VwGH 85/07/0225

VwGH85/07/02259.12.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde des W und der H F in W, beide vertreten durch Dr. Heinrich Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien IV, Schleifmühlgasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Juni 1985, Zl. III/1-20.363/30-85, betreffend Anschlußzwang nach dem Niederösterreichischen Wasserleitungsanschlußgesetz 1978 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §13 Abs1;
VwRallg;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §2 Abs1 Z3;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §2 Abs1 Z4;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §5;
WRG 1959 §36;
AVG §37;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §13 Abs1;
VwRallg;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §2 Abs1 Z3;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §2 Abs1 Z4;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §5;
WRG 1959 §36;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 26. September 1980 begehrten die Beschwerdeführer von der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Gemeinde den Anschluß des in ihrem Miteigentum stehenden, bebauten Grundstückes 566/1 KG M an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage. Hierauf stellte der Bürgermeister dieser Gemeinde mit Bescheid vom 27. März 1981 fest, für die bezeichnete Liegenschaft bestehe gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 des Niederösterreichischen Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978 und gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung des Bürgermeisters aus 1973 kein Anschlußzwang, weshalb die Gemeinde nicht verpflichtet sei, den verlangten Anschluß herzustellen; die betreffende Liegenschaft befinde sich nämlich in einer Entfernung von mehr als 50 m vom Wasserhauptrohrstrang und einen Anschluß über Privatgrund brauche die Gemeinde nicht durchzuführen. Nach Heilung eines im weiteren Verfahren zunächst unterlaufen Zustellmangels - in dieser Hinsicht wird auf das den Parteien dieses Verfahrens bekannte Erkenntnis der Verwaltungsgerichtshof vom 17. Jänner 1984, Zl. 82/07/0159, Bezug genommen - gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid mit Bescheid vom 27. November 1984 unter Hinweis auf die von der Aufsichtsbehörde vertretene Ansicht und die für zutreffend angesehene Begründung des Bescheides des Bürgermeisters nicht Folge. Mit Bescheid vom 11. Juni 1985 wies sodann der Landeshauptmann von Niederösterreich die gegen den gemeindebehördlichen Rechtsmittelbescheid erhobene Vorstellung gemäß § 7 Abs. 5 des Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 123/1967, im wesentlichen mit der Begründung ab, der Begriff "Liegenschaft" habe dieselbe Bedeutung wie "Grundstück", und zwischen jenem Grundstück, dessen Anschluß begehrt werde, sowie dem Wasserhauptrohrstrang liege im Beschwerdefall ein weiteres Grundstück, weshalb der Anschluß aus technischen Gründen nicht möglich sei und daher gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 des Niederösterreichischen Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978 eine Ausnahme vom Anschlußzwang bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, nach deren ganzem Inhalt sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Stattgebung ihres Antrages aufgrund des Bestehens eines Anschlußzwanges verletzt erachten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei gab im Beschwerdeverfahren eine Äußerung nicht ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Niederösterreichischen Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978 ist der Wasserbedarf unter anderem in Gebäuden im Versorgungsbereich eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens aus dessen Wasserversorgungsanlage zu decken. Der unter dieser Voraussetzung gegebene Anschlußzwang besteht jedoch gemäß § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes unter anderem für solche Liegenschaften nicht, deren Grenze vom nächstgelegenen Wasserhauptrohrstrang mehr als 50 m entfernt (Z. 3) oder deren Anschluß aus technischen Gründen nicht möglich ist oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten hergestellt werden kann (Z. 4). Gemäß § 5 desselben Gesetzes hat das Wasserversorgungsunternehmen unbeschadet der ihm als Wasserberechtigten obliegenden Verpflichtungen die Liegenschaften, für die Anschlußzwang besteht, anzuschließen.

Zweifel daran, daß sich die in Rede stehende Liegenschaft in dem mit Verordnung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Februar 1973 festgesetzten Versorgungsbereich befindet, sind nicht hervorgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof' teilt die Ansicht der belangten Behörde, daß (auch) für den Bereich des anzuwendenden Wasserleitungsanschlußgesetzes der Begriff "Liegenschaft" nicht dem Grundbuchskörper gleichzusetzen ist, sondern soviel wie "Grundstück" bedeutet, wobei auf die ausführliche Begründung des zum Niederösterreichischen Kanalgesetz ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1979 Slg. 9980/A, Zl. 1313, 1597/79, verwiesen wird. Nach der durch die vorliegenden planlichen Darstellungen gedeckten, mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer übereinstimmenden Sachverhaltsannahme der belangten Behörde liegt jenes Grundstück, dessen Anschluß die Beschwerdeführer anstreben, weniger als 50 m vom nächstgelegenen Wasserhauptrohrstrang entfernt getrennt von diesem durch den M-bach und, an diesen anschließend, durch in unbebautes Grundstück im Eigentum des Erstbeschwerdeführers. Die belangte Behörde meint nun - und sie hat deswegen den vor ihr bekämpften Bescheid im Ergebnis als gesetzeskonform betrachtet -, daß der verlangte Anschluß aus technischen Gründen nicht möglich sei (und demnach der Anschlußzwang nicht bestehe), weil sich zwischen der Grundstücksgrenze und dem Wasserhauptrohrstrang "ein weiteres Grundstück", insbesondere der M-bach, befinde. Sie hat mit dieser allgemeinen Aussage indessen kein nach allgemeinem Sprachgebrauch "technisches" Hindernis angenommen, abgesehen davon, daß ein solches Verständnis der Regelung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 des Niederösterreichischen Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978 die eigenständige Bedeutung nähme (weil dort eine durch den Anschluß zu überwindende Flächendistanz vorausgesetzt ist) und abgesehen ferner davon, daß die Beschwerdeführer vorgebracht haben, es sei mit zwei Verbindungsleitungen das Bachbett bereits unterquert. Die belangte Behörde hält offenbar - dies zeigt der maßgebende Zusammenhang in der Begründung des angefochtenen Bescheides und noch deutlicher die Gegenschrift - den Anschluß in einem Fall wie dem vorliegenden deswegen für unmöglich, weil dann der Liegenschaftseigentümer nur die Hausleitung auf dem angeschlossenen Grundstück herstellen müßte und das Wasserleitungsanschlußgesetz die Einräumung eines Zwangsrechtes auf der zwischen der betroffenen Grundstücksgrenze und dem Wasserrohrstrang liegenden Fläche nicht vorsieht. Demgegenüber ist jedoch, wenn der Anschlußzwang besteht, und wenn, um das anzuschließende Grundstück zu erreichen (sofern es im angegebenen Sinn nicht weiter als 50 m entfernt ist), ein fremdes Grundstück für die Leitung in Anspruch genommen werden muß, das Unternehmen verpflichtet, zur Wahrnehmung der ihm übertragenen - mit dem Anschlußzwang für die betreffende Liegenschaft korrespondierenden -

Verpflichtung zur Herstellung des Anschlußes ein Einvernehmen mit den beteiligten Grundstückseigentümern zu versuchen. Ein derartiger Versuch wurde nach Lage der Akten nicht unternommen.

Da andere Gründe (etwa unverhältnismäßig hohe Herstellungskosten) für das Nichtbestehen des Anschlußzwanges nicht behauptet wurden oder nach der Aktenlage erkennbar wären, wurde das Fehlen eines solchen zu Unrecht angenommen, dadurch sind die Beschwerdeführer im Beschwerdepunkt in ihren Rechten verletzt worden.

Was das Beschwerdevorbringen betrifft, mit ihrem Ansuchen vom 26. September 1980 hätten die Beschwerdeführer die Herstellung eines Anschlusses und nicht eine Feststellung betreffend den Anschlußzwang begehrt, ist zu bemerken, daß ihr Antrag zunächst tatsächlich als solcher gemäß § 2 Abs. 1 Niederösterreichisches Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 gewertet werden könnte, dann aber gerade das Fehlen eines Anschlußzwanges vorausgesetzt wäre (§ 2 Abs. 1 des zuletzt genannten Gesetzes) und die Beschwerdeführer dadurch, daß sie die Verneinung dieser Frage durch die Behörden im abgeführten Verfahren nicht anerkannten, sondern bekämpften, zu erkennen gegeben haben, daß sie vom Bestehen des Anschlußzwanges ausgegangen sind, die Klärung dieser Frage also von ihrem Antrag einschlußweise miterfaßt war.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Schriftsatzaufwand, der gemäß § 53 Abs. 1 VwGG nur einfach zuerkannt werden konnte.

Wien, am 9. Dezember 1986

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