VfGH B327/2012 ua

VfGHB327/2012 ua2.10.2013

Ablehnung der Beschwerden im Anlassfall nach Aufhebung von Bestimmungen der Schienenverkehrslärm-EmissionsschutzV; Kostenzuspruch

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs2
UVP-G 2000 §24f
Schienenverkehrslärm-EmissionsschutzV (SchIV), BGBl 415/1993 §2
VfGG §88
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs2
UVP-G 2000 §24f
Schienenverkehrslärm-EmissionsschutzV (SchIV), BGBl 415/1993 §2
VfGG §88

 

Spruch:

I. Die Behandlung der Beschwerden wird abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) ist schuldig, der zu B327/2012 beschwerdeführenden Partei die mit € 2.620,− bestimmten Prozesskosten zu Handen ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Die Beschwerden werden dem Verwaltungsgerichtshof zur Ent­scheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungs­gerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entschei­dung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu er­warten ist (Art144 Abs2 B‑VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegenden Beschwerden rügen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Achtung des Privatlebens, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein faires Verfahren. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen An­wendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch ver­fassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der auf­geworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

2. Aus Anlass dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B‑VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §2 Abs1, 2 und 3 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über Lärmschutzmaßnahmen bei Haupt-, Neben- und Straßenbahnen (Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung – SchIV), BGBl 415/1993, ein. Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2013, V30/2013, V31/2013, hob er die Wortfolge ", S 5004 (Ausgabe 1985) und S 5005 (Ausgabe 1992)" in §2 Abs1 SchIV sowie die Bestimmung des §2 Abs2 SchIV als gesetzwidrig auf.

Der Ausspruch der Gesetzwidrigkeit der genannten Bestimmungen führt zu keiner anderen Beurteilung des durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie mit Bescheid vom 1. Februar 2012 genehmigten Vorhabens. Es ist davon auszugehen, dass die Aufhebung dieser Bestimmungen keine Auswirkung auf die Beurteilung des Projekts "Hochleistungsstrecke Nr 221 – Linz Hbf. bis Summerau" hat, wonach dieses mit dem UVP-G, dem EisbG und der SchIV vereinbar ist, zumal zunächst Berechnungen dazu dienen, eine Prognoseentscheidung zu treffen, und eine Überprüfung der Lärmsituation durch Messungen erst nach Abschluss der Baumaßnahmen erfolgt. Außerdem ist dem im Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten und in der Gegenschrift wiedergegebenen Gutachten zu entnehmen, dass "schalltechnisch inhaltlich" durch die bei den verwiesenen Regelwerken erfolgten Änderungen "bei Messungen keine und in den Ergebnissen von Berechnungen nur geringfügige Unterschiede innerhalb der Wahrnehmbarkeitsgrenzen von weniger als ±1 dB" zu erwarten wären.

3. Soweit die Beschwerden darüber hinausgehend insofern verfassungsrecht­liche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der den angefoch­tenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwen­dung eines ver­fassungswidrigen Gesetzes bzw. einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichen­de Aussicht auf Erfolg haben:

Der Verfassungsgerichtshof hegt anlässlich der Beschwerden keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §24f Abs1 und 2 UVP-G bzw. keine – über die bereits erfolgte Verordnungsprüfung hinausgehenden – Bedenken gegen die SchIV (siehe zu diesen Bestimmungen zB VfSlg 18.322/2007). Die Sonderregelung für Eisenbahnvorhaben nach §24f Abs2 UVP-G sowie die Regelung des §2 Abs4 SchIV liegt angesichts des Interesses der Öffentlichkeit an der Verwirklichung solcher Infra­struk­tur­vorhaben und angesichts der unterschiedlichen Sachlage (zB größere Anzahl be­ ­troffener Personen, unterschiedliche Art der Lärmausbreitung und geringere Störwirkung von Schienenverkehrslärm) im rechtspolitischen Ermessen und wirft weder im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz noch im Hinblick auf andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (insbesondere Art8 EMRK) verfassungs­rechtliche Bedenken auf, zumal die SchIV zahlreiche – vorrangig bahnseitige – Lärmschutzmaßnahmen vorsieht. Ein Gebot, Eisenbahnvorhaben einerseits und an­de­re umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Vorhaben andererseits gleich zu behandeln, ist aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht abzuleiten. Die Sonderregelung des §24f Abs2 UVP‑G in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung (BGBl I 87/2009) greift ausschließlich dort, wo es um die Zumut­barkeit möglicher Belästigungen der Nachbarn iSd §24f Abs1 Z2 litc UVP‑G geht; zu einer Gesundheitsgefährdung darf es nach §24f Abs1 Z2 lita UVP‑G in keinem Fall kommen.

Soweit die Unbestimmtheit der Bestimmung des §19 Abs4 EisbG behauptet wird, ist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum – einer Auslegung zugänglichen – Begriff des Standes der Technik zu verweisen (zB VfSlg 17.560/2005).

4. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

5. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Be­schwerden abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die zu B327/2012 beschwerdeführende Partei hat die amtswegige Prüfung von in den Beschwerdefällen präjudiziellen Verordnungsbestimmungen mit Erfolg angeregt und dadurch zur Bereinigung der Rechtslage beigetragen; es ist ihr daher der Ersatz der Kosten zuzusprechen (VfSlg 17.089/2003; VfGH 24.9.2007, B547/06; VfGH 12.3.2009, B1914/07). In den zu­gesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,− sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,− enthalten.

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