VwGH 86/03/0228

VwGH86/03/022811.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely über die Beschwerde des WZ in F, vertreten durch Dr. Hans Robicsek, Rechtsanwalt in Wien XI, Simmeringer Hauptstraße 119, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Juni 1986, Zl. IIb2-V-5261/1-1986, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit der Straßenpolizei, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
PO §150;
VStG §51 Abs3;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §21;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
PO §150;
VStG §51 Abs3;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §21;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 17. April 1986 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10a StVO schuldig erkannt und bestraft.

Die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wies die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 30. Juni 1986 als verspätet zurück. Zur Begründung führte die Behörde aus, die Berufung sei als verspätet zurückzuweisen gewesen, weil das angefochtene Straferkenntnis nachweislich am 29. April 1986 zugestellt worden sei, die Berufung jedoch, ungeachtet der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung, erst am 16. Mai 1986 zur Post gegeben und somit nach Ablauf der gesetzlichen Frist von zwei Wochen bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, dass seine Berufung gegen das Straferkenntnis der ersten Instanz nicht als verspätet zurückgewiesen werde. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, es sei unrichtig, dass die Zustellung des Straferkenntnisses am 29. April 1986 erfolgt sei. Das mittels Rückschein blau, Rsa mit dem Vermerk "nicht an Postbevollmächtigte" von der Bezirkshauptmannschaft Landeck abgefertigte Straferkenntnis sei von seiner Ehegattin übernommen worden, obwohl dieser Rsa-Brief gemäß § 21 Zustellgesetz nur dem Beschwerdeführer hätte zugestellt werden dürfen. Der Beschwerdeführer sei am 29. April 1986 nachweislich nicht zu Hause gewesen, sondern habe sich in seinem Unternehmen in Vösendorf aufgehalten. Gemäß § 7 Zustellgesetz trete die Heilung des vorliegenden Zustellmangels dadurch ein, dass die Zustellung als in dem Zeitpunkt vollzogen gilt, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist. Dies sei jedoch erst der Zeitraum zwischen dem 8. und 11. Mai 1986 gewesen. Die belangte Behörde hätte, als sie die Verspätung der Berufung festgestellt habe, von Amts wegen überprüfen müssen, ob das Straferkenntnis von ihm oder von einer im selben Haushalt lebenden Person am 29. April 1986 übernommen worden sei. Dabei hätte sich herausgestellt, dass die Übernahme des Poststückes nicht durch den Beschwerdeführer persönlich, sondern durch seine geschiedene Ehegattin erfolgt sei. Es hätte sich ferner herausgestellt, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der angeblichen Übernahme nicht in F, sondern in Wien aufgehalten habe.

Gemäß § 51 Abs. 3 VStG 1950 beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen (nach Zustellung des Straferkenntnisses). Gemäß § 21 Abs. 1 Zustellgesetz dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden. Dass etwa die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers eine Postvollmacht für den Empfang von RSa-Briefen gehabt hätte, ist weder aktenkundig noch ging die belangte Behörde davon aus (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1982, Zl. 3635/80). Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 Zustellgesetz als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit Berufung angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 28. April 1959, Zl. 662/57, und vom 15. Oktober 1985, Zl. 85/04/0153). Die Behörde hat die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist dem Berufungswerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1960, 260/60, Slg. Nr. 5380/A).

Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hinweist, dass die Unterschrift auf dem Zustellnachweis auf "Z" gelautet habe und darauf weiters der "Empfänger" angekreuzt gewesen sei und dass ferner der Beschwerdeführer in der Berufung mit keinem Wort erwähnt habe, dass der Rsa-Brief fälschlicherweise durch seine Ehegattin übernommen worden sei, weshalb sie ohne weitere Erhebungen davon ausgehen hätte können, dass die Rechtswirkungen der Zustellung des Straferkenntnisses am 29. April 1986 eingetreten seien, so ist ihr entgegenzuhalten, dass - abgesehen davon, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann - der Berufungswerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1951, 1175/51, Slg. Nr. 2367/A).

Die belangte Behörde hätte daher von Amts wegen zu prüfen gehabt, ob etwa ein Zustellmangel unterlaufen ist, und das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme geben müssen. Da sie dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu führen hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 11. März 1987

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