VfGH G122/05 ua

VfGHG122/05 ua28.9.2006

Keine Gleichheitswidrigkeit der Festlegung des Ortes der Betretung als Tatort für Unterlassungshandlungen des Beförderers im Gegensatz zum als Tatort geltenden Unternehmenssitz bei Delikten der Absender oder Verpacker; strafbares Verhalten des Beförderers ein Dauerdelikt; sachliche Rechtfertigung der Verknüpfung des Tatortes mit dem Ort der Betretung bei Gefährdungsdelikten, keine Bedenken gegen die Bestimmung unterschiedlicher Tatorte für unterschiedliche Straftatbestände

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GefahrgutbeförderungsG §13 Abs1a, §27 Abs1, Abs7
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
GefahrgutbeförderungsG §13 Abs1a, §27 Abs1, Abs7

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) hat aus Anlass mehrerer bei ihm anhängiger Verwaltungsstrafverfahren beim Verfassungsgerichtshof die zu G122/05 und G148/05 protokollierten Anträge gestellt, §27 Abs7 des Bundesgesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz - GGBG), BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 86/2002, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.7.2005 (Zl. S 34280/VA/05) wurde dem Beförderer eines gefährlichen Gutes (der Klasse 3 VG III ADR, UN 1202 Heizöl leicht) zur Last gelegt, er habe die Beförderung durchgeführt, ohne sich vergewissert zu haben, dass die nach den näher bezeichneten Bestimmungen des \bereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt werden und keine der nach diesen Bestimmungen vorgeschriebenen, besonderen Ausrüstungsteile fehlen.

Einem weiteren Beförderer gefährlicher Güter (der Klasse 9 III ADR, UN 3082 umweltgefährdender Stoff und der Klasse 3 III ADR, UN 1120 Butanole) wurde mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 20.9.2004 (Zl. S 197961/VA/04) über die bereits genannten strafbaren Handlungen hinaus zur Last gelegt, er habe die Beförderung durchgeführt, ohne sich durch eine Sichtprüfung vergewissert zu haben, dass die Ladung keine offensichtlichen Mängel, Undichtheiten oder Risse aufweise.

Die den weiteren durch die Bundespolizeidirektion Wien geführten Strafverfahren zugrunde liegenden Sachverhalte (Zlen. S 110026/VA/05 vom 1.9.2005 und S 85826/VA/05 vom 22.8.2005) entsprechen im Wesentlichen den bereits dargestellten; den betroffenen Beförderern wurde zudem vorgeworfen, sie hätten gefährliche Güter befördert, ohne sich vergewissert zu haben, dass die Verwendung der Beförderungseinheit zum Transport der gefährlichen Güter zulässig sei.

3. Der UVS hegt folgende verfassungsrechtliche Bedenken gegen §27 Abs7 GGBG:

Bis zum Inkrafttreten des §27 Abs7 GGBG sei der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend für die unter Strafsanktion stehenden Unterlassungshandlungen des Beförderers der Ort, an dem der Täter (Beförderer) hätte handeln sollen, - das ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens - als Tatort herangezogen worden. Diese Rechtsprechung gelte etwa für Absender oder Verlader gefährlicher Güter weiterhin. Für Unterlassungshandlungen des Beförderers gelte hingegen seit dem Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmung als Tatort der Ort der Betretung, dh. jener Ort, an dem der Lenker der Beförderungseinheit von Polizei- oder Kontrollorganen angehalten wird.

§27 Abs7 GGBG sei nicht mit dem dem Gleichheitsgrundsatz immanenten Sachlichkeitsgebot vereinbar und führe zudem zu einer "Zersplitterung des Aktes", da die Verwaltungsstrafverfahren gegen Absender, Verpacker, Befüller, Betreiber oder Verlader gefährlicher Güter weiterhin von der (örtlich) zuständigen Verwaltungsbehörde des Unternehmenssitzes geführt werden, während für Strafverfahren gegen Beförderer - ohne sachliche Begründung - die Behörde am Ort der Betretung zuständig sei.

Es sei keine Begründung ersichtlich, weshalb die "Tatörtlichkeit des Lenkens" mit der "Unterlassungstätigkeit des Beförderers" gleichgesetzt werde, zumal der Beförderer die Unterlassungshandlung nicht am Ort der Betretung gesetzt habe. Der in den Erläuternden Bemerkungen zu §27 Abs7 GGBG enthaltene Verweis auf

§134 Abs3a KFG und §107 Abs1 FrG 1997 sei nicht schlüssig: Anders als

§27 Abs7 GGBG betreffe die Tatortfiktion nach §134 Abs3a KFG und §107

Abs1 FrG 1997 jene Person, gegen die auch die Verfolgungshandlung gesetzt werde. Schließlich verstoße die angefochtene Bestimmung auch gegen das Erfordernis der konkreten Ausgestaltung der Verhaltenspflichten des Lenkers und Beförderers; diese Pflichten würden durch die in §27 Abs7 GGBG festgelegte Tatortfiktion in unzulässiger Weise vermengt.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des UVS entgegentritt und beantragt, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung wird beantragt, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

4.1. Begründend führt die Bundesregierung im Wesentlichen Folgendes aus:

§27 Abs7 GGBG stelle eine Tatortregelung dar, die lediglich verfahrensrechtliche Implikationen habe und keine materiellen Verpflichtungen für Beförderer gefährlicher Güter begründe. Daher gehe auch der Hinweis des UVS auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16.662/2002 ins Leere, in dem die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten aufgezeigt wurden. Die Regelung der Verantwortlichkeit des Beförderers sei jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Norm; §27 Abs7 GGBG stelle keinerlei Verhaltensanforderungen auf und begründe auch keine Verwaltungsstrafsanktionen.

Soweit der UVS auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verweist, wonach bei Unterlassungsdelikten als Tatort der Sitz des Unternehmens anzunehmen ist, sei ihm entgegen zu halten, dass diese Judikatur lediglich eine Zweifelsregelung aufstelle. In seinem Erkenntnis vom 20.9.2000, Zl. 2000/03/0071, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Tatort "dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt seien, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfalle". Diese Rechtsprechung stehe der ausdrücklichen Tatortregelung in §27 Abs7 GGBG nicht entgegen, weil die judizierte Zweifelsregelung nicht bedeute, dass der Gesetzgeber nicht auch eine andere Rechtslage schaffen könne.

Ferner führt die Bundesregierung aus, dass die angefochtene Bestimmung in sachlich begründeter Weise erlassen worden sei, um Zweifel über den Tatort auszuräumen und die Strafbarkeit im Inland auch dann sicherzustellen, wenn der Unternehmenssitz im Ausland liegt. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass der Grund für die Strafbarkeit des Verhaltens des Beförderers nicht das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen an sich, sondern - als eigentlich gefahrengeneigte Tätigkeit - das Befördern in gesetzwidrigem Zustand sei. Die angefochtene Norm beruhe - wie etwa §103 Abs1 KFG - auf dem Verständnis, dass die Tat dort als begangen anzusehen sei, wo der Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen des Beförderers festgestellt wurde; damit werde zugleich der Ort und die Zeit der Tat festgelegt.

4.2. Die Bundesregierung hält weiters Folgendes fest:

"... Darüber hinaus verkennt die antragstellende Behörde die rechtliche Tragweite des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Sachlichkeitsgebotes in Bezug auf eine Tatortregelung. Durch die angefochtene Gesetzesbestimmung sind Rechtsunterworfene in ihrem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG nämlich nicht berührt: Denn die Regelung über den Tatort ändert nichts an der Strafbarkeit des in §27 Abs1 Z1 GGBG normierten Verhaltens: Die jeweils zuständige Behörde hat eine begangene Verwaltungsübertretung ohnehin von Amts wegen im Sinne des Gesetzes zu bestrafen.

...

... Eine Unsachlichkeit der angefochtenen Regelung könnte letztlich nur dann angenommen werden, wenn keinerlei sachliche Gründe für eine Tatortregelung, wie sie angefochten ist, sprechen. Davon kann aber nicht die Rede sein: Die Vorschriften, auf die in §27 Abs1 Z1 verwiesen werden, können regelmäßig nur durch Kontrollen im Straßenverkehr überwacht - und Übertretungen bei solchen Kontrollen angezeigt - werden. Übertretungen dieser Vorschriften dauern regelmäßig auch bis zu jenem Zeitpunkt an. Deshalb ist es, wie auch schon unter Punkt 1.3. dargelegt, sachlich gerechtfertigt, den Ort der Betretung als Tatort heranzuziehen.

Verstöße anderer Beteiligter (wie Absender, Verpacker, Verlader, Befüller) erschöpfen sich demgegenüber regelmäßig in Handlungen, die dem Befördern selbst vorausgehen, sind also, bevor es zur Kontrolle (die einen Tatort im Sinn des §27 Abs7 GGBG konstituiert) kommt, bereits vollendet. Hier war also eine §27 Abs7 GGBG entsprechende Regelung sachlicher Weise nicht gefordert.

..."

II. 1. Die §§1 Abs1, 2 Z1, 7 Abs1 und 2 sowie 13 Abs1a GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 61/2003, lauteten vor Inkrafttreten der GGBG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 118/2005, wie folgt:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz ist anzuwenden auf die Beförderung gefährlicher Güter:

  1. 1. ganz oder teilweise auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§1 Abs1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960), wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet,
  2. 2. auf der Eisenbahn, wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet,
  3. 3. auf Wasserstraßen (§15 des Schiffahrtsgesetzes, BGBl. I Nr. 62/1997),
  4. 4. im Seeverkehr und
  5. 5. im Rahmen der Zivilluftfahrt.

(2) bis (5) ..."

"Anzuwendende Vorschriften

§2. Für die Beförderung gefährlicher Güter gemäß §1 Abs1 gelten folgende Vorschriften:

1. für die Beförderung gemäß §1 Abs1 Z1

a) innerhalb Österreichs sowie mit einem in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums registrierten oder zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug von Österreich in einen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums und von einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Österreich: die Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BGBl. Nr. 522/1973, in der Fassung der Änderung BGBl. III Nr. 265/2002, wobei das Wort 'Vertragspartei' durch das Wort 'Mitgliedstaat' ersetzt wird;

b) in allen übrigen Fällen:

das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BGBl. Nr. 522/1973, in der Fassung der Änderung der Anlagen A und B, BGBl. III Nr. 265/2002;

2. bis 5. ..."

"3. Abschnitt

Beförderung gefährlicher Güter, Pflichten von

Beteiligten, Genehmigung, Ausnahmen, Gefahrgutbeauftragter,

Sofortmaßnahmen

Pflichten von Beteiligten

§7. (1) Die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten haben die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schadensfälle zu verhindern und bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten. Sie haben jedenfalls die für sie jeweils geltenden Bestimmungen der gemäß §2 in Betracht kommenden Vorschriften einzuhalten.

Die Beteiligten haben im Fall einer möglichen unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit unverzüglich die Einsatz- und Sicherheitskräfte zu verständigen und mit den für den Einsatz notwendigen Informationen zu versehen.

(2) Der Beförderer hat im Rahmen des Abs1 insbesondere die im 4., 5. und 6. Abschnitt angeführten Pflichten des Beförderers.

(3) bis (9) ..."

"4. Abschnitt

Besondere Bestimmungen über die Beförderung gefährlicher

Güter auf der Straße

Besondere Pflichten von Beteiligten

§13. (1) ...

(1a) Der Beförderer hat im Rahmen des §7 Abs1

  1. 1. zu prüfen, ob die zu befördernden gefährlichen Güter nach den gemäß §2 Z1 in Betracht kommenden Vorschriften zur Beförderung zugelassen sind;
  2. 2. sich zu vergewissern, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt werden;
  3. 3. sich durch eine Sichtprüfung zu vergewissern, dass die Fahrzeuge und die Ladung keine offensichtlichen Mängel, keine Undichtheiten oder Risse aufweisen, dass keine Ausrüstungsteile fehlen usw.;
  4. 4. sich zu vergewissern, dass bei Tankfahrzeugen, Batterie-Fahrzeugen, festverbundenen Tanks, Aufsetztanks, ortsbeweglichen Tanks, Tankcontainern und Gascontainern mit mehreren Elementen (MEGC) das Datum der nächsten Prüfung nicht überschritten ist;
  5. 5. zu prüfen, dass die Fahrzeuge nicht überladen sind;
  6. 6. sich zu vergewissern, dass die für die Fahrzeuge vorgeschriebenen Großzettel (Placards) und Kennzeichnungen angebracht sind;
  7. 7. sich zu vergewissern, dass die in den schriftlichen Weisungen für den Lenker vorgeschriebene Ausstattung im Fahrzeug mitgeführt wird, und
  8. 8. sich zu vergewissern, dass das zuständige bei der Beförderung tätige Personal entsprechend den gemäß §2 Z1 in Betracht kommenden Vorschriften über seine Pflichten und über die Besonderheiten der Beförderung und über das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen ausreichend in Kenntnis gesetzt und unterwiesen worden ist.

Dies ist gegebenenfalls anhand der Beförderungsdokumente und der Begleitpapiere durch eine Sichtprüfung des Fahrzeugs oder des Containers und gegebenenfalls der Ladung durchzuführen.

Der Beförderer kann jedoch in den Fällen der Z1, 2, 5 und 6 auf die ihm von anderen Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen und Daten vertrauen.

(2) bis (5) ..."

2. §27 Abs1 Z1 und Abs7 GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 86/2002, lauteten vor Inkrafttreten der GGBG-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 118/2005, wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Strafbestimmungen, besondere Vorschriften

für das Strafverfahren

§27. (1) Wer

  1. 1. als Beförderer gefährliche Güter entgegen §13 Abs1a, §23 Abs2 oder §24a Abs1 befördert oder
  2. 2. bis 7. ...

begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 726 Euro bis 43 603 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

(2) bis (6) ...

(7) In den Fällen des Abs1 Z1 gilt als Tatort der Ort der Betretung."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

Den Beschuldigten (alle Beförderer gefährlicher Güter) wird in den beim UVS anhängigen Verwaltungsstrafverfahren insbesondere vorgeworfen, dass sie den gesetzlichen Verpflichtungen gemäß §13 Abs1a GGBG nicht nachgekommen sind. Dies wurde von Organen der Bundespolizeidirektion Wien an verschiedenen Orten innerhalb Wiens aufgrund ihrer eigenen dienstlichen Wahrnehmung festgestellt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der UVS die angefochtene Bestimmung des §27 Abs7 GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998 idF BGBl. I Nr. 86/2002, im Zuge der bei ihm anhängigen Strafverfahren anzuwenden hat, zumal grundsätzlich die zum Zeitpunkt der Tatbegehung geltenden Normen heranzuziehen sind (vgl. etwa VwGH 28.3.2006, Zl. 2002/03/0002).

1.2. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweisen sich die Anträge als zulässig.

2. Die Anträge sind jedoch nicht begründet:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Vorerst übersieht der UVS, dass das GGBG für Absender, Verpacker, Befüller u.a. einerseits sowie für Beförderer andererseits - ihrem Aufgabenbereich entsprechend - jeweils unterschiedliche (besondere) Sorgfaltspflichten vorsieht (zu den jeweiligen Begriffsbestimmungen vgl. §3 GGBG): So darf etwa der Absender gefährliche Güter zur Beförderung auf der Straße nur übergeben, wenn er dem Beförderer die erforderlichen Anweisungen für die vorgeschriebene Kennzeichnung der Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, erteilt hat (vgl. §13 Abs1 Z1 GGBG). Der Lenker einer Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, darf diese wiederum nur in Betrieb nehmen oder lenken, wenn er über seine Pflichten und die Besonderheiten der Beförderung unterwiesen ist (vgl. §13 Abs2 Z1 GGBG).

Gemäß §3 Z7 GGBG ist der Beförderer das Unternehmen, das die Beförderung mit oder ohne Beförderungsvertrag durchführt.

Wie aus der bereits dargestellten Rechtslage hervorgeht, hat der Beförderer im Rahmen des §7 Abs1 GGBG insbesondere die im

4. (Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße), 5. (Beförderung gefährlicher Güter auf der Eisenbahn) und 6. Abschnitt (Beförderung gefährlicher Güter auf Wasserstraßen) angeführten Pflichten zu beachten (s. §7 Abs2 GGBG iVm §§13 Abs1a, 23 Abs2, 24a Abs1 leg.cit.). Gemäß §13 Abs1a GGBG hat der Beförderer etwa zu prüfen, ob die zu befördernden gefährlichen Güter nach den gemäß §2 Z1 in Betracht kommenden Vorschriften zur Beförderung zugelassen sind (Z1); weiters hat er sich zu vergewissern, dass die vorgeschriebenen Unterlagen in der Beförderungseinheit mitgeführt werden (Z2), dass die Fahrzeuge und die Ladung keine offensichtlichen Mängel, keine Undichtheiten oder Risse aufweisen und keine Ausrüstungsteile fehlen (Z3), dass die Fahrzeuge nicht überladen sind (Z5) und dass die für die Fahrzeuge vorgeschriebenen Großzettel (Placards) und Kennzeichnungen angebracht sind (Z6). Der Beförderer hat darüber hinaus dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug nur dann zur Beförderung gefährlicher Güter verwendet wird, wenn die Voraussetzungen gemäß §6 erfüllt sind (Z9); er hat das Lenken einer Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, nur Personen zu überlassen, die iSd §14 besonders ausgebildet sind (Z10).

Wer gemäß §27 Abs1 Z1 GGBG als Beförderer gefährliche Güter entgegen §13 Abs1a, §23 Abs2 oder §24a Abs1 befördert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 726 Euro bis 43.603 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu betrafen.

Den einzelnen Beteiligten werden sohin konkrete Verhaltensanforderungen bzw. Sorgfaltspflichten entsprechend der ihnen zugeordneten Funktion auferlegt.

Mit den unterschiedlichen Verhaltenspflichten der Beteiligten korrespondieren auch die Verwaltungsstraftatbestände des §27 GGBG. Dadurch entspricht der einfache Gesetzgeber dem vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigten Erfordernis der konkreten Ausgestaltung von Verhaltenspflichten (vgl. zu den Grenzen der Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten etwa VfSlg. 16.662/2002). Dass die - nur beispielhaft dargelegten - unterschiedlichen besonderen Sorgfaltspflichten aller an der Beförderung eines gefährlichen Gutes Beteiligten der Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung sowie dem Schutz der Umwelt und damit der Abwendung eines potenziell durch ein Vergehen bewirkbaren Schadens dienen (vgl. VfSlg. 16.633/2002), bedarf ebenso wenig einer weitergehenden Erörterung wie der Umstand, dass die Abwendung dieser spezifischen Gefahren im öffentlichen Interesse liegt.

Vor diesem Hintergrund ist der Regelungsinhalt des §13 Abs1a GGBG in Zusammenhalt mit dem Verwaltungsstraftatbestand des §27 Abs1 Z1 GGBG zu verstehen: Die in §13 Abs1a GGBG umschriebenen Sorgfaltspflichten des Beförderers sollen im Wesentlichen sicherstellen, dass die gefährlichen Güter während des gesamten Beförderungsvorganges keine Gefährdung für Mensch und Umwelt bewirken; damit ist der Beförderer - anders als die sonstigen an der Beförderung Beteiligten - während des gesamten Transports der gefährlichen Güter für die Einhaltung der gemäß §13 Abs1a GGBG vorgeschriebenen Verpflichtungen verantwortlich. Die in §27 Abs1 Z1 GGBG pönalisierte Durchführung der Beförderung gefährlicher Güter entgegen §13 Abs1a GGBG bezieht sich sohin nicht bloß auf die Herbeiführung, sondern auch auf die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. "Es handelt sich somit um ein Dauerdelikt, bei dem das verpönte strafbare Verhalten erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes aufhört" (vgl. VwGH 20.9.2000, Zl. 2000/03/0071).

2.3. Der den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgrundsatz setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann hingegen nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg. 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

Wie der Verfassungsgerichtshof stets betont hat, kann der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 8871/1980, 11.469/1987, 11.615/1988); ein Gesetz ist somit nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede allfällige Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits die Unsachlichkeit einer Regelung bewirken. Dem Gesetzgeber ist es vielmehr gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988). Insbesondere wurde eine Verringerung des Verwaltungsaufwandes als anzuerkennendes Motiv des Gesetzgebers beurteilt (VfSlg. 8827/1980, 8871/1980, 9524/1981, 9624/1983, 10.089/1984, 11.025/1986, 11.775/1988).

2.4. Wenn nun der Gesetzgeber in §27 Abs7 GGBG für den Fall des Unterlassens der gesetzlich geforderten Maßnahmen nach §13 Abs1a GGBG (bzw. §§23 Abs2 und 24a Abs1 GGBG) als Tatort den Ort der Betretung - sohin den Ort, an dem der noch andauernde rechtswidrige Zustand festgestellt wird - festlegt, kann ihm vor dem Hintergrund des zuvor dargestellten Inhalts der Norm aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden:

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass die entgegen §13 Abs1a GGBG durchgeführten Beförderungen gefährlicher Güter regelmäßig nur durch Kontrollen im Straßenverkehr festgestellt werden können; zudem liegen die als Dauerdelikt zu qualifizierenden Verwaltungsübertretungen nach §27 Abs1 Z1 GGBG iVm §13 Abs1a leg.cit. idR auch bis zum Zeitpunkt der Kontrolle vor. Insbesondere bei Gefährdungsdelikten ist sohin die Verknüpfung des Tatorts mit dem Ort der Betretung nicht unsachlich. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass als Tatort für die unter Strafsanktion stehenden Unterlassungshandlungen des Beförderers bis zum Inkrafttreten des §27 Abs7 GGBG - in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung - im Zweifel der Sitz des Unternehmens herangezogen wurde. Dieser Umstand steht einer anders lautenden (ausdrücklichen) Tatortregelung durch den Gesetzgeber nicht entgegen.

Schließlich übersieht der UVS auch, dass es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes keine Bedenken erweckt, wenn der Gesetzgeber für unterschiedliche Straftatbestände unterschiedliche Orte als Tatort bestimmt.

Der Verfassungsgerichtshof vermag daher die Bedenken des antragstellenden UVS ob der Verfassungsmäßigkeit des §27 Abs7 GGBG nicht zu teilen.

3. Die Anträge waren daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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