VwGH 83/05/0036

VwGH83/05/003614.6.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des JS in F, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems, Südtirolerplatz 4/16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Dezember 1982, Zl. II/2-V-80187/3, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) HS in F, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien I, Doblhoffgasse 7/12; 2) Marktgemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1 idF 8000-10;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1 idF 8000-10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 8.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde F vom 13. Juni 1980 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung "zum Neubau einer unterirdischen Halle mit Stallgebäude und einem daraufliegenden Tennisplatz und straßenseitiger Einfriedung" auf dem Grundstück Nr. 100/2 des Grundbuches über die Kat.Gem. F erteilt. Zu der dieses Bauvorhaben betreffenden Bauverhandlung vom 10. Juni 1980 war der Beschwerdeführer nicht geladen worden, weshalb ihm der erwähnte Baubewilligungsbescheid zunächst auch nicht zugestellt worden ist. Erst auf Grund einer Vorsprache beim Bürgermeister der genannten Gemeinde, bei welcher der Beschwerdeführer auf seine Stellung als Anrainer in dem in Rede stehenden Baubewilligungsverfahren hingewiesen hat, wurde ihm dieser Bescheid am 9. August 1980 zugestellt.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, dass die Aufschließung der Reithalle und des Stalles mit Nebenräumen über einen eigenen Aufschließungsweg auf dem eigenen Grund des Bauwerbers erfolge. Die unter Punkt 17. der einen wesentlichen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides bildenden Verhandlungsniederschrift vorgesehene Auflage, wonach die Zufahrt von der Landesstraße auf eine Tiefe von zumindest 4 m straßenbaumäßig zu befestigen und staubfrei auszubilden sei, und wonach die Einbindung mit der Landesstraße mit der Straßenmeisterei Krems einvernehmlich zu erfolgen habe, werde als unzureichend beurteilt. Ferner erfordere das Bauvorhaben in seinem gesamten Ausmaß eine wesentliche Änderung des Niveaus und auch eine gegenüber dem bisherigen Zustand nachteilige Änderung des natürlichen Ablaufes der Oberflächenwässer. Die Einbindung des gegenüber dem Naturniveau abgesenkten Weges und dessen Niveau mit der Landesstraße bedinge eine gezielte bzw. konzentrische Zuleitung der Oberflächenwässer bzw. der atmosphärischen Niederschläge. Die der Bauparzelle des Bauwerbers bzw. (wörtlich:) "dem notwendigen zusammenhängenden erforderlichen Aufschließungsweges gegenüberliegenden östlichen Bauparzellen", darunter auch jene des Beschwerdeführers, würden dadurch nachteiligen Auswirkungen ausgesetzt. Im übrigen widerspreche das Bauvorhaben den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, da durch die Benützung des Tennisplatzes bzw. der Reithalle sowie des Pferdestalles mit Reitbetrieb am Freilandübungsplatz negative Auswirkungen in Form von Immissionen hinsichtlich der im Wohngebiet gelegenen Grundparzellen nicht ausgeschlossen seien. Die in der Begründung des Bescheides getroffene Feststellung, wonach das Verfahren mit dem Flächwenwidmungs- und Bebauungsplan in Einklang stehe, sei unrichtig. Die Baubehörde erster Instanz wäre im gegebenen Fall verpflichtet gewesen, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Ansuchen abzuweisen.

Dieses Rechtsmittel wurde unter Punkt II. des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde F vom 13. Oktober 1980, ausgefertigt auf Grund des Beschlusses vom 9. Oktober 1980, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass sich diese Berufung in erster Linie gegen den geplanten Aufschließungsweg und die dadurch bedingte Änderung des Niveaus richte, was jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens gewesen, sondern einer getrennten Entscheidung des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz vorbehalten sei. Da die Interessen des Beschwerdeführers im übrigen durch das geplante Bauvorhaben nicht beeinträchtigt würden, komme ihm in diesem Verfahren keine Parteistellung zu.

Der gegen diesen Teil des Bescheides rechtzeitig erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Jänner 1981 Folge gegeben, der den Beschwerdeführer betreffende Teil des Gemeinderatsbescheides behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen.

Die Vorstellungsbehörde vertrat die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer durch die Ausfolgung des Baubewilligungsbescheides die Anrainer- und somit Parteistellung in dem gegenständlichen Bauverfahren zuerkannt worden sei. Wäre die Baubehörde anderer Auffassung gewesen, so hätte sie den Antrag auf Ausfolgung des Bewilligungsbescheides mangels Parteistellung abweisen müssen. Auf Grund dieser Rechtslage sei es daher der Berufungsbehörde verwehrt, im Berufungsverfahren neuerlich die Frage der Parteistellung bzw. Anrainerstellung zu prüfen, diese allenfalls zu verneinen und eine entsprechende Entscheidung zu erlassen. Im vorliegenden Fall habe der Gemeinderat der Marktgemeinde F jedoch in Verkennung der Rechtslage die Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen, obwohl in der Sache selbst zu entscheiden gewesen wäre. Durch diese Unterlassung sei der bekämpfte Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit behaftet, sodass die Aufsichtsbehörde der Vorstellung habe Folge geben müssen, da hiedurch zweifellos Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden seien.

Nach einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Einräumung des Parteiengehörs erging sodann der auf dem Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde F vom 26. April 1982 beruhende Bescheid vom 27. April 1982, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben worden ist. Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass sich das Rechtsmittel des Beschwerdeführers in erster Linie gegen den geplanten Aufschließungsweg und die Änderung des natürlichen Ablaufes der Oberflächenwässer richte. Wie dem Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 13. Juni 1980 entnommen werden könne, sei im Sachverständigengutachten unter Punkt 12. die Ableitung der Regenwässer in den Ortskanal der Gemeinde ohne Schädigung der Anrainergrundstücke vorgeschrieben. In Erwiderung auf den Einwand des Beschwerdeführers bezüglich der mangelnden Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan wies die Berufungsbehörde darauf hin, dass nach den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 im Wohngebiet Gebäude für den täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung errichtet werden dürften, wobei die Haltung der Turnierreitpferde dem persönlichen Bedarf des Konsenswerbers diene. Aus dem Durchführungserlass der NÖ Landesregierung vom 12. April 1977 zum NÖ Raumordnungsgesetz 1976 gehe hervor, dass bei der Abgrenzung vom Bauland, Wohn- und Agrargebiet auf die Verschiedenheit der Lebensgewohnheiten im städtischen und ländlichen Raum Bedacht zu nehmen sei, weshalb im ländlichen Raum die Haltung von Nutztieren für den Hausgebrauch (einzelne oder wenige, je nach der Gattung) ohne Gewinnabsicht vielfach auch im Wohngebiet zulässig erscheine und nicht immer (womöglich gar für Einzelgrundstücke) die Festlegung der Widmungsart Bauland - Agrargebiet voraussetze. Der Genehmigungsbescheid nehme darauf Rücksicht, dass bei Einhaltung der Auflagen - diese wurden in Erledigung der Berufung eines anderen Anrainers in demselben Bescheid vorgeschrieben - eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung nicht zu erwarten seien.

Die dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 28. Dezember 1982 unter Hinweis auf § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und einer Darstellung der Rechtslage meinte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf eine entsprechende Behandlung seiner Einwendungen habe. Die Frage, ob von dem gegenständlichen Bauvorhaben eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Geruchsbelästigung zu erwarten sei, könne nur von einem Sachverständigen für Umweltschutz und einem Sanitätssachverständigen beurteilt werden, wobei die Notwendigkeit der Vorschreibung von Auflagen nicht von vornherein auszuschließen sei. Nach einer Schilderung des wesentlichen Inhaltes der von der Berufungsbehörde eingeholten Sachverständigengutachten vertrat die Aufsichtsbehörde in der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, sie könne der Baubehörde zweiter Instanz nicht entgegentreten, wenn sie diese schlüssigen Gutachten der Sachverständigen ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe, zumal sich der Beschwerdeführer nicht damit hätte begnügen dürfen, der Auffassung der Sachverständigen bloß mit einer gegenteiligen Behauptung zu erwidern, sondern die Sachverständigengutachten mit einem auf gleicher Stufe stehenden Beweismittel, etwa mit dem Antrag auf Einholung von Gutachten anderer geeigneter Sachverständiger bzw. Vorlage von Gegengutachten von Sachverständigen einschlägiger Fachrichtung, hätte bekämpfen müssen. Die Vorstellungsbehörde sei weiters zur Ansicht gelangt, dass die Berufungsbehörde einen der Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde entsprechenden Bescheid erlassen und die Bindungspflicht im Sinne des § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 nicht verletzt habe. Zum behaupteten Widerspruch zum Flächenwidmungsplan müsse die Aufsichtsbehörde feststellen, dass im §16 Abs. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Merkmale enthalten seien, durch die das räumliche Naheverhältnis (§ 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976) berührt werde, und dass diese Gesetzesbestimmung ausschließlich den öffentlichen Interessen diene. Die darauf bezugnehmenden Einwendungen des Beschwerdeführers hätten somit kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht zum Gegenstand, weshalb sich ein näheres Eingehen darauf erübrige. Die Aufsichtsbehörde sei daher der Auffassung, dass der Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid in seinen baurechtlich geschützten subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Partei erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt der vorstehend wiedergegebenen Auffassung der belangten Behörde entgegen, wonach die Einhaltung der Widmungskategorie des § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1966, Zl. 1226/64, die Auffassung vertreten, dass in der Erklärung eines Gebietes zum reinen Wohngebiet zu Gunsten der Anrainer ein subjektiv-öffentliches Recht begründet werde. Die Errichtung einer Reithalle und eines Pferdestalles würden nicht der im Gegenstande bestehenden Flächenwidmung Bauland - Wohngebiet entsprechen, weshalb eine Verletzung der subjektiv-öffentlichen Rechte des Beschwerdeführers vorliege. Der Schutz subjektiv-öffentlicher Anrainerrechte sei im § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 auch insofern begründet, als diese Bestimmung dem Schutz der Anrainer vor Immissionen diene. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden subjektiv-öffentliche Anrainerrechte dann verletzt werden, wenn aus einem Gebäude Emissionen zu erwarten seien, welche angesichts der Flächenwidmung sonst nicht zu erwarten wären, und das Bauvorhaben im Widerspruch zur Flächenwidmung stehe. Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Bauverfahren sei unter dem Blickwinkel der Flächenwidmung ein abstrakter Maßstab anzulegen. Auf Grund der vorliegenden Sachverständigengutachten stehe fest, dass es unter bestimmten Witterungsbedingungen zu Geruchsbelästigungen aus dem in Rede stehenden Bauwerk kommen werde, obwohl Auflagen vorgeschrieben worden seien, welche bei der Errichtung von Stallgebäuden und Reithallen typischerweise nicht vorgeschrieben würden. Es sei unzulässig, durch Auflagen zu erreichen, ein vom Typus her im Bauland - Wohngebiet unzulässiges Gebäude so gestalten zu wollen, dass es im Falle der Erfüllung der Auflagen als unter der zulässigen Emissionsgrenze liegend qualifiziert werden könne. Es liege daher eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis aus nachstehenden Erwägungen im Recht:

Gemäß § 118 Abs. 8 erster Satz der NÖ Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Nach Abs. 9 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1) den Brandschutz, 2) den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können, 3) die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung und 4) die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Aus diesen Vorschriften geht zunächst hervor, dass im Anwendungsbereich der NÖ Bauordnung 1976 der Nachbar im Baubewilligungsverfahren nur ein auf die Wahrung seiner subjektivöffentlichen Rechte beschränktes Mitspracherecht hat und dieses rechtlich zulässigerweise und mit Aussicht auf Erfolg nur unter der Voraussetzung geltend machen kann, dass er sich auf den Bestand einer im Baurecht verankerten Sachnorm zu berufen vermag, die ihm unter dem Gesichtspunkt seiner Nachbareigenschaft einen subjektiv-öffentlichen Anspruch etwa auf den Schutz vor Gefahren oder sonstigen Beeinträchtigungen gewährleistet, die sich durch ein bestimmtes Bauvorhaben ergeben oder ergeben können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1982, Zl. 05/3079/79). Als eine derartige Norm ist auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 heranzuziehen, wonach Wohngebiete für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Durch diese Bestimmung soll also verhindert werden, dass in Wohngebieten Gebäude - vgl. dazu die Legaldefinition im § 2 Z. 5 der NÖ Bauordnung 1976 - errichtet werden, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Immissionen der erwähnten Art auf die Umgebung verursachen können, womit hinreichend klargestellt ist, dass diese Vorschrift dem Schutz der Nachbarschaft vor Lärm- und Geruchsbelästigungen und sonstigen schädlichen Einwirkungen dient.

Der Gerichtshof kann sich daher der in der Begründung des angefochtenen Bescheides - unter Berufung auf eine vermeintliche ständige hg. Judikatur - vertretenen Auffassung nicht anschließen, dass diese Bestimmung keine Merkmale enthalte, durch die das räumliche Naheverhältnis im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 berührt werde, und ausschließlich den öffentlichen Interessen diene, weshalb diesbezügliche Einwendungen des Beschwerdeführers kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht zum Gegenstand hätten. Die belangte Behörde scheint übersehen zu haben, dass der Gerichtshof nicht im Zusammenhang mit § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, sondern in Bezug auf § 19 Abs. 4 leg. cit., wonach im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden dürfen, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind, wiederholt die Auffassung vertreten hat, diese Vorschrift enthalte auch im Zusammenhang mit dem übrigen Gesetzesinhalt keine Merkmale, durch die das räumliche Naheverhältnis berührt werde, weil mögliche Einwirkungen der Baulichkeit auf die Umgebung bei der Anwendung dieser Vorschrift außer Betracht zu bleiben hätten. Diese Vorschrift diene daher ausschließlich öffentlichen Interessen. Eine derartige Feststellung lässt sich aber auf § 16 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. nicht übertragen, weil die für die Liegenschaft des Konsenswerbers geltende Widmungskategorie eben auch einen Immissionsschutz gewährleistet und daher zu jenen im § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 erwähnten Vorschriften zählt, welche nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer dienen. Ob im übrigen im Beschwerdefall das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 oder eine frühere Raumordnungsbestimmung zur Auslegung des Flächenwidmungsplanes heranzuziehen ist, hängt vom Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes ab (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1983, Zl. 82/05/0143).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid der Behörde erster Instanz als übergangener Nachbar erstmals Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Einwendungen gehabt und darin auch die Frage der Vereinbarkeit des Bauvorhabens des Erstmitbeteiligten mit dem geltenden Flächenwidmungsplan aufgeworfen, weshalb in dieser Hinsicht keine Präklusion eingetreten ist. Die Berufungsbehörde hat nun die Rechtslage insofern verkannt, als sich im Fall der Unvereinbarkeit des Bauvorhabens mit der Flächenwidmung dessen baurechtliche Unzulässigkeit ergeben würde und daher nicht mehr zu prüfen wäre, ob seine Genehmigungsfähigkeit durch entsprechende Auflagen erzielt werden kann. Die den Gegenstand der Regelung des § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 bildende Frage, welche Vorkehrungen zu treffen sind, um die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Gefahren oder Belästigungen abzuwehren, kann sich daher nicht mehr stellen, wenn das Bauvorhaben nach der Flächenwidmung unzulässig ist. Da die belangte Behörde diese Rechtsverletzung nicht wahrgenommen und damit ihrerseits den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil in dem für den Schriftsatzaufwand in der vorstehend zitierten Verordnungsbestimmung vorgesehenen Betrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und überdies für die in vierfacher Ausfertigung einzubringende Beschwerde, eine Vollmacht und eine vorzulegende Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 550,-- an Stempelgebühr zu entrichten waren.

Wien, am 14. Juni 1983

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