VfGH B1741/03

VfGHB1741/0330.9.2005

Feststellung einer Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist durch neuerliche Abweisung des Antrags eines Primararztes auf Abgeltung bestimmter Dienste in einem Gemeindespital nach aufhebenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes; Anwendbarkeit des Art6 Abs1 EMRK im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung auch in dienstrechtlichen Angelegenheiten mit Ausnahme bestimmter Bereiche der Hoheitsverwaltung; jedoch Abweisung des Antrags auf Bescheidaufhebung; im Übrigen Ablehnung der Beschwerde

Normen

B-VG Art21 Abs3
B-VG Art144 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EG Art48
Nö GemeindebeamtendienstO 1976
B-VG Art21 Abs3
B-VG Art144 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EG Art48
Nö GemeindebeamtendienstO 1976

 

Spruch:

I. Der Beschwerdeführer ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden.

Insoweit wird jedoch der Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

III. Die Gemeinde Krems ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 834,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Die von der belangten Behörde begehrten Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Krems. Er war als Primararzt am Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus Krems tätig.

Mit Schreiben vom 5. August 1991 beantragte er, über seinen Anspruch auf Abgeltung der von ihm an so genannten freien Tagen geleisteten Dienste nach der für ihn geltenden NÖ Gemeindebeamtendienstordnung bescheidmäßig abzusprechen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems vom 30. September 1991 zurückgewiesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems vom 7. Juli 1993 keine Folge gegeben; weiters wurde der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wird.

Mit Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/12/0312, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen, vom Beschwerdeführer mit Beschwerde gemäß Art131 B-VG angefochtenen Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (teilweise) auf.

2. In der Folge wies der Stadtsenat der Stadt Krems - im zweiten Rechtsgang - mit Bescheid vom 20. Februar 1997 unter Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers erneut ab.

Diesen Bescheid hob der neuerlich angerufene Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/12/0123, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

3. Daraufhin wies der Stadtsenat der Stadt Krems - im nunmehr dritten Rechtsgang - mit Bescheid vom 3. November 2003 den Antrag des Beschwerdeführers erneut ab.

4. Gegen den zuletzt genannten Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides sowie im Falle der Ablehnung oder Abweisung der Beschwerde ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Dazu bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei, dass die Behörde nicht nur die Rechtslage gehäuft verkannt, sondern auch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen habe. Auch sei er in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden. Darüber hinaus behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren iSd. Art6 EMRK; dies mit folgender Begründung:

"Gemäß Artikel 6 MRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird. Es liegt auf der Hand, dass, wenn wie im hier gegenständlichen Fall das Verfahren seit 05.08.1991 anhängig und ein Abschluss auch in nächster Zeit nicht zu erwarten ist, von einer angemessenen Verfahrensdauer nicht mehr gesprochen werden kann. Die Verzögerungen der Behörde sind keinesfalls auf das Verhalten des Beschwerdeführers, aber auch nicht auf eine besondere Komplexität der Angelegenheit zurückzuführen."

5. Der Stadtsenat der Stadt Krems legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er für die Ablehnung der Beschwerdebehandlung eintritt. Im Übrigen beantragt der Stadtsenat den Ersatz des Aufwandes für die Vorlage der Verwaltungsakten und für die Erstattung der Gegenschrift.

Zur behaupteten Verletzung des Art6 EMRK führt der Stadtsenat Folgendes aus:

"Die Länge des Verfahrens kann anhand des Akteninhaltes genau nachvollzogen werden. Daraus kann aber keineswegs ein Verschulden der belangten Behörde abgeleitet werden, da es sehr wohl das Recht der Dienstbehörde (beider Instanzen) sein muss, über eine ihrer Meinung nach gesetzlich nicht gedeckte finanzielle Forderung negativ abzusprechen, wie es auch das Recht des Antragstellers ist, schon zum dritten Male in diesem Verfahren ein außerordentliches Rechtsmittel zu ergreifen.

Da seitens des Beschwerdeführers gegen seinen Dienstgeber mehrere Verfahren zur finanziellen Besserstellung angestrebt wurden, wurden schon vor Jahren mit seinem damaligen Rechtsvertreter Vergleichsgespräche geführt, um sämtliche offene Verfahren abschließen zu können. Leider konnten diese (auch durch einen Wechsel seines Rechtsfreundes) nicht finalisiert werden.

Die belangte Behörde hat auch in der Folge Bereitschaft gezeigt, das noch offene Verfahren auf der Grundlage des VwGH-Erkenntnisses aus dem Jahr 1994 zu beenden. Diese Bereitschaft konnte jedoch nicht aufrecht erhalten werden, da oben zitiertes Erkenntnis (ohne Kenntnisnahme des 23. Runderlasses aus dem Jahre 1978) von der Durchsetzbarkeit seiner Forderung nur für die Zeit des Bestehens der Weisung des Bürgermeisters ausgeht, das ist der Zeitraum zwischen 1.1.1990 und 14.7.1994.

Demgegenüber weitete der Beschwerdeführer seine Forderung nicht nur bis zu seiner Pensionierung aus, sondern verlangt vielmehr auch eine finanzielle Entschädigung für geleistete Nachtdienste ab 1.1.1987!! Nach Ansicht der belangten Behörde scheinen Vergleichsgespräche derzeit nicht sinnvoll und der Verwaltungsgerichtshof wird wohl über die Schlüssigkeit der Rechtsanwendung unter besonderer Beachtung des 23. Runderlasses/1978 entscheiden müssen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Art6 Abs1 EMRK behauptet, weil die angefochtene Entscheidung nicht in angemessener Frist iS dieser Verfassungsnorm ergangen sei, ist er - auf Grund nachstehender Erwägungen - im Recht.

1.1. Zur Anwendung des Art6 Abs1 EMRK auf dienstrechtliche Streitigkeiten.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes handelt es sich bei Ansprüchen und Verpflichtungen aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis nicht um "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" iSd. Art6 Abs1 EMRK (vgl. zB VfSlg. 13.738/1994, 14.854/1997, 15.052/1997, 15.833/2000, 16.274/2001, 16.275/2001, 16.338/2001).

Dem gegenüber vertritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner neueren, im Wesentlichen mit dem Urteil im Fall Pellegrin gegen Frankreich [vom 8.12.1999, ÖJZ 2000/13 (MRK)] beginnenden Rechtsprechung die folgende Auffassung:

Art 6 Abs1 EMRK sei grundsätzlich auch auf "Streitigkeiten [anwendbar, die] von öffentlich Bediensteten (servants of the State), in Bezug auf ihre Arbeitsbedingungen angestrengt werden". Die "einzigen derartigen Streitigkeiten, welche vom Anwendungsbereich des Art6 Abs1 MRK ausgenommen sind, [sind] diejenigen, die von öffentlich Bediensteten betrieben werden, deren Pflichten für die besonderen Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes insoweit typisch sind (whose duties typify activities of the public service) als Letzterer als der Beauftragte öffentlicher Gewalt auftritt und für den Schutz der allgemeinen Interessen des Staates oder anderer staatlicher Behörden verantwortlich ist. Ein offensichtliches Beispiel solcher Tätigkeit bieten die Streitkräfte und die Polizei." In der Praxis sei daher - so der EGMR im genannten Urteil weiter - "in jedem Fall zu prüfen, ob die vom Bf innegehabte Stelle (im Licht der Art der Pflichten und Verantwortlichkeiten, die damit verbunden sind) eine direkte oder indirekte Teilnahme an der Ausübung von Gewalt, die durch öffentliches Recht übertragen wurde und an Pflichten, die bestimmt sind, die allgemeinen Interessen des Staates und anderer staatlicher Behörden zu schützen, mit sich bringt. Dabei wird der GH als Leitlinie Bedacht nehmen auf die Kategorien von Tätigkeiten und Stellen, welche die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung [88/C72/02 , betreffend 'Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Zugang zur Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung der Mitgliedstaaten - Aktion der Kommission auf dem Gebiet der Anwendung von Artikel 48 Absatz 4 EWG-Vertrag'] und der EuGH [Urteil EuGH 2.7.1996, Rs. C-473/93 , Kommission/Luxemburg, Slg 1996, I-3207] aufgezählt haben."

An dieser im Fall Pellegrin entwickelten Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Folge festgehalten [vgl. die bei Chojnacka, Die Anwendbarkeit des Art6 MRK auf dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter, ÖJZ 2002, 201 (206 ff.) wiedergegebene Rechtsprechung, ferner etwa EGMR 14.3.2000, Fall G.K. gg. Österreich, ÖJZ 2000/12 (MRK); 22.11.2001, Fall Volkmer gg. Deutschland, ÖJZ 2003/13 (MRK)].

Im Hinblick darauf sieht sich der Verfassungsgerichtshof nunmehr gehalten, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in dessen Beurteilung des Anwendungsbereiches des Art6 Abs1 EMRK in Bezug auf dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter zu folgen.

Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers als (Primar-)Arzt am Allgemeinen Krankenhaus Krems nicht zu jenen zählt, die - im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des EGMR - für den öffentlichen Dienst insoweit typisch sind, als dieser als Beauftragter öffentlicher Gewalt auftritt und für den Schutz der allgemeinen Interessen des Staates verantwortlich ist. Dabei ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass die Kommission in der oben erwähnten Mitteilung - die nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des EGMR als Leitlinie für die Beurteilung dient - als einen der Bereiche des öffentlichen Dienstes, die "im allgemeinen von den spezifischen Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung so weit ... entfernt [sind], daß sie nur in außergewöhnlichen Fällen unter die Ausnahme nach Artikel 48 Absatz 4 EWG-Vertrag fallen", die "Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens" nennt.

Art 6 Abs1 EMRK ist daher im vorliegenden Fall anzuwenden.

1.2. Zum Umfang der Gewährleistungen des Art6 Abs1 EMRK in Bezug auf dienstrechtliche Streitigkeiten.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt - beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg. 11.500/1987 - in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass (nur) über jene Ansprüche und Verpflichtungen, die zum "Kernbereich" der "civil rights" zu zählen sind, ein den Anforderungen des Art6 EMRK entsprechendes Tribunal in der Sache selbst zu entscheiden habe, und dass in solchen traditionell der Ziviljustiz zuzählenden Angelegenheiten die (bloß) nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes nicht hinreiche. Dies gelte für Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen selbst, wie etwa die Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden (vgl. dazu zB VfSlg. 11.591/1987), die Schlichtung von Streitigkeiten über eine Vertragsauslegung durch eine Schiedskommission nach dem ASVG (vgl. zB VfSlg. 11.729/1988, 16.704/2002 mwN) bzw. dem Krankenanstaltenrecht (vgl. dazu VfSlg. 13.001/1992), die Entscheidung über den Ersatz von Pflege- und Sondergebühren (vgl. VfSlg. 12.470/1990), die Entscheidung von Streitigkeiten über die Angemessenheit des Pachtzinses (VfSlg. 12.003/1989 zum Kleingartengesetz), den Zuspruch einer (Enteignungs-)Entschädigung (vgl. VfSlg. 11.760/1988, 11.762/1988; ähnlich VfGH 23.6.2004 G228/03) oder die Zustimmung zur Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers durch den Behindertenausschuss (VfSlg. 12.933/1991). Handle es sich dem gegenüber um Streitigkeiten, die nicht über "civil rights" selbst entstanden sind, sondern solche nur in ihren Auswirkungen berühren, so reiche es aus dem Blickwinkel des Art6 Abs1 EMRK aus, wenn eine Verwaltungsbehörde unter der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache tätig wird. Dies gelte zB für die Erteilung bzw. Versagung einer Bewilligung zum Bau eines Hauses (vgl. zB VfSlg. 11.500/1987) oder einer Straße (VfSlg. 11.645/1988), eine Bewilligung nach §13 des Viehwirtschaftsgesetzes (VfSlg. 12.082/1989), den Entzug einer Apothekenkonzession (VfSlg. 11.937/1988, ähnlich VfSlg. 15.868/2000), die Festsetzung eines Entgeltes für einen nach §80 Abs8 BDG 1979 zugewiesenen Parkplatz (VfSlg. 12.929/1991), die Untersagung der Bewilligung der Beschäftigung von Ausländern (VfSlg. 13.505/1993), die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension an einen Rechtsanwalt (VfSlg. 14.210/1995), die Bestellung bzw. die Enthebung eines mittlerweiligen Stellvertreters eines Rechtsanwaltes (VfSlg. 15.149/1998), einstweilige Maßnahmen, die die Berufsausübung eines Rechtsanwaltes beschränken (VfSlg. 15.842/2000) oder die Zurücknahme einer krankenanstaltenrechtlichen Errichtungsbewilligung (VfSlg. 17.232/2004).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sind Entscheidungen über dienstrechtliche Streitigkeiten von Beamten nicht als zum "Kernbereich" des Zivilrechts gehörend zu qualifizieren.

Das ergibt sich schon aus dem Wesen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses: Es ist evident, dass es bei einem solchen - durch bescheidmäßige Ernennung auf eine Planstelle begründeten - Dienstverhältnis nicht um Rechte und Pflichten der Bürger unter sich (§1 ABGB) geht, sondern vielmehr um die Stellung (dh. die Rechte und Pflichten) des Einzelnen (hier: des Beamten) gegenüber dem (hoheitlich handelnden) Staat (vgl. dazu grundlegend VfSlg. 11.500/1987, va. S 355 f.; in eben diesem Sinne etwa auch VwGH 24.5.2000, 2000/12/0074:

"Der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen

Dienstverhältnisses ist mithin darin gelegen, dass Personen in einem

Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und

bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen

Vorschriften (Gesetze bzw. Verordnungen) geltend gemacht werden

können ... [D]ie aus einem solchen Dienstverhältnis abgeleiteten

Rechte und Pflichten sind im Gegensatz zu privatrechtlichen

Dienstverhältnissen ... weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer

gestaltbar, sondern haben sich aus dem Gesetz zu ergeben.")

In staatsorganisatorischer Hinsicht (vgl. dazu wiederum grundlegend VfSlg. 11.500/1987, va. S 261 ff.) ist weiters zu berücksichtigen, dass Art21 Abs3 B-VG die Letztverantwortlichkeit der obersten (Verwaltungs-)Organe (des Bundes und der Länder) für die Ausübung der Diensthoheit normiert; deren Anrufung im Instanzenzug darf daher von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen werden (vgl. 14.896/1997, 15.946/2000, VfGH 24.6.2005 G2/05 ua.).

Für die Entscheidung über die hier in Rede stehenden dienstrechtlichen Streitigkeiten ist daher (neben der Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen) die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen der (Dienst-)Behörden durch den Verwaltungsgerichtshof ausreichend.

Ungeachtet dessen ist Art6 Abs1 EMRK bei Entscheidungen über dienstrechtliche Streitigkeiten aber jedenfalls insoweit zu beachten, als er eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist garantiert.

1.3. Zur behaupteten Verletzung des durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist.

Art 6 Abs1 EMRK bestimmt, dass jedermann "Anspruch darauf

[hat], daß seine Sache ... innerhalb angemessener Frist gehört wird,

und zwar von einem ... Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche

und Verpflichtungen ... zu entscheiden hat".

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant(vgl. VfGH 30.9.2004 B239/03 sowie 16.6.2005 B1219/04).

Nicht die Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

Der - dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende - Antrag des Beschwerdeführers langte beim Magistrat der Stadt Krems am 16. August 1991 ein. Als Anfangszeitpunkt des Verfahrens ist daher dieser Tag anzunehmen. Den Endzeitpunkt des Verfahrens bildet der Tag der Zustellung des im dritten Rechtsgang erlassenen Bescheides der belangten Behörde vom 3. November 2003, das ist der 6. November 2003. Die zu beurteilende Verfahrensdauer beträgt sohin rd. 12 Jahre.

Die ungewöhnliche Länge des Verfahrens ist allein dem Verhalten staatlicher Organe zuzuschreiben; insbesondere kann dem Beschwerdeführer kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er zur Durchsetzung seiner Rechte zwei Mal - mit Erfolg - den Verwaltungsgerichtshof angerufen hat.

Da nach der Aktenlage weder Art und Umfang der Sachverhalte noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung dieser Rechtssache als ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen lassen, im vorliegenden Beschwerdeverfahren aber auch keine weiteren besonderen Umstände hervorgekommen sind, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten, ist dessen Dauer nicht mehr angemessen iSd. Art6 Abs1 EMRK. Das macht nicht zuletzt der folgende Umstand deutlich: Nachdem das Verfahren bis zur (zweiten) Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Jahr 1999 bereits rund acht Jahre gedauert hatte, vergingen alleine bis zur - nunmehr - angefochtenen Entscheidung des Stadtsenates im dritten Rechtsgang wiederum rund vier Jahre.

Der Beschwerdeführer ist daher in seinem durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.

Durch die (begehrte) Aufhebung des das (bisherige) überlange Verfahren (vorläufig) abschließenden angefochtenen Bescheides würde diese Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern im Gegenteil sogar insoweit verschärft werden, als das Ende des Verfahrens noch weiter verzögert werden würde. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich deshalb auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist nach Art6 Abs1 EMRK stattgefunden hat; insoweit ist folglich der Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abzuweisen (vgl. VfGH 30.9.2004 B239/03).

2. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Ein solcher Fall liegt hier vor:

Die sonst behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wären im vorliegenden Fall nämlich nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Der "23. Runderlass des Magistrates der Stadt Krems" vom 16.11.1978 - gegen den keine inhaltlichen Bedenken bestehen - ist eine bloße Verwaltungsverordnung (generelle Weisung) und keine "außen"-wirksame Rechtsverordnung.

Da die Sache auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, behandelt der Verfassungsgerichtshof sie insoweit nicht und tritt sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer nur zum Teil durchgedrungen ist (vgl. VfGH 30.9.2004 B239/03). Im zugesprochenen Betrag sind € 108,-- an USt. und eine Eingabegebühr von € 180,-- enthalten.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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