VfGH G188/07 ua, B587/08

VfGHG188/07 ua, B587/08G188/07 ua, B587/0816.6.2009

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Bankwesengesetzes betreffend "Warnmeldungen" wegen entschiedener Sache sowie des Amtshaftungsgesetzes mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft; Ablehnung der Beschwerdebehandlung

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AHG §1
BankwesenG §4 Abs7
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AHG §1
BankwesenG §4 Abs7

 

Spruch:

I. Die zu G188,189/07 protokollierten Anträge, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 B-VG den ersten Satz des §4 Abs7 BWG, BGBl. Nr. 532/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 141/2006, sowie in §1 Abs1 AHG, BGBl. Nr. 20/1949 in der Fassung BGBl. Nr. 343/1989, die Wortfolge "nur in Geld", in eventu den zweiten Halbsatz des ersten Satzes aufheben, werden zurückgewiesen.

II. Die Behandlung der zu B587/08 protokollierten Beschwerde wird abgelehnt.

III. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit den zu G188,189/07 protokollierten Anträgen begehrt

die G. Ltd., nach eigenen Angaben "eine Gesellschaft nach britischem Recht mit Satzungssitz in London und Verwaltungssitz an ihrer österreichischen Niederlassung", gestützt auf Art140 B-VG wörtlich Folgendes:

"der Verfassungsgerichtshof wolle nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

1. §4 Abs7 Satz 1 BWG idgF (BGBl 532/1995 idF BGBl I 141/2006) vollständig aufheben;

2. in §1 Abs1 S 2 AHG idgF (BGBl 20/1949 idF BGBl 343/1989) die Wortfolge 'nur in Geld' aufheben;

in eventu

3. §1 Abs1 S 1 2. HS AHG idgF (BGBl 20/1949 idF BGBl 343/1989) vollständig aufheben ..."

2. Zum Sachverhalt führt die antragstellende Gesellschaft Folgendes aus:

Sie habe ein - im Antrag näher beschriebenes - Geschäftsmodell entwickelt, an dem sich Anleger in Erwartung einer bestimmten Rendite beteiligen können.

In der Wiener Zeitung vom 3. Februar 2007 habe die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) eine Meldung veröffentlicht, in der gemäß §4 Abs7 Bankwesengesetz (BWG) darüber informiert (bzw. "gewarnt") wurde, dass die antragstellende Gesellschaft "zur Vornahme von Bankgeschäften (Einlagengeschäfte und Grundbuchgeschäfte) nicht berechtigt ist".

Gleichzeitig habe die FMA auf ihrer Homepage sowie als Pressemeldung an die APA eine entsprechende Meldung, bezeichnet als "Warnmeldung zu einem unseriösen Anbieter von Finanzdienstleistungen", veröffentlicht.

3. Zur Rechtslage und zur Zulässigkeit des Individualantrags führt die Antragstellerin (zusammengefasst) aus:

3.1. Die Veröffentlichung von Warnmeldungen der beschriebenen Art noch vor Durchführung eines rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens könne irreversible Schäden beim Betroffenen verursachen. Die Rechtslage, derzufolge kein taugliches Mittel des Rechtsschutzes gegen "Warnmeldungen" zur Verfügung stehe, sei verfassungswidrig. Die faktische Handlung der Veröffentlichung einer "Warnmeldung" sei weder als Bescheid noch als Verordnung qualifizierbar; auch eine Einstufung als Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei vor dem Hintergrund der dazu bestehenden Judikatur nicht möglich, weshalb die Maßnahme auch beim Unabhängigen Verwaltungssenat nicht anfechtbar sei. Der Rechtsschutzsuchende sei darauf beschränkt, nachträglich Amtshaftungsansprüche geltend zu machen; eine Unterlassungsklage gegen behördliches Vorgehen sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht zulässig.

3.2. Grundlage der von der FMA publizierten "Warnmeldungen" sei §4 Abs7 des Bankwesengesetzes (BWG) BGBl. 532/1995 in der Fassung BGBl. I 141/2006. Die antragstellende Gesellschaft sei durch diese Rechtsnorm unmittelbar und individuell in ihren Rechten verletzt, weil die Veröffentlichung einer "Warnmeldung" durch die FMA ohne Dazwischentreten eines anderen Rechtsaktes, wie etwa eines Bescheides oder einer Verordnung, erfolge. Da die Maßnahme keine normative Wirkung habe, sei sie nicht nach Art129a Abs1 Z2 B-VG bekämpfbar. Unterlassungsansprüche seien durch das AHG ausgeschlossen. Ein anderer Weg, die Regelung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, als der Individualantrag sei der Gesellschaft nicht zumutbar. Die FMA habe die antragstellende Gesellschaft "in Anwendung des §4 Abs7 BWG durch die darauf gestützte Veröffentlichung" in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt. Weiters sei sie in ihren Rechten dadurch verletzt, dass das AHG einen Ersatz nach §1 Abs1 zweiter Satz "nur in Geld" zulasse und damit auch das AHG keine andere Form des Rechtsschutzes erlaube.

4. Das weitere Antragsvorbringen beinhaltet detaillierte Ausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen, auf deren Wiedergabe in Anbetracht des Verfahrensergebnisses (unten Pkt. V.1.) verzichtet werden kann.

5. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Anträge beantragt.

III. 1. Mit Antrag vom 10. Mai 2007 (bzw. vom 28. Jänner 2008) verlangte die antragstellende Gesellschaft von der FMA die Entfernung oder Änderung der - als "Warnmeldung" bezeichneten - Kundmachung der FMA.

2. Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 wies die FMA den Antrag mit der Begründung zurück, dass §4 Abs7 BWG kein Recht auf Löschung oder Änderung vorsehe.

3. Dagegen richtet sich die zu B587/08 protokollierte Beschwerde gemäß Art144 B-VG der auch im Verfahren zu G188,189/07 einschreitenden [G.] Ltd., in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (einschließlich des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die FMA als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

IV. Rechtslage:

1. §4 Abs7 des Bankwesengesetzes, BGBl. 532/1993 in der Fassung BGBl. I 141/2006, lautet auszugsweise (der angefochtene Satz ist hervorgehoben; der Absatz 7 wurde mit BGBl. I 97/2001 in das Gesetz aufgenommen und seither nicht geändert):

"II. Konzession

Konzessionserteilung

§4. (1) Der Betrieb der in §1 Abs1 genannten Geschäfte bedarf der Konzession der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA).

(2) - (6) ...

(7) Die FMA ist berechtigt, im Einzelfall durch Kundmachung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' oder in einem anderen bundesweit verbreiteten Bekanntmachungsblatt die Öffentlichkeit zu informieren, dass ein namentlich genanntes Unternehmen zur Vornahme bestimmter Bankgeschäfte nicht berechtigt ist. Die FMA hat auf individuelle Anfrage in angemessener Frist Auskünfte über den Konzessionsumfang von Kreditinstituten zu erteilen. Die FMA hat bis zum 1. Jänner 2004 eine Datenbank aufzubauen, die Informationen über den aktuellen Umfang der bestehenden Konzessionen der Kreditinstitute enthält, und hat über Internet eine Abfrage dieser Daten zu ermöglichen."

Mit Erkenntnis vom 12. März 2009, G164/08, hat der Verfassungsgerichtshof den ersten Satz des §4 Abs7 leg.cit. als verfassungswidrig aufgehoben (kundgemacht am 16. April 2009 durch BGBl. I 42/2009).

2. §1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG), BGBl. 20/1949 in der Fassung BGBl. I 194/1999, lautet (die angefochtenen Stellen sind hervorgehoben; der Abs1 ist seit der Stammfassung unverändert):

"I. Abschnitt.

Haftpflicht.

§1. (1) Der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung - im folgenden Rechtsträger genannt - haften nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigten haftet das Organ nicht. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.

(2) Organe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.

(3) Mit dem im Abs1 genannten Rechtsträger haftet zur ungeteilten Hand auch derjenige, als dessen Organ die handelnde Person gewählt, ernannt oder sonstwie bestellt worden ist. Hat dieser Rechtsträger auf Grund dieser Haftung Zahlungen geleistet, so hat er an den im Abs1 genannten Rechtsträger einen Anspruch auf Rückersatz."

V. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Individualanträge:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit seinem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Zulässigkeit eines Individualantrages nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern auch aktuell beeinträchtigen muss und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10.481/1985, 11.684/1988, 13.871/1994, 14.585/1996, 14.752/1997, 16.137/2001).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988).

1.2. Zu dem gegen §4 Abs7 erster Satz BWG gerichteten Antrag ist auszuführen, dass der angefochtene Satz in dem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zu G164/08 mit Erkenntnis vom 12. März 2009 aufgehoben wurde. Ein bereits aufgehobenes Gesetz kann nicht neuerlich Gegenstand eines entsprechenden Aufhebungsbegehrens sein. Dem Antrag steht das - in jedem Stadium des Verfahrens wahrzunehmende - Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen (vgl. VfSlg. 15.789/2000, 17.844/2006).

1.3. Der Antrag, §4 Abs7 erster Satz BWG als verfassungswidrig aufzuheben, war daher zurückzuweisen.

1.4. Zu dem gegen Teile des §1 AHG gerichteten Antrag:

Auch dieser Antrag ist unzulässig. Die angefochtenen Wortfolgen des §1 AHG greifen nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein und können nur durch eine gerichtliche Entscheidung für sie wirksam werden (vgl. dazu bereits den Beschluss VfSlg. 14.669/1996 [S 492]; vgl. auch VfGH 4.3.1996, G1384/95 ua.).

1.5. Die Zurückweisung der Individualanträge (Spruchpunkt I.) konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

2. Zur Beschwerde gemäß Art144 B-VG:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2.2. Die Beschwerde rügt unter anderem die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG). Diese Rechtsverletzungen wären - der angefochtene Bescheid verneint ein Antragsrecht in denkmöglicher Weise - nur die Folge einer unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

2.3. Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als sie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des §4 Abs7 BWG, BGBl. 532/1995 in der Fassung BGBl. I 97/2001, behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass das dazu durchgeführte (oben erwähnte) Normenprüfungsverfahren zwar zum Wegfall der Ermächtigung der FMA, nicht aber zum Entstehen neuer Antragsrechte geführt hat. Es ist daher auch nach der bereinigten Rechtslage ausgeschlossen, dass durch die Verneinung eines Antragsrechts eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes stattgefunden hat.

2.4. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

2.5. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VfGG).

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