VfGH B586/07

VfGHB586/079.6.2008

Zulässigkeit der Anfechtung eines Intimationsbescheides betreffend Ernennung eines Amtsdirektors eines Landesschulrates durch eine abgewiesene Mitbewerberin; offene Frist mangels Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin; kein Beginn des Fristenlaufes durch Kenntniserlangung; Verletzung im Gleichheitsrecht durch den nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof erlassenen Ersatzbescheid betreffend die Abweisung einer Bewerbung um die Funktion des Amtsdirektors eines Landesschulrates mangels ausreichender Begründung der Auswahlentscheidung auch im Ersatzbescheid

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art67 Abs1 und Abs2
B-VG Art81b
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Bundes-SchulaufsichtsG §11 Abs3
Krnt ObjektivierungsG §15
VfGG §82 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art67 Abs1 und Abs2
B-VG Art81b
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Bundes-SchulaufsichtsG §11 Abs3
Krnt ObjektivierungsG §15
VfGG §82 Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem

öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule St. Johann im Pongau als Professor tätig. Der Beschwerdeführer bewarb sich - mit weiteren Personen - fristgerecht um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 27. November 2003 ausgeschriebene Stelle eines Direktors an der genannten Schule.

Im Verfahren zur Besetzung dieser Stelle erstattete das Kollegium des Landesschulrates für Salzburg der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur einen Besetzungsvorschlag, in dem die Mitbewerberin, mit der die ausgeschriebene Stelle in der Folge besetzt wurde, an erster und der Beschwerdeführer an dritter Stelle gereiht war.

2.1. In weiterer Folge wurde diese Mitbewerberin auf Vorschlag der genannten Bundesministerin mit Entschließung des Bundespräsidenten zur Direktorin der genannten Schule ernannt, wovon die erfolgreiche Bewerberin mit (Intimations-)Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 13. Juni 2005 in Kenntnis gesetzt wurde. Dieser Bescheid lautet wie folgt:

"Sehr geehrte Frau Prof. ...!

Der Bundespräsident hat Sie mit Entschließung vom 25. April

2005 ... gemäß §§2 bis 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl.

Nr. 333/1979, mit Wirksamkeit vom 1. Juni 2005 zur Direktorin der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule 5600 St. Johann im Pongau, Alte Bundesstraße 11, auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe L1 im Planstellenbereich der Handelsakademien und Handelsschulen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt.

Gemäß §57 Abs1 Gehaltsgesetz 1956, in der derzeit geltenden Fassung, gebührt Ihnen zu Ihren Dienstbezügen der Verwendungsgruppe L1 eine Dienstzulage, deren Höhe sich nach den Bestimmungen des §57 Abs2 litb leg.cit. im Zusammenhalt mit der Schulleiter-Zulagenverordnung 1966, BGBl. Nr. 192, in der derzeit geltenden Fassung, richtet.

Die Ernennung ist gemäß §207h Abs1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, in der derzeit geltenden Fassung, zunächst für einen Zeitrum von 4 Jahren wirksam.

In diesen Zeitraum werden Ihnen die Zeiten im Ausmaß von 9 Monaten gemäß Abs2 leg.cit. eingerechnet.

Es ist eine besondere Freude, Sie hievon mit meinen besten Glückwünschen in Kenntnis zu setzen."

2.2. Mit einem weiteren Bescheid der genannten Bundesministerin vom 4. Juli 2005 wurde die Bewerbung des Beschwerdeführers um die genannte Direktorenstelle abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid der Bundesministerin erhob der Beschwerdeführer gemäß Art144 Abs1 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2006, B1199/05, wurde dieser Bescheid wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben.

3. In der Folge beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2007 bei der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Zustellung des unter Pkt. 2.1. genannten (Intimations-)Bescheides vom 13. Juni 2005. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer sodann am 8. März 2007 zugestellt.

Gegen den (Intimations-)Bescheid vom 13. Juni 2005 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Begründend bringt der Beschwerdeführer iW Folgendes vor:

"Der Hohe Verfassungsgerichtshof hat seine ... Entscheidung

[vom 25. September 2006, B1199/05] unter Verweis auf das von ihm in einer gleichgelagerten Sache gefällte Erkenntnis vom 25.9.2006, B900/05 sinngemä[ß] damit begründet, dass es die belangte Behörde verabsäumt hat, bei der von ihr zu treffenden (Auswahl)entscheidung die für und gegen mich sprechende[n] Kriterien einander gegenüber zu stellen und dem grö[ß]eren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen; der Bescheidbegründung seien zwar zugunsten der ernannten Bewerberin berücksichtigte Kriterien zu entnehmen, nicht jedoch, weshalb sich daraus ergibt, dass ihre Fähigkeiten und Erfahrungen grö[ß]er seien als meine. Dadurch habe die belangte Behörde objektive Willkür geübt.

Der beschwerdegegenständliche Bescheid enthält überhaupt keine Begründung, wobei angenommen werden kann, dass eine solche zufolge §10 DVG unterblieb, weil es sich um ein Ernennungsdekret handelt (wenn auch mit zusätzlichen besoldungsrechtlichen Elementen). Damit ist im Sinne des vorangeführten Erkenntnisses zu konstatieren, dass durch diesen Bescheid nichts an der Entscheidungswillkür geändert werden kann. Die beiden Entscheidungen, nämlich das nunmehr angefochtene Ernennungsdekret einerseits und der durch das besagte Erkenntnis aufgehobene Bescheid über die Abweisung meiner Bewerbung andererseits[,] sind in ihrem Zusammenhang ausgehend von der vorbezeichneten Norm dahin zu verstehen, dass überhaupt nur der Abweisungsbescheid als der Begründung bedürftig angesehen wurde.

Andererseits stellen diese beiden Entscheidungen eine Einheit dar:

Die Ernennung eines Bewerbers inkludiert in logischer Konsequenz, dass die anderen Bewerbungen abgewiesen werden. Ist daher bei Abweisung meiner Bewerbung Willkür geübt worden, so gilt das auch für die Ernennungsentscheidung durch den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Diesem Bescheid liegt zwar eine Entschlie[ß]ung des Bundespräsidenten zugrunde, den bescheidmä[ß]igen Abschluss des gesamten Postenbesetzungsverfahrens bildet jedoch der beschwerdegegenständliche (Intimations)bescheid der belangten Behörde (VfSlg. 15365). Durch ihn werde ich daher zufolge objektiv als Entscheidungswillkür zu wertender Entscheidungsfindung und Entscheidungsgestaltung im verfassungsgesetzlich geschützten Gleichheitsrecht verletzt."

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Begründend führt sie iW aus, dass nach Aufhebung des die Bewerbung des Beschwerdeführers ablehnenden Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof ein solcher Bescheid neu zu erlassen sei; der Intimationsbescheid sei "im Zusammenhalt mit dem aufgehobenen Ablehnungsbescheid" erlassen worden. Mit diesem Intimationsbescheid sei der zum Zuge gekommenen Bewerberin ihre Ernennung zur Kenntnis gebracht worden, während durch den (mittlerweile) aufgehobenen Ablehnungsbescheid die anderen Mitbewerber abgewiesen worden seien:

Bescheidadressat des Ernennungsdekrets sei somit nicht der Beschwerdeführer, sondern die ernannte Mitbewerberin.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist zulässig.

1.1. Verwaltungsakte des Bundespräsidenten, die auf Vorschlag eines Bundesministers ergehen und von diesem gegenzuzeichnen sind (Art67 Abs1 und 2 B-VG), sind im Verfahren nach Art144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof von diesem Bundesminister zu vertreten. In Fällen dieser Art ist somit die Bekämpfung des (Intimations-)Bescheides der Bundesministerin bzw. des Bundesministers - und nicht etwa (auch) der Entschließung des Bundespräsidenten - zulässig (vgl. VfSlg. 17.184/2004).

Soweit die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Auffassung vertritt, Adressat des hier bekämpften Bescheides sei nur die zur Schulleiterin bestellte Mitbewerberin, nicht aber der Beschwerdeführer, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 17.184/2004 und die dort zitierte Vorjudikatur) ist dann, wenn sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergibt, dass im Falle des Zustandekommens eines entsprechenden Besetzungsvorschlages des zuständigen Organs nur eine Person ernannt werden darf, die in den Besetzungsvorschlag aufgenommen ist - was hier im Hinblick auf Art81b Abs2 zweiter Satz iVm Art81b Abs1 lita B-VG zutrifft -, das Bestehen einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft der in den Vorschlag aufgenommenen Personen und deren Parteistellung anzunehmen; der Umstand, dass über die Besetzung nicht gegenüber allen Parteien des Verwaltungsverfahrens in einem einzigen Bescheid entschieden wurde, ändert daran nichts.

1.2. Auch an der Rechtzeitigkeit der Beschwerde besteht kein Zweifel:

Die Beschwerde wurde am 12. April 2007 zur Post gegeben. Wie aus dem - in dieser Hinsicht seitens der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur unbestrittenen - Beschwerdevorbringen hervorgeht, wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer erst am 8. März 2007 zugestellt. Da die Beschwerdefrist iSd §82 Abs1 VfGG erst mit Zustellung und nicht schon mit der (bloßen) Kenntniserlangung vom Inhalt eines Bescheides in Gang gesetzt wird, wurde die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, ohne dass untersucht zu werden braucht, wann dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid zur Kenntnis gelangt ist (vgl. zB VfSlg. 17.184/2004, 17.246/2004).

2. Der Beschwerdeführer wirft der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vor, ihn durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu haben. Damit ist der Beschwerdeführer - im Ergebnis - im Recht.

In der Entscheidung betreffend die Auswahl eines der in den bindenden Dreiervorschlag des Landesschulrates aufgenommenen Bewerber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zu Stande kommt (vgl. VfSlg. 17.246/2004 mwH).

Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies stellt objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar (s. VfSlg. 17.246/2004). Das in der Gegenschrift der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur enthaltene Vorbringen, dass der angefochtene Bescheid im Zusammenhang mit dem vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen, die Bewerbung des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid ergangen und ein neuer abweisender Bescheid erst zu erlassen sei, ändert daran nichts.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 180,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte