Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Reisegebührenvorschrift 1955 §22 Abs2 Z2
GehG 1956 §4
VertragsbedienstetenG 1948 §16
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Reisegebührenvorschrift 1955 §22 Abs2 Z2
GehG 1956 §4
VertragsbedienstetenG 1948 §16
Spruch:
§22 Abs2 Z2 der Verordnung der Bundesregierung vom 29. März 1955, betreffend die Gebühren bei Dienstreisen, Dienstverrichtungen im Dienstort, Dienstzuteilungen und Versetzungen (Reisegebührenvorschrift 1955), BGBl. Nr. 133/1955 idF BGBl. I Nr. 176/2004, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2011 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu der Zahl B1978/08 eine
Beschwerde gemäß Art144 B-VG anhängig, der im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
Mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. Oktober 2008 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß §22 Abs2 Z2 litc der Verordnung der Bundesregierung vom 29. März 1955, betreffend die Gebühren bei Dienstreisen, Dienstverrichtungen im Dienstort, Dienstzuteilungen und Versetzungen (Reisegebührenvorschrift 1955), BGBl. 133/1955 idF BGBl. I 176/2004 (im Folgenden: RGV 1955), eine Zuteilungsgebühr in Höhe von 25% der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach §13 zusteht. Begründend wird darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer einen unehelichen Sohn mit einer ehemaligen Lebensgefährtin habe, mit dem er nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Der ehemaligen Lebensgefährtin gebühre eine Kinderzulage, da sie bei einer inländischen Gebietskörperschaft beschäftigt sei. Da es sich bei der Lebensgefährtin aber um keinen früheren Ehegatten iSd §22 Abs2 Z2 lita sublit. bb RGV 1955 handle, sei dem Beschwerdeführer lediglich die Gebühr gemäß §22 Abs2 Z2 litc leg.cit. zuzusprechen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingangs genannte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, nämlich des §22 RGV 1955, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides sowie für den Fall der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde die Abtretung dieser an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.
3. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs2 Z2 RGV 1955 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom 23. Juni 2010 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung ein.
4. Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 14. September 2010 beschlossen, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen, und für den Fall der Aufhebung beantragt, dass der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimme, um eine Neuregelung erlassen zu können.
II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1.1. §22 der Verordnung der Bundesregierung vom 29. März 1955, betreffend die Gebühren bei Dienstreisen, Dienstverrichtungen im Dienstort, Dienstzuteilungen und Versetzungen (Reisegebührenvorschrift 1955), BGBl. 133/1955 idF BGBl. I 176/2004 - RGV 1955, lautet wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Dienstzuteilung
§22. (1) Bei einer Dienstzuteilung erhält der Beamte eine Zuteilungsgebühr; sie umfaßt die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr. Der Anspruch auf die Zuteilungsgebühr beginnt mit der Ankunft im Zuteilungsort und endet mit der Abreise vom Zuteilungsort oder, wenn der Beamte in den Zuteilungsort versetzt wird, mit dem Ablauf des letzten Tages der Dienstzuteilung. §17 findet sinngemäß Anwendung.
(2) Die Zuteilungsgebühr beträgt:
1. für die ersten 30 Tage der Dienstzuteilung 100 % der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach §13;
2. ab dem 31. Tag der Dienstzuteilung
a) für Beamte 75 % der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach §13, wenn
aa) ihnen oder ihrem Ehegatten mindestens eine Kinderzulage gebührt oder
bb) dem früheren Ehegatten des Beamten mindestens eine Kinderzulage für ein gemeinsames Kind gebührt,
b) für verheiratete Beamte in den übrigen Fällen 50 % der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach §13,
c) für die übrigen Beamten 25 % der Tagesgebühr nach Tarif I und der Nächtigungsgebühr nach §13.
(3) - (7) ..."
1.2. §13 RGV 1955 lautet wie folgt:
"Reisezulage
§13. (1) Die Reisezulage beträgt:
Tagesgebühr
in der Gebührenstufe Tarif I Tarif II Nächtigungsgebühr
Euro
1 24,6 18,5 13,3
2a 27,9 20,9 15,3
2b 27,9 20,9 18,1
3 34,9 26,2 18,1
(2) Die Tagesgebühr wird nach Tarif I berechnet:
a) für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise), ausgenommen die Reisebewegung gemäß Abs3 lita;
b) für die ersten 30 Tage des Aufenthaltes in derselben Ortsgemeinde; bei Dienstreisen innerhalb des politischen Bezirkes, in dessen Gebiet der Dienstort oder der Ort der Dienstzuteilung des Beamten liegt (Bezirksreisen), jedoch nur dann, wenn hiebei ein Anspruch auf Nächtigungsgebühr erwächst.
(3) - (8) ..."
1.3. §21 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1946 über das Diensteinkommen und die Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Bundesbeamten (Gehaltsüberleitungsgesetz), auf Grund dessen die RGV 1955 erlassen wurde, trat mit Wirkung vom 1. Februar 1956 außer Kraft. §92 Abs1 Gehaltsgesetz 1956 (im Folgenden: GehG 1956), BGBl. 54, bestimmte, dass die Bestimmungen der auf Grund des Gehaltsüberleitungsgesetzes erlassenen Verordnungen besoldungsrechtlichen Inhaltes als Bundesgesetz in Geltung bleiben, soweit sie nicht mit den Bestimmungen des GehG 1956 im Widerspruch stehen. Damit wurde die RGV 1955 mit 1. Februar 1956 in den Rang eines Bundesgesetzes gehoben. Art5 Abs1 Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. 86 idF BGBl. 165/1961, bestimmt ebenfalls, dass die Bestimmungen der RGV 1955 als Bundesgesetz in Geltung bleiben.
1.4. §4 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. 54 idF BGBl. I 142/2000 - GehG 1956, lautet:
"Kinderzulage
§4. (1) Eine Kinderzulage von 14,5 Euro monatlich gebührt - soweit im Abs3 nicht anderes bestimmt ist - für jedes der folgenden Kinder, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 376/1967, bezogen wird oder für das nur deshalb keine Familienbeihilfe bezogen wird, weil für dieses Kind eine gleichartige ausländische Beihilfe bezogen wird:
- 1. eheliche Kinder,
- 2. legitimierte Kinder,
- 3. Wahlkinder,
- 4. uneheliche Kinder,
- 5. sonstige Kinder, wenn sie dem Haushalt des Beamten angehören und der Beamte überwiegend für die Kosten des Unterhaltes aufkommt.
(2) ...
(3) Für ein und dasselbe Kind gebührt die Kinderzulage nur einmal. Hätten mehrere Personen für ein und dasselbe Kind Anspruch auf diese Zulage oder eine ähnliche Leistung aus einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft, so gebührt die Kinderzulage nur dem Beamten, dessen Haushalt das Kind angehört. Hiebei geht der früher entstandene Anspruch dem später entstandenen vor. Bei gleichzeitigem Entstehen der Ansprüche geht der Anspruch des älteren Beamten vor.
(4) Dem Haushalt des Beamten gehört ein Kind an, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter der Leitung des Beamten dessen Wohnung teilt oder aus Gründen der Erziehung, Ausbildung, Krankheit oder eines Gebrechens woanders untergebracht ist. Durch die Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes wird die Haushaltszugehörigkeit nicht berührt.
(5) Der Beamte ist verpflichtet, alle Tatsachen, die für den Anfall, die Änderung oder die Einstellung der Kinderzulage von Bedeutung sind, binnen einem Monat nach dem Eintritt der Tatsache, wenn er aber nachweist, daß er von dieser Tatsache erst später Kenntnis erlangt hat, binnen einem Monat nach Kenntnis, seiner Dienstbehörde zu melden."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zu den formellen Voraussetzungen des Gesetzesprüfungsverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig Folgendes angenommen:
"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, und dass die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §22 Abs2 Z2 litc RGV 1955 angewendet hat und daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden hätte.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Umfang der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden und im Fall ihrer Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit aufzuhebenden Normen derart abzugrenzen, dass nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Norm müssen so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt annimmt und andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies trifft sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Normprüfungsverfahren zu (zB VfSlg. 12.465/1990, 13.965/1994, 17.266/2004, 17.335/2004, VfGH 25.6.2009, V23/09 ua.).
Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Auffassung, dass die lita (sublit. aa, bb) und b in §22 Abs2 Z2 RGV 1955 mit §22 Abs2 Z2 litc leg.cit. in einem solchen untrennbaren Zusammenhang stehen."
1.2. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde B1978/08 und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung sprechen würden. §22 Abs2 Z2 RGV 1955 normiert die Höhe der Zuteilungsgebühr ab dem 31. Tag der Dienstzuteilung; die lita (sublit. aa, bb) bis litc beinhalten die - von den familiären Verhältnissen des Anspruchsberechtigten abhängigen - Voraussetzungen dafür, in welchem Ausmaß die Zuteilungsgebühr tatsächlich gebührt. Diese Bestimmungen stehen demnach in einem untrennbaren Zusammenhang. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2.1. In der Sache äußerte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss folgende Bedenken:
"§22 Abs1 RGV 1955 bestimmt, dass ein Beamter bei einer Dienstzuteilung eine Zuteilungsgebühr erhält. Gemäß §22 Abs2 Z1 leg.cit. gebührt jedem Beamten für die ersten 30 Tage der Dienstzuteilung 100% der Tages- und Nächtigungsgebühr. §22 Abs2 Z2 leg.cit. differenziert ab dem 31. Tag der Dienstzuteilung in Bezug auf die Höhe der Zuteilungsgebühr zwischen drei Gruppen: erstens Beamte, denen selbst oder deren Ehegatten oder deren früheren Ehegatten eine Kinderzulage gebührt, zweitens sonstige verheiratete Beamte und drittens alle übrigen Beamte. Die erste Gruppe erhält als Zuteilungsgebühr 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr, die zweite Gruppe 50% und die dritte Gruppe 25%. Gemäß §74 RGV 1955 ist diese Bestimmung auch auf Vertragsbedienstete anzuwenden.
Eine Kinderzulage nach §4 Abs1 Gehaltsgesetz 1956 gebührt für eheliche, legitimierte und uneheliche Kinder, Wahlkinder und unter bestimmten Voraussetzungen auch für sonstige Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird. Da gemäß §4 Abs3 leg.cit. für ein und dasselbe Kind nur einmal die Kinderzulage gebührt, erhält diese - wenn mehrere Personen Anspruch darauf hätten - jener Beamte, dessen Haushalt das Kind angehört. Der Bezug der Kinderzulage ist darüber hinaus nicht davon abhängig, dass der Bezieher der Kinderzulage auch selbst Anspruch auf Familienbeihilfe hat; es reicht aus, dass eine andere Person Anspruch auf die Familienbeihilfe für das betreffende Kind hat (vgl. RV 134 BlgNR 20. GP). Dieser Bestimmung entspricht §16 VBG 1948, sodass Vertragsbedienstete unter denselben Voraussetzungen ebenfalls die Kinderzulage beziehen.
... Durch diese Differenzierung scheinen sich folgende
Fallkonstellationen zu ergeben, die unterschiedlich behandelt werden (Wenn im Folgenden von 'Beamter' die Rede ist, sind damit sowohl weibliche als auch männliche Beamte gemeint und trifft jeweils dasselbe auch auf Vertragsbedienstete zu.):
a) Ein Beamter, der mit einer Beamtin verheiratet ist und mit dieser ein gemeinsames Kind hat, erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, unabhängig davon, ob ihm selbst oder seiner Ehegattin die Kinderzulage gebührt (sublit. aa).
b) Ein Beamter, der mit einer 'Nicht-Beamtin' verheiratet ist und mit dieser ein gemeinsames Kind hat, erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, weil ihm die Kinderzulage gebührt, unabhängig davon, ob er oder seine Ehegattin Bezieher der Familienbeihilfe ist ('ihnen' in sublit. aa).
c) Ein von einer Beamtin geschiedener Beamter erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, wenn er mit seiner früheren Ehegattin ein gemeinsames Kind hat, unabhängig davon, ob die Kinderzulage ihm selbst ('ihnen' in sublit. aa) oder seiner früheren Ehegattin gebührt (sublit. bb).
d) Ein von einer 'Nicht-Beamtin' geschiedener Beamter erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, wenn er mit seiner früheren Ehegattin ein gemeinsames Kind hat, weil ihm die Kinderzulage gebührt, unabhängig davon, ob er oder seine frühere Ehegattin Bezieher der Familienbeihilfe ist ('ihnen' in sublit. aa).
e) Ein Beamter, der sich in einer Lebensgemeinschaft mit einer 'Nicht-Beamtin' befindet und mit dieser ein gemeinsames Kind hat, erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, weil in diesem Fall die Kinderzulage dem Beamten selbst gebührt ('ihnen' in sublit. aa), unabhängig davon, ob er oder seine Lebensgefährtin Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
f) Ein Beamter, der in einer Lebensgemeinschaft mit einer 'Nicht-Beamtin' war und mit dieser ein gemeinsames Kind hat, erhält 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, weil in diesem Fall die Kinderzulage dem Beamten selbst gebührt ('ihnen' in sublit. aa), unabhängig davon, ob er oder seine Lebensgefährtin Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Zusammenfassend kann man zu den Punkten b, d, e und f festhalten, dass einem Beamten die höchste Zuteilungsgebühr anscheinend immer dann gebührt, wenn er mit einer 'Nicht-Beamtin' ein gemeinsames Kind hat, gleichgültig, ob sie verheiratet sind (bzw. waren) oder nicht.
g) Ein Beamter, der (wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall) weder verheiratet noch geschieden ist und mit einer Beamtin ein gemeinsames Kind hat, erhält 25% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, wenn die Kinderzulage der Mutter des Kindes gebührt (litc).
... Der Verfassungsgerichtshof kann vorderhand keine
sachliche Rechtfertigung dafür finden, dass zwar jene Beamten, die mit einer 'Nicht-Beamtin' - unabhängig von der Art der Beziehung der beiden zueinander - ein gemeinsames Kind haben, 75% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr erhalten, nicht aber auch jene unverheirateten, nicht geschiedenen Beamten, die mit einer Beamtin ein gemeinsames Kind haben.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung dem Gleichheitssatz (Art7 Abs1 B-VG) widerspricht."
2.2. Die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken treffen zu; im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was diese zerstreuen könnte.
Auf Grund der Regelungen des §22 Abs2 Z2 RGV 1955 iVm §4 Abs1 GehG 1956 gebührt einem Beamten (in gleicher Weise auch einem Vertragsbediensteten) die höchste Zuteilungsgebühr (75% der Tages- und Nächtigungsgebühr) immer dann, wenn er mit einer "Nicht-Beamtin" (bzw. "Nicht-Vertragsbediensteten") ein gemeinsames Kind hat, gleichgültig, ob die Eltern verheiratet sind (bzw. waren) oder nicht, weil in diesem Fall der Beamte (bzw. Vertragsbedienstete) selbst Anspruch auf die Kinderzulage hat. Ein Beamter (bzw. Vertragsbediensteter), der mit einer Beamtin (bzw. Vertragsbediensteten) ein gemeinsames Kind hat und mit dieser weder verheiratet noch von dieser geschieden ist, erhält demgegenüber lediglich 25% der Tages- und Nächtigungsgebühr als Zuteilungsgebühr, wenn die Mutter des Kindes die Kinderzulage bezieht.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss ausgesprochenen Auffassung, dass es keine sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung gibt; §22 Abs2 Z2 RGV 1955 widerspricht daher dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG).
Die genannte Bestimmung ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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