Station und Taschengeld (letzteres nur bis zu ihrer Verehelichung am 10. November 1985) aufgrund einer familienrechtlichen Verpflichtung bzw. nach Erlangung der Volljährigkeit familienhaft oder aufgrund einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung in einem Dienstverhältnis ausgeübt wurde, bedürfte es konkreter Feststellungen über den für die Beurteilung des Vorliegens eines solchen Dienstverhältnisses maßgebenden Sachverhalt, insbesondere über die persönliche Arbeitspflicht, die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse. Der gegenteiligen Meinung der belangten Behörde, es sei ein Dienstverhältnis schon deshalb zu verneinen, weil die Beschwerdeführerin als Gegenleistung für ihre Tätigkeit bis zu ihrer Verehelichung nur freie Station und Taschengeld und danach bis zu ihrer Entbindung nur freie Station erhielt, kann nicht beigepflichtet werden. Zwar können, wie oben ausgeführt wurde, aus der Art und Höhe des Entgelts (gerade in schwierig einzustufenden Fällen der Verwandtenmitarbeit) Rückschlüsse auf das Bestehen persönlicher Abhängigkeit oder Unabhängigkeit gezogen werden, diese Schlüsse erfordern aber zunächst konkrete Feststellungen der eben genannten Art über die wesentlichen Abgrenzungskriterien für persönliche Abhängigkeit. Aus der bloßen Bezeichnung einer Leistung als "Taschengeld" ohne Klärung der genannten Umstände kann noch nicht abgeleitet werden, ob diese ein Entgelt im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG oder einen im Rahmen der Unterhaltsleistung überlassenen Geldbetrag darstellt. Dies kann ohne Klärung der genannten Umstände auch nicht daraus allein schlüssig gefolgert werden, daß ab der Verehelichung kein Taschengeld mehr gezahlt wurde. Denn die belangte Behörde übersieht bei dieser von ihr für den Unterhaltscharakter des Taschengeldes ins Treffen geführten Begründung, daß auch nach der Verehelichung der Beschwerdeführerin "als Gegenleistung" für ihre Beschäftigung freie Station gewährt wurde. Zum Einwand der belangten Behörde in der Gegenschrift, es ergebe sich auch aus der Höhe der Gegenleistungen das Nichtvorliegen eines Dienstverhältnisses, ist ein Zweifaches zu bemerken: einerseits kommt es diesbezüglich darauf an, auf welches Entgelt der Beschäftigte Anspruch hat, und ist das tatsächlich geleistete nur insoweit von Belang, als es diesen Anspruch übersteigt (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 14. Dezember 1979, Zl. 677/76, und vom 10. Oktober 1980, Zl. 1205/78, Slg. Nr. 10258/A); andererseits schließt aber selbst dann, wenn die Beschwerdeführerin im Falle des Bestandes eines Dienstverhältnisses keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt als das tatsächlich vereinbarte gehabt haben sollte, das niedrige Entgelt ohne Klärung der für die persönliche Abhängigkeit entscheidungswesentlichen Faktoren nicht das Bestehen eines Dienstverhältnisses aus. Die belangte Behörde meint schließlich in der Gegenschrift zum Beschwerdevorbringen, die Beschäftigung der Beschwerdeführerin sei in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erfolgt, dies schade nicht, weil eine derartige Abhängigkeit von Kindern, die nach der Ausbildung keine Beschäftigung gefunden hätten und daher auf die Unterstützung durch die Eltern angewiesen seien, innerhalb des Familienverbandes jedenfalls vorliege. Dem ist entgegenzuhalten, daß gerade diese Frage, ob nämlich eine für familienhafte Beschäftigungen typische oder eine für ein Dienstverhältnis charakteristische persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vorlag, der Klärung bedurft hätte.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, begrenzt durch das gestellte Kostenbegehren.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes angeführt wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am 12. Februar 1988
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