VwGH 82/05/0143

VwGH82/05/014317.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der KV in K, vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 22, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. April 1982, Zl. II/2- V 79188/1, betreffend ein Abteilungsverfahren nach der Bauordnung für Niederösterreich (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Bisamberg, vertreten durch den Bürgermeister), nach der am 17. Mai 1983 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Otto Kern, sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Oberregierungsrat Dr. VN, zu Recht erkannt:

Normen

ROG NÖ 1974 §13 Abs1 Z6;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z30;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z6;
ROG NÖ 1974 §13 Abs1 Z6;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z30;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 14.872,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 23. September 1977 beantragte die Beschwerdeführerin beim Gemeindeamt Bisamberg, die Unterteilung der Grundstücke n1, n2, n3 und n4 der Katastralgemeinde Bisamberg gemäß § 10 der Bauordnung für Niederösterreich entsprechend dem vorgelegten Teilungsplan zu genehmigen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1979 versagte der Bürgermeister der Gemeinde Bisamberg die angestrebte Bewilligung. Zur Begründung führte die Baubehörde erster Instanz aus, der Teilungsplan sehe die Schaffung von Grundstücken vor, welche infolge ihrer Größe keine Bauführungen ermöglichten, die gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 des Raumordnungsgesetzes 1976 in der hier maßgeblichen Widmung "Sondergebiet" zulässig seien.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der Gemeinde Bisamberg nicht statt. Die Baubehörde zweiter Instanz schloss sich der Ansicht der ersten Instanz an. In ihrer an die Niederösterreichische Landesregierung gerichteten Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, dass in dem gegebenen "Sondergebiet" laufend Unterteilungen und Baubewilligungen erteilt worden seien. So sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 14. Juli 1976 die Teilung eines Grundstückes der Beschwerdeführerin bewilligt worden. Die Gemeinde Bisamberg habe stets dieses Gebiet als "Bausondergebiet-Kleingartengebiet" betrachtet. Der Bürgermeister habe 1972 bestätigt, dass der Flächenwidmungsplan für die Grundstücke die Widmung "Kleingartengebiet" ausweise. Auf den umliegenden Parzellen seien Baulichkeiten (Wochenendhäuser) errichtet worden. Wenn aber das Raumordnungsgesetz 1976 das Sondergebiet hinsichtlich der Verbauungsvorschriften geändert habe, so hätte der Gemeinderat der Gemeinde Bisamberg das Gebiet in Bauland (Kleingartengebiet) umwidmen müssen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. April 1982 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ging davon aus, dass nach dem rechtswirksamen örtlichen Raumordnungsprogramm der Gemeinde Bisamberg aus dem Jahre 1974 die Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Sondergebiet" festgelegt sei. Der Beschwerdeführerin sei beizupflichten, dass nach dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes geltenden NÖ Raumordnungsgesetz 1974 in einem Bauland-Sondergebiet unter anderem "als bauliche Einheit für den zeitlich begrenzten Erholungsaufenthalt bestimmte Wochenendhausgebiete" vorgesehen gewesen seien. Dieser Festlegung sei jedoch durch § 16 Abs. 1 Z. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 zufolge der so genannten Rechtsfolgetheorie nach Ansicht der Aufsichtsbehörde dahingehend derogiert worden, als im Bauland-Sondergebiet nunmehr nur die nach dieser Bestimmung zulässigen Baulichkeiten und demnach keineswegs Wochenendhäuser und damit Wohnhäuser errichtet werden dürften. Daraus ergebe sich jedoch die zwingende Schlussfolgerung, dass eine Abteilung auf Bauplätze mit einem Flächenausmaß von 600 bis 1430 m2 dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan widerspreche, weil auf solchen die nach § 16 Abs. 1 Z. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 zulässigen Baulichkeiten nicht errichtet werden könnten. Nach § 11 Abs. 3 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1976 habe die Baubehörde die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Grundabteilung Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt würden, insbesondere, wenn der Teilungsplan dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan zuwiderlaufe. Die mit dem Bescheid der Gemeindebehörden erfolgte Versagung der beantragten Grundabteilungsbewilligung sei daher durchaus gesetzeskonform.

 

Die Beschwerdeführerin hat zunächst gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher mit Beschluss vom 27. September 1982, Zl. B 291/82-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In ihrer Ergänzung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung, wie folgt, erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt die Beschwerdeführerin aus, es sei auf Verwaltungsebene unbeachtet geblieben, dass es sich um ein Bausondergebiet mit dem Zusatz "Kleingartengebiet" handle. Die Behörde hätte sich nicht über das Merkmal "Kleingartengebiet" einfach hinwegsetzen dürfen. Es gehe nicht an, dass ohne jede Begründung das "Bausondergebiet-Kleingartengebiet" einfach unter die Bestimmungen des "Sondergebietes" nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1976 subsumiert werde und dann auf die Verbauungsvorschriften für dieses Sondergebiet verwiesen werde, obwohl es sich um ein Kleingartengebiet handle und die beantragte Unterteilung auch mit der Verbauung nichts zu tun habe.

Schon mit diesem Vorbringen kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu. Gemäß § 11 Abs. 3 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1976 hat die Baubehörde die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Grundabteilung Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt werden, insbesondere, wenn der Teilungsplan dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan zuwiderläuft. Die Gemeindebehörden und die belangte Behörde sind nun davon ausgegangen, dass der von der Gemeinde Bisamberg im Jahre 1974 beschlossene Flächenwidmungsplan für das hier maßgebliche Gebiet die Widmung "Sondergebiet" vorsieht. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vermeint, im Flächenwidmungsplan sei ausdrücklich die Widmung "Kleingartengebiet" (als Zusatz) festgelegt worden, dann trifft dies allerdings nicht zu, wie auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführte.

Für das Schicksal der Beschwerde ist daher entscheidend, welche Bedeutung im vorliegenden Falle der Widmung "Sondergebiet" zukommt. Nach § 13 Abs. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 sind im Bauland, sofern es die örtlichen Gegebenheiten erfordern, folgende Gebiete unter Festlegung der zulässigen Nutzungen auszuweisen:

"... 6. Sondergebiete, die für Gebäude, Bauwerke und Anlagen zur Erholung der ansässigen Bevölkerung oder der Fremden bestimmt sind, insbesondere für Ferienheime, Kuranstalten, Spiel- und Sportanlagen sowie als bauliche Einheit geplante und für den zeitlich begrenzten Erholungsaufenthalt bestimmte Wochenendhausgebiete; innerhalb der Sondergebiete können im Interesse der Erholung der ansässigen Bevölkerung oder der Fremden einzelne Teile bestimmt werden, in welchen Wohngebäude nicht errichtet werden dürfen". Der Widmung Sondergebiet kommt also nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1974 eine Bedeutung zu, wie sie die Beschwerdeführerin etwa auch mit dem Begriff "Kleingartengebiet" umschreibt, wobei das Gesetz jedoch, wie dargetan, diesen Ausdruck nicht verwendet. Obwohl der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Bisamberg im zeitlichen Geltungsbereich des NÖ Raumordnungsgesetzes 1974 beschlossen wurde und Rechtswirksamkeit erlangte, haben die Gemeindebehörden und auch die belangte Behörde der ausgewiesenen Widmung "Sondergebiet" nicht jene Bedeutung beigemessen, welche das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 festlegt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde in diesem Zusammenhang vielmehr aus, der Festlegung "Bauland-Sondergebiet" sei durch § 16 Abs. 1 Z. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 dahingehend derogiert worden, dass im "Bauland-Sondergebiet" nunmehr nur die nach der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 zulässigen Baulichkeiten errichtet werden dürften. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser, nicht näher begründeten, Auffassung nicht zu folgen. Richtig ist, dass nach § 16 Abs. 1 Z. 6 NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 Sondergebiete solche Gebiete sind, die für Baulichkeiten zu Zwecken, welche ein besonderes Schutzbedürfnis erfordern, oder zu Zwecken bestimmt sind, welche sich nicht in die Ziffer 1 bis 5 einordnen lassen, wie Kranken- und Kuranstalten, Heime, Hotels und Pensionen, Schulen, Spiel- und Sportanlagen, Kasernen u.dgl. Diese Rechtslage zeigt, dass der NÖ Landesgesetzgeber im Jahre 1976 der Widmung "Sondergebiet" einen anderen Inhalt beigemessen hat, als dieser Widmung nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1974 zukam. Das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 enthält jedoch keine Bestimmung, welche besagt, dass eine früher festgelegte Widmung "Sondergebiet" nunmehr jene Bedeutung besitzt, die einem "Sondergebiet" nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zukommt.

Sowohl das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 als auch das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 wenden sich an den Verordnungsgeber und nicht an den Normunterworfenen unmittelbar. Dies entspricht dem Verständnis des Begriffes "örtliche Raumplanung" im Art. 118 Abs. 3 B-VG, welcher im Sinne eines Gestaltungsrechtes der Gemeinde zu verstehen ist. Bei Änderung eines Raumordnungsgesetzes bestehen die Möglichkeiten, den Verordnungsgeber im neuen Gesetz zur Anpassung zu verpflichten, oder die Begriffsinhalte des neuen Gesetzes erst auf Verordnungen nach der Gesetzesänderung anzuwenden. Bei der im Beschwerdefall gegebenen, vorhin dargestellten Situation ist nun der Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1974 als mit jenem Inhalt erfüllt anzusehen, der den darin festgelegten Widmungen im Zeitpunkt seiner "Erlassung" zugekommen ist, es ist also für die Beurteilung das NÖ Raumordnungsgesetz 1974 maßgebend. Damals ist also der Widmung "Bauland-Sondergebiet" nicht jener eingeschränkte Umfang zugekommen, wie dies die belangte Behörde angenommen hat. Die Übergangsbestimmungen des § 30 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zeigen, dass die dieser Auffassung zugrundeliegenden, vorhin dargelegten Überlegungen dem Gesetzgeber nicht fremd waren, wird doch dort für bestimmte Fälle eine Anpassung früherer Verordnungen vorgesehen (Abs. 4). Diese Bestimmungen kommen aber für die im Beschwerdefall vorliegende Änderung der Rechtslage nicht zur Anwendung.

Es zeigt sich also, dass einerseits die nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 1974 beschlossenen Verordnungen der Gemeinden auf dem Gebiete der örtlichen Raumplanung weiter gelten sollen und dass anderseits der Inhalt einer in einer solchen Verordnung (hier: Flächenwidmungsplan) festgelegten Widmung jene Bedeutung besitzt, wie sie das Raumordnungsgesetz 1974 vorsah. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zur Auslegung des Begriffes "Sondergebiet" nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Bisamberg aus dem Jahre 1974 herangezogen. Schon aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Zurückweisung des Mehrbegehrens war im Hinblick auf die verspätete Antragstellung auszusprechen.

Wien, am 17. Mai 1983

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