Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
BundesvergabeG 2002 §175, §177, §191, Anhang X
PauschalgebührenV, BGBl II 324/2002 §1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
BundesvergabeG 2002 §175, §177, §191, Anhang X
PauschalgebührenV, BGBl II 324/2002 §1
Spruch:
I. Die im Verfahren zu G112/06 und V39/06 gestellten Anträge
auf Feststellung, dass die Wortfolge "Liefer- und
Dienstleistungsaufträge............. 1 600 €" in der letzten Zeile
des Anhanges X des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002,
verfassungswidrig sowie die Wortfolge "Liefer- und
Dienstleistungsaufträge............. 1 600 €" in der letzten Zeile
des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002, gesetzwidrig war, werden zurückgewiesen.
II. Die zu G107/06, G196/06 und G198/06 gestellten Anträge festzustellen, dass die Wortfolge "§171 Abs1" in §177 Abs1 des Bundesvergabegesetzes 2002, BGBl. I Nr. 99 /2002, verfassungswidrig war, werden zurückgewiesen.
III. Die Wortfolgen "163 Abs1" und "164 Abs1" in §177 Abs1 des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002, waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
IV. Im Übrigen werden die Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Zl. 2006/04/0012 die Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (im Folgenden: BVA) vom 5. Jänner 2006 anhängig, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §177 Abs5 des Bundesvergabegesetzes 2002, BGBl. I Nr. 99 (im Folgenden: BVergG), verpflichtet wurde, die von der Antragstellerin für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtete Pauschalgebühr in Höhe von € 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Begründend habe das BVA ausgeführt, dass Gegenstand des Vergabekontrollverfahrens ein Bauauftrag im Unterschwellenbereich sei und dem Antrag auf einstweilige Verfügung teilweise stattgegeben worden sei.
Zur Zl. 2006/04/0039 ist beim Verwaltungsgerichtshof ferner die Beschwerde gegen einen Bescheid des BVA vom 11. Februar 2006 anhängig, mit dem der Beschwerdeführer ebenfalls gemäß §177 Abs5 BVergG verpflichtet wurde, die Pauschalgebühren in Höhe von € 10.000,-- und € 5.000,-- für (erfolgreiche) Anträge auf Nachprüfung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die anlässlich der Vergabe eines Bauauftrages im Oberschwellenbereich gestellt wurden, den beiden Antragstellern binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Aus Anlass dieser Beschwerdeverfahren stellte der Verwaltungsgerichtshof (protokolliert unter G107/06, V36/06) gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag
"festzustellen, dass die Wortfolge '163 Abs1' und '171 Abs1'
in §177 Abs1 [...] sowie die Wortfolge 'Bauaufträge .......... 5
000 €' in der zweitletzten Zeile des Anhanges X des BVergG 2002 verfassungswidrig war."
Ferner stellte er gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag
"festzustellen, dass die Wortfolge 'Bauaufträge ..........
5 000 €' in der zweitletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes [...] gesetzwidrig war."
Mit Beschluss vom 15. September 2006, eingelangt beim
Verfassungsgerichtshof am 9. Oktober 2006, zog der
Verwaltungsgerichtshof seinen Antrag festzustellen, dass
"die Wortfolge 'Bauaufträge .......... 5 000 €' in der
zweitletzten Zeile des Anhanges X des BVergG 2002 verfassungswidrig war",
sowie seinen Antrag festzustellen, dass
"die Wortfolge 'Bauaufträge .......... 5 000 €' in der
zweitletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2000 (PauschalgebührenV) gesetzwidrig war",
zurück.
2. Zur Zl. 2005/04/0045 ist beim Verwaltungsgerichtshof ferner die Beschwerde gegen einen Bescheid des BVA vom 25. Jänner 2005 anhängig, mit dem die Beschwerdeführerin für ihren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Ausschreibungswiderrufes hinsichtlich der Vergabe eines Lieferauftrages im Oberschwellenbereich zur Entrichtung einer Pauschalgebühr in Höhe von € 1.600,-- verpflichtet wurde.
Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof (beim Verfassungsgerichtshof protokolliert unter G112/06, V39/06) gemäß Art140 Abs1 B-VG
"den Antrag festzustellen, dass die Wortfolge '164 Abs1' in
§177 Abs1 [...] sowie die Wortfolge 'Liefer- und
Dienstleistungsaufträge .......... 1 600 €' in der letzten Zeile des
Anhanges X des BVergG 2002 verfassungswidrig waren."
Ferner stellte er gemäß Art139 Abs1 B-VG
"den Antrag festzustellen, dass die Wortfolge 'Liefer- und
Dienstleistungsaufträge .......... 1 600 €' in der letzten Zeile des
§1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes [...] gesetzwidrig war."
3. Zur Präjudizialität führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er bei Überprüfung der angefochtenen Bescheide die in den Anträgen näher bezeichneten Wortfolgen anzuwenden hätte. Hinsichtlich der unter zu G107/06, V36/06 protokollierten Anträge begründete er seine Annahme damit, dass der Ersatzanspruch nach §177 Abs5 BVergG nur insoweit (sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach) bestehen könne, als der Beteiligte zur Entrichtung der jeweiligen Pauschalgebühr für die gestellten Anträge verpflichtet war.
4. Zur Geltendmachung seiner Bedenken verweist der
Verwaltungsgerichtshof auf das Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, in dem
der Verfassungsgerichtshof aussprach, dass die Wortfolge "und 175
Abs1" in §177 Abs1 sowie die Wortfolge "Bauaufträge ..........
2.500 €" in der fünftletzten Zeile des Anhanges X des BVergG
verfassungswidrig und die Wortfolge "Bauaufträge .......... 2.500 €"
in der fünftletzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes, BGBl. II Nr. 324/2002 (im Folgenden: PauschalgebührenVO), gesetzwidrig waren. Nach Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass er die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck kommenden Bedenken auch hinsichtlich der von ihm angefochtenen und insofern vergleichbaren Bestimmungen hege.
5. Die Bundesregierung hat von einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.
6. Mit Erk. vom 10. Oktober 2006, G124/06, V44/06, sprach der
Verfassungsgerichtshof aus, dass die Wortfolge ", 171 Abs1" in §177
Abs1 und Wortfolge "Liefer- und Dienstleistungsaufträge......" in der
letzten Zeile des Anhanges X verfassungswidrig und die Wortfolge
"Liefer- und Dienstleistungsaufträge...... 1600 €" in der letzten
Zeile der PauschalgebührenVO gesetzwidrig waren.
7. Ferner langten beim Verfassungsgerichtshof am 2. und 9. Oktober 2006 die (in den beim Verwaltungsgerichtshof zu 2005/04/0255 und 2005/04/0289 anhängigen Verfahren gestellten,) zu G196/06 und G198/06 protokollierten Anträge ein festzustellen, dass die Wortfolge "171 Abs1" in §177 Abs1 BVergG verfassungswidrig war. Eine Einbeziehung in das Verfahren G124/06, V44/06 war nicht mehr möglich.
III. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§177 BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002, lautet samt Überschrift (jene Wortfolgen in §177, die vom Verwaltungsgerichtshof angefochten wurden, sind durch Fettdruck hervorgehoben):
"Gebühren und Gebührenersatz
§177. (1) Für Anträge gemäß den §§163 Abs1, 164 Abs1, 171 Abs1 und 175 Abs1 hat der Antragsteller eine Pauschalgebühr zu entrichten.
(2) Die Höhe der Pauschalgebühr gemäß Abs1 richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren und ist gemäß den in Anhang X ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten.
(3) Für Anträge auf Teilnahme am Nachprüfungs- oder Feststellungsverfahren gemäß §165 Abs2 und 4 ist eine Pauschalgebühr in der Höhe von 50% von den in Anhang X genannten Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Die Höhe der Pauschalgebühr richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren.
(4) Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte zu entrichten. Die über die Barzahlung und Einzahlung mit Erlagschein hinausgehenden zulässigen Entrichtungsarten sind durch das Bundesvergabeamt nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und entsprechend bekannt zu machen.
(5) Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß Abs1 oder 3 entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner."
Weiters lautet der in §177 Abs2 genannte Anhang X des BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002 (bei einigen Positionen enthält der Anhang X keine Gebührensätze):
"Anhang X
Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes
Direktvergaben.......................................... 200 €
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs3
Bauaufträge............................................. 400 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 300 €
Geistig-schöpferische Dienstleistungen.........
Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs1
Bauaufträge............................................. 600 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............
Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich
Bauaufträge.............................................2 500 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............
Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich
Bauaufträge.............................................5 000 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge............ "
§191 Abs4 BVergG ermächtigt die Bundesregierung zur Anpassung der in Anhang X normierten Gebührensätze und lautet in der Stammfassung:
"§191.
...
(4) Die Bundesregierung hat die Gebührensätze in Anhang X durch Verordnung entsprechend anzupassen, falls es der mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes verbundene Personal- und Sachaufwand zur Deckung der Kosten der Rechtschutzeinrichtung erfordert."
Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung in §191 Abs4 BVergG mit der PauschalgebührenVO, BGBl. II Nr. 324/2002, Gebrauch gemacht; diese lautet:
"§1. Die Gebührensätze in Anhang X des Bundesvergabegesetzes 2002 werden wie folgt angepasst:
Direktvergaben.......................................... 200 €
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs3 und 4
Bauaufträge............................................. 400 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 300 €
Geistig-schöpferische Dienstleistungen.................. 350 €
Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
gemäß §26 Abs1
Bauaufträge............................................. 600 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 350 €
Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich
Bauaufträge.............................................2 500 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge..................... 800 €
Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich
Bauaufträge.............................................5 000 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge.....................1 600 €
§2. Diese Verordnung tritt mit 1. September 2002 in Kraft."
Mit BGBl. I Nr. 17/2006 trat das Bundesvergabegesetz 2006 (im Folgenden: BVergG 2006) per 1. Februar 2006 in Kraft (§345 Abs1 Z7 BVergG 2006). Zugleich mit dem Inkrafttreten des BVergG 2006 trat das BVergG 2002 außer Kraft (§345 Abs1 Z3 BVergG 2006). §345 Abs4 ordnet allerdings an, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes beim BVA anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des nach §345 Abs1 Z3 außer Kraft getretenen BVergG 2002 fortzuführen sind. Somit gilt für diese Verfahren auch der Anhang X des BVergG 2002, der Bestandteil des BVergG 2002 ist und die Gebühren regelt, während jedoch mit §345 Abs11 BVergG 2006 die PauschalgebührenVO aufgehoben wurde.
IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Insoweit bereits im genannten Erk. vom 11. Oktober 2006, G124/06, V44/06, die Verfassungswidrigkeit bzw. Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen des BVergG 2002 und der PauschalgebührenVO festgestellt wurde, waren die Anträge des Verwaltungsgerichtshofs zurückzuweisen.
Hingegen sind die Anträge auszusprechen, dass die Wortfolgen "163 Abs1" "164 Abs1" in §177 Abs1 des BVergG 2002 verfassungswidrig waren, - da im Verfahren keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind - zulässig (zur Zulässigkeit und zum zeitlichen Anwendungsbereich der angefochtenen Bestimmungen nach Inkrafttreten des BVergG 2006 vgl. VfGH 4.3.2006, G154/05, V116/05).
Insoweit der Verwaltungsgerichtshof Anträge zurückzog, waren die Verfahren einzustellen.
2. In der Sache:
2.1 Im bereits erwähnten Erkenntnis vom 4. März 2006,
G154/05, V118/05, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass
die Wortfolge "und 175 Abs1" in §177 Abs1 sowie die Wortfolge
"Bauaufträge .......... 2 500 €" in der fünftletzten Zeile des
Anhanges X des BVergG verfassungswidrig und die Wortfolge
"Bauaufträge .......... 2 500 €" in der fünftletzten Zeile des §1 der
PauschalgebührenVO gesetzwidrig waren. Seine Entscheidung begründete er wie folgt:
"2.1 Die Festsetzung einer Pauschalgebühr in gleicher Höhe für jeden der in §177 Abs1 BVergG genannten Anträge ist unsachlich:
[...]
Die Bedenken richteten sich [...] dagegen, dass die (im Anlassverfahren präjudizielle) Pauschalgebühr für Bauaufträge im Unterschwellenbereich vom Antragsteller nicht nur einmal (etwa für einen Nachprüfungsantrag gemäß §163 Abs1 BVergG), sondern in gleicher Höhe auch für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für jeden weiteren Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung (solche werden oft befristet gewährt und können ohne Verlängerung noch vor Entscheidung in der Hauptsache ablaufen) und weiters noch für einen allenfalls nachfolgenden Feststellungsantrag zu entrichten ist. Im Anlassfall etwa hatte der Beschwerdeführer auch den Feststellungsantrag gemäß §175 Abs1 BVergG in gleicher Höhe wie den bereits vergebührten Nachprüfungsantrag, der durch den späteren Widerruf der angefochtenen Ausschreibung durch den Auftraggeber unzulässig wurde, erneut zu vergebühren. Der Gerichtshof nahm in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig an, dass diese mehrfache Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand, der zur Entscheidung über die Anträge erforderlich ist, steht.
Die Vergebührung eines Feststellungsantrages nach §175 Abs1 BVergG kann mit der Vergebührung eines Nachprüfungsantrages und eines Antrages auf Erlassung oder Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kumulieren. Verstärkt kommt es zu einer Kumulierung beim Widerruf der Ausschreibung, der nicht ganz selten bei ein und derselben Auftragsvergabe mehrfach erfolgt, was dann zu mehreren Vergabekontrollverfahren und damit zu einem neuerlichen Anfallen der Pauschalgebühr führt.
Zu einer weiteren Kumulierung führt auch das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen. Der Gerichtshof teilt zwar die Ansicht der Bundesregierung, dass das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen regelmäßig zu einer raschen Abwicklung von Rechtsschutzverfahren im Vergabewesen dient. Er folgt auch dem Argument der Bundesregierung, dass die jeweils angefochtenen Entscheidungen einen eigenen Verfahrensgegenstand betreffen, sodass im Prinzip auch eine Vergebührung jedes der Anträge an sich sachlich ist.
Der Umstand, dass Entscheidungen des Auftraggebers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht bloß gemeinsam mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bekämpft werden können, ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann, was sich etwa zeigt, wenn auf ein Nachprüfungsverfahren ein Feststellungsverfahren folgt. Gerade im Unterschwellenbereich stehen die kumulierten Gebühren häufig in einem groben Missverhältnis zu der erwarteten Gewinnspanne, sodass die Gebühren im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes führen. Auch erhöht sich das Nutzenäquivalent, also das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, nicht mit der Notwendigkeit mehrfacher Antragstellung.
2.2 Die Bundesregierung versucht dieses System damit zu rechtfertigen, dass es der Hintanhaltung völlig aussichtsloser oder mutwilliger Anträge diene.
Nun ist dem Gesetzgeber an sich überlassen, ein Gebührensystem so zu gestalten, dass dem rechtspolitisch legitimen Ziel der Schaffung einer angemessenen Verfahrensbarriere Rechnung getragen wird. Dabei darf aber nicht gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt werden.
Die Bundesregierung versucht das Bedenken ferner zu entkräften, indem sie auf die Möglichkeit eines Gebührenersatzes im Falle des Obsiegens verweist. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt seine bereits in seinem Prüfungsbeschluss vertretene Auffassung, dass ein möglicher Gebührenersatz weder die Unsachlichkeit einer jedenfalls vorläufig zu bestreitenden (und allenfalls auch endgültig zu tragenden) Gebühr zu rechtfertigen vermag, noch die durch eine hohe Verfahrensgebühr beeinträchtigte Effektivität des Rechtsschutzes wiederherstellt. Ein verfassungswidriges Gebührensystem wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass die Gebühr letztlich unter Umständen von einer anderen Partei zu tragen ist.
Im Übrigen tritt der den Rechtsschutz beeinträchtigende Effekt einer Gebühr bereits mit der vorläufigen Entrichtung der hohen Gebühren ein. Jeder Bieter und Rechtsschutzwerber hat - nicht nur bei aussichtslosen oder mutwilligen Prozessführungen - ein Verfahrensrisiko zu kalkulieren. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist fast nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, sodass jeder Rechtsmittelwerber das Risiko der Tragung auch der Gebühr der (allenfalls obsiegenden) Gegenpartei in Betracht zu ziehen hat. Dabei wird er das Gebührenrisiko und den möglichen Nutzen (erzielbare Gewinnspanne) gegeneinander abwägen. Gerade bei Vergaben im Unterschwellenbereich, an denen sich auch kleinere Unternehmen beteiligen, wird diese Abwägung bei sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zum Verzicht auf einen (vielleicht durchaus aussichtsreichen) Rechtsschutz führen.
Der Umstand, dass es Fälle gibt, in denen der Antragsteller die ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt erhält, obwohl er nicht als Unterliegender anzusehen ist, verstärkt nur noch die Wirkung der Gebührenhöhe. Soweit die Bundesregierung meint, dass derartige Konstellationen nicht vorkommen, sei darauf hingewiesen, dass beim Verfassungsgerichtshof derartige Fälle anhängig sind.
Die Möglichkeit des Ersatzes einer vorläufig zu bestreitenden hohen Verfahrensgebühr verhindert also nicht deren Wirkung als Verfahrensbarriere, selbst bei aussichtsreichen Anträgen von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuhalten.
Auch das von der Bundesregierung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2004, 2004/04/0081, vermag ihren Prozessstandpunkt nicht zu stützen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtliche Beurteilung ausdrücklich aus der Sicht des zugrunde liegenden Verfahrens vorgenommen und die Existenz einer Gebührenersatzregelung lediglich als einen (für die Frage der Effizienz des Rechtsschutzes) weiteren hinzutretenden Aspekt gewürdigt, nicht aber als einzig entscheidenden Umstand gewertet.
2.3 Zum Vorbringen der Bundesregierung, dass die Einnahmen aus der Entrichtung von Pauschalgebühren den Aufwand des BVA im Jahr 2005 nur zu einem Drittel gedeckt haben, sei darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach Rechtsschutz nur dann gewährt werden muss, wenn die Parteien dessen Kosten zu tragen gewillt sind. Im Gegenteil: Das gesetzgeberische Anliegen der Deckung des durchschnittlichen Verfahrensaufwandes darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird.
3. Die Bedenken haben sich als gerechtfertigt erwiesen. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren ist unsachlich und behindert die Effizienz des Rechtsschutzes."
2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung des antragstellenden Verwaltungsgerichtshofes, dass die im Erk. vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, dargestellten Erwägungen, die zur Rechtswidrigkeit der in Prüfung genommenen Bestimmungen geführt haben, auch im vorliegenden Fall die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolgen nach sich ziehen.
Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes war daher stattzugeben und auszusprechen, dass die Wortfolgen "163 Abs1", "164 Abs1" in §177 Abs1 BVergG verfassungswidrig waren.
V. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruches erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.
VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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