VfGH B766/03 ua

VfGHB766/03 ua29.11.2003

Keine Gleichheitsbedenken gegen die durch das Budgetbegleitgesetz 2001 getroffene Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung versicherungstechnischer Rückstellungen bei der Körperschaftsteuer unter Verweis auf die versicherungsrechtlichen Grundlagen der Bildung von Rückstellungen; zulässige Durchschnittsbetrachtung, leicht handhabbare pauschalierende Regelungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum; keine Bedenken gegen die Übergangsbestimmung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §9 Abs5
KStG 1988 §15 idF BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000
KStG 1988 §26a idF BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000
VersicherungsaufsichtsG §81i - §81m
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §9 Abs5
KStG 1988 §15 idF BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000
KStG 1988 §26a idF BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000
VersicherungsaufsichtsG §81i - §81m

 

Spruch:

Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Den beschwerdeführenden Versicherungsgesellschaften wurde mit Bescheiden des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS), Außenstellen Feldkirch, Linz bzw. Wien, Körperschaftsteuer für das Jahr 2001 in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Dabei wurden Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle sowie die sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen und die Schwankungsrückstellungen nur eingeschränkt steuerlich anerkannt.

2. Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, gleichlautenden Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide beantragt wird.

3. Zur Rechtslage:

3.1. §15 Abs1 Körperschaftsteuergesetz 1988 (in der Folge: KStG 1988) sieht grundsätzlich vor, daß Zuführungen zu versicherungstechnischen Rückstellungen insoweit abzugsfähig sind, als deren Bildung im Versicherungsaufsichtsgesetz (in der Folge: VAG) oder in den dazu ergangenen Verordnungen vorgeschrieben ist.

§15 Abs2 KStG 1988 idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, bestimmte, daß Zuführungen zu Rückstellungen zum Ausgleich des schwankenden Jahresbedarfes insbesondere dann abzugsfähig sind, wenn nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig mit erheblichen Schwankungen des Jahresbedarfes zu rechnen ist, die Schwankungen des Jahresbedarfes nicht durch die Prämien ausgeglichen werden und die Schwankungen aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen herrühren und nicht durch Rückversicherungen gedeckt sind.

3.2. Durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, wurden §15 Abs2 und 3 KStG 1988 neu gefaßt (bzw. hinzugefügt) und lauten nunmehr folgendermaßen:

"(2) Rückstellungen zum Ausgleich des schwankenden Jahresbedarfes sind insbesondere unter folgenden Voraussetzungen steuerlich zu berücksichtigen:

1. Es muss nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig mit erheblichen Schwankungen des Jahresbedarfes zu rechnen sein.

2. Die Schwankungen des Jahresbedarfes dürfen nicht durch die Prämien ausgeglichen werden. Sie müssen aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen herrühren und dürfen nicht durch Rückversicherungen gedeckt sein.

3. Die Änderung der Rückstellung ist zur Hälfte steuerwirksam.

(3) Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und sonstige Rückstellungen (§81c Abs3 D VII des Versicherungsaufsichtsgesetzes) sind mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, sind ohne Kürzung des maßgeblichen Teilwertes anzusetzen. Bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle ist davon auszugehen, dass bei 30% der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt."

§26a leg.cit. enthält folgende Übergangsbestimmungen:

"(10) §7 Abs2, §13 Abs2 bis 4, §15 Abs2 und 3, §22 Abs2 und 3 und §24 Abs5, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000, sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2001 anzuwenden.

(11) Rückstellungen zum Ausgleich des schwankenden Jahresbedarfes, die bereits zum Ende des letzten vor dem 1. Jänner 2001 endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind, sind mit der Hälfte jenes Betrages gewinnerhöhend aufzulösen, mit dem die Rückstellungen im Jahresabschluss für das letzte vor dem 1. Jänner 2001 endende Wirtschaftsjahr angesetzt wurden. Die gewinnerhöhende Auflösung ist im Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2000 endet, und in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren (Auflösungszeitraum) mit jährlich mindestens einem Drittel vorzunehmen.

(12) §15 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 ist auch auf Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und auf sonstige Rückstellungen (§81c Abs3 Pos. D VII des Versicherungsaufsichtsgesetzes) anzuwenden, die bereits zum Ende des letzten vor dem 1. Jänner 2001 endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind. Auflösungsgewinne, die sich aus der erstmaligen Anwendung des §15 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 bei den zuvor genannten Rückstellungen ergeben, können auf das Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2000 endet, und auf die folgenden vier Wirtschaftsjahre (Auflösungszeitraum) verteilt werden, wobei jährlich mindestens ein Fünftel anzusetzen ist. Scheidet eine Rückstellung während des Auflösungszeitraumes aus dem Betriebsvermögen aus, ist der darauf entfallende Auflösungsgewinn im Wirtschaftsjahr des Ausscheidens jedenfalls anzusetzen."

In den Erläuterungen (311 BlgNR, 21. GP, 176) werden diese Änderungen des KStG 1988 folgendermaßen begründet:

"Rückstellungen zum Ausgleich des schwankenden Jahresbedarfes sollen in Hinkunft nur mehr zur Hälfte gebildet werden können, da es sich bei diesen Beträgen wirtschaftlich betrachtet um Vorsorgen für Unternehmerrisiken handelt, denen teilweise Eigenkapitalcharakter zukommt.

In Anlehnung an die Neuregelung des §9 Abs5 EStG 1988 sollen bestimmte versicherungstechnische Rückstellungen dem eingeschränkten Ansatz von 80% unterliegen. Ausgenommen davon sind unter anderem die Deckungsrückstellungen sowie die Rückstellung für Prämienrückerstattungen."

3.3. §9 EStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Rückstellungen können nur gebildet werden für

...

3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten,

4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

...

(5) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 sind mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Der maßgebliche Teilwert ist ohne Vornahme von Abzinsungen zu ermitteln. Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, sind ohne Kürzung des maßgeblichen Teilwertes anzusetzen."

4.1.1. Die beschwerdeführenden Gesellschaften machen zunächst die Verfassungswidrigkeit des §15 Abs3 KStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, geltend, da der Gesetzgeber mit der Übernahme der 80 %-Regel des §9 Abs5 EStG 1988 in §15 Abs3 KStG 1988 vergleichbare Sachverhalte ungleich behandle, ohne daß es dafür eine sachliche Rechtfertigung gebe. Während sich der Gesetzgeber im Bereich des allgemeinen Ertragsteuerrechts dafür entschieden habe, auf der Passivseite der Bilanz nur bei Rückstellungen eine Art Abzinsung vorzusehen und etwa bei Verbindlichkeiten ausdrücklich davon abgesehen habe, solle dies bei Versicherungen im Ergebnis nicht gelten, da dabei nicht die besondere Qualität der versicherungstechnischen Rückstellungen, die teilweise auch Verbindlichkeitscharakter hätten, berücksichtigt werde und den Besonderheiten des Versicherungsgeschäftes und dessen bilanzmäßiger Abbildung - wobei insbesondere der Passivseite der Bilanz eine besondere Rolle zukäme - insgesamt nicht Rechnung getragen werde.

Aus dem Kollektivgedanken in der Versicherungswirtschaft heraus seien zum Schutz der Gesamtheit der Versicherungsnehmer in §81i Abs1 VAG besondere Anforderungen an die vorsichtige Bilanzierung versicherungstechnischer Rückstellungen niedergelegt. Die Forderung nach dauernder Erfüllbarkeit zukünftiger Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen gebiete ein höheres Maß an Vorsicht als in anderen Wirtschaftszweigen.

Unter dem Begriff "versicherungstechnische Rückstellungen" sei die Summe aller Schuldposten zu verstehen, die sich aus den Versicherungsverträgen ergeben würden und nach den formalen Vorschriften des VAG über die Bilanzierung als versicherungstechnische Rückstellungen zu erfassen seien. Dieser Begriff umfasse im wesentlichen Verbindlichkeiten, passive Rechnungsabgrenzungsposten und solche Tatbestände, die unter Berücksichtigung der Eigenart des Versicherungsgeschäftes wie Schulden oder Rechnungsabgrenzungsposten wirkten, sowie im geringeren Ausmaß auch Rückstellungen im allgemeinen Sinn. Der nach dem Handelsrecht definierte Rückstellungsbegriff könne somit nicht auf versicherungstechnische Rückstellungen übertragen werden, da darin alle Verpflichtungen aus den bestehenden Versicherungsverträgen unabhängig von den für andere Wirtschaftszweige geltenden Bilanzierungsregeln abgebildet würden.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften weisen darauf hin, daß versicherungstechnische Rückstellungen für die Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit zukünftiger Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen wesentliche Bedeutung hätten, wobei eine exakte Bestimmung des Rückstellungsbedarfes in aller Regel nicht möglich sei und ihre vernünftige kaufmännische Beurteilung nur ein Schätzmaßstab sein könne.

4.1.2. Sodann legen die beschwerdeführenden Gesellschaften mit ausführlicher Begründung dar, daß versicherungstechnische Rückstellungen gerade in den Bereichen der Lebens- und Krankenversicherung überwiegend Verbindlichkeitscharakter hätten bzw. zum überwiegenden Teil innerhalb eines Jahres abgewickelt würden. Der Gesetzgeber wende jedoch die in §15 Abs3 KStG 1988 normierte Durchschnittsbetrachtung auf alle Versicherungsunternehmen an, unabhängig davon, welche Versicherungszweige das einzelne Unternehmen betreibe. Überdies führe diese steuerlich beschränkte Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten zu einer ungleichen Behandlung im Vergleich zu Unternehmen außerhalb des Versicherungsbereiches, bei denen Verbindlichkeiten ungekürzt angesetzt werden könnten.

In den Beschwerden wird weiter wörtlich folgendes vorgebracht:

"Innerhalb der sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen werden im Wesentlichen die Stornorückstellung, die Rückstellung für drohende Verluste aus dem Versicherungsbestand und die Rückstellung für Verluste aus den zeitversetzt gebuchten Rückversicherungsübernahmen ausgewiesen. Die Stornorückstellung stellt zum überwiegenden Teil eine Wertberichtigung zu den Prämienaußenständen dar, die aufgrund der besonderen Rechnungslegungsvorschriften des VAG nicht aktivseitig abgesetzt werden darf. Die Rückstellung für drohende Verluste aus dem Versicherungsbestand wird auf Basis einer Barwertermittlung bestimmt, sodass sich dafür die Frage einer Abzinsung von vornherein nicht mehr stellt. Die Rückstellung für Verluste aus den zeitversetzt gebuchten Rückversicherungsübernahmen ersetzt eine Verbindlichkeit, die in den Jahresabschluss - auch ohne diese Sonderregelung - als solche aufzunehmen wäre. Zudem wird diese Rückstellung im Folgejahr verbraucht.

Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass der Gesetzgeber von seinem selbst geschaffenen System - auf eine Abzinsung von Verbindlichkeiten generell zu verzichten und nur bei Rückstellungen eine pauschale Abzinsung vorzusehen - abweicht, indem er nur bei Versicherungen neben den klassischen Rückstellungen im Ergebnis zum Teil auch bei Verbindlichkeiten sowie Wertberichtigungen von Forderungen einen eingeschränkten Ansatz vorsieht, ist nicht ersichtlich, weswegen §15 Abs3 KStG als verfassungswidrig zu beurteilen ist.

Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass außerhalb der versicherungstechnischen Rückstellungen auch Versicherungsunternehmen - wie jedes andere Unternehmen - nicht unmittelbar aus dem Versicherungsgeschäft resultierende Rückstellungen in ihrer Bilanz ausweisen, die ohnedies den einschränkenden Bestimmungen des §9 Abs5 EStG unterliegen."

4.1.3. In der Folge bringen die beschwerdeführenden Gesellschaften vor, daß eine Versicherungsbilanz mit Bilanzen anderer Branchen nicht vergleichbar sei. Insbesondere sei es nur eine Frage des Bilanzausweises, ob eine Verlustantizipation aktivseitig in Form von Wertberichtigungen oder passivseitig in Form von Rückstellungen vorgenommen werde. Der einseitige Eingriff des Gesetzgebers auf der Passivseite führe damit zu unsachlichen Differenzierungen. Die Unsachlichkeit der Beschränkung des §15 Abs3 KStG 1988 werde noch dadurch verstärkt, daß es sich bei den versicherungstechnischen Rückstellungen nicht um Verlustvorsorgen aus dem Grundgeschäft, sondern um Vorsorgen für Verpflichtungen aus dem Grundgeschäft selbst handle. Eine sachliche Begründung, weshalb in anderen Branchen aktivseitig dargestellte Verlustvorsorgen uneingeschränkt berücksichtigt werden dürften, bei Versicherungsunternehmen jedoch nicht einmal die Verpflichtung aus dem Grundgeschäft zur Gänze angesetzt werden dürfe, sei nicht ersichtlich.

Überdies seien nach dem VAG die versicherungstechnischen Rückstellungen mit entsprechenden Kapitalanlagen auf der Aktivseite zu bedecken, um die jederzeitige Erfüllung der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen. Die versicherungstechnischen Rückstellungen führten daher zwangsweise zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen. Auf Grund dieser engen, versicherungsaufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Verbundenheit der Aktiv- und Passivseite führten die vom Gesetzgeber vorgenommenen einseitigen Eingriffe auf der Passivseite im Bereich der versicherungstechnischen Rückstellungen zu unsachlichen Differenzierungen.

4.2. Die beschwerdeführenden Gesellschaften halten §15 Abs3 KStG 1988 auch wegen der pauschalen gesetzlichen Normierung der Fristigkeit der versicherungstechnischen Rückstellungen für verfassungswidrig. Während der Gesetzgeber bei allen anderen Rückstellungsarten, die der 80 %-Regel unterlägen, eine Einzelbetrachtung bei der Bestimmung der Laufzeit am Bilanzstichtag vorsehe, solle bei Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle eine pauschale und unwiderlegbare Vermutung Platz greifen, wonach 30 vH der Rückstellungen ungekürzt und 70 vH der Rückstellungen nur mit 80 vH des Teilwertes zum Ansatz kämen. Unerheblich sei hingegen die tatsächliche Laufzeit der Rückstellungen am Bilanzstichtag. Der Gesetzgeber behandle somit vergleichbare Sachverhalte ungleich, ohne dafür im Gesetz selbst oder in den Erläuterungen auch nur irgendeine sachliche Rechtfertigung anzuführen.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften argumentieren, daß es auf Grund der - in den Beschwerden näher beschriebenen - Komplexität der in der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle enthaltenen Rückstellungsteile nicht vorstellbar sei, daß der durch §15 Abs3 KStG 1988 normierte pauschale Ansatz für die Bestimmung der Fristigkeit sachgerecht sein könne. Eine Durchschnittsbetrachtung würde voraussetzen, daß die Struktur des Versicherungsgeschäftes, insbesondere der Betrieb in den Versicherungssparten, der österreichischen Versicherungsunternehmen und auch deren Rückversicherungspolitik zumindest annähernd vergleichbar wären, wovon allerdings nicht ausgegangen werden könne. Die Beschwerden meinen daher, daß die vom Gesetzgeber vorgenommene pauschale, auf die gesamte Bilanzposition bezogene und unwiderlegbare Annahme der Laufzeit der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle nicht aus Gründen der Verwaltungsökonomie, sondern auf Grund der Unmöglichkeit einer Zuordnung auf die einzelnen Verträge erfolgt sei. Durch die vom Gesetzgeber getroffene Regelung würden Unterschiede im Abzinsungssatz und in der Laufzeit der Rückstellungen nicht beachtet. Daraus resultierten derart massive Rechtsfolgen - nämlich Steuerbelastungen -, die mit der vom Gesetzgeber allenfalls beabsichtigten Vereinfachung nicht mehr gerechtfertigt werden könnten, weshalb diese undifferenzierte Gleichbehandlung von langfristigen Rückstellungen gleichheitswidrig sei.

4.3. Die Beschwerden machen auch die Verfassungswidrigkeit des §15 Abs2 Z3 KStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, geltend. Sie treten dabei der in den Erläuterungen (311 BlgNR, 21. GP, 176) vorgebrachten Auffassung entgegen, daß Schwankungsrückstellungen teilweise Eigenkapitalcharakter zukomme, und machen geltend, daß Schwankungsrückstellungen keineswegs systemfremd seien, sondern dazu beitragen würden, einen Ausgleich für sonst bestehende systemfremde Bilanzierungsgrundsätze zu schaffen. Eine systematische Notwendigkeit, gerade Schwankungsrückstellungen nur teilweise zum steuerlichen Abzug zuzulassen, bestehe nicht. Bei einer Schwankungsrückstellung handle es sich vielmehr um eine "echte Rückstellung", die ihrem Charakter nach zu den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gehöre.

Wörtlich wird in den Beschwerden folgendes vorgebracht:

"Ausgehend vom stochastischen Prozess der Schadenrealisation eines Versicherungskollektivs über einen längeren Zeitraum wurde aus dem Realisationsprinzip als Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung eine Schwankungsrückstellung abgeleitet, um daraus nach einer festzusetzenden Wahrscheinlichkeit für die künftige Deckung von Überschäden im Risikoprozess vorzusorgen. Die Schwankungsrückstellung ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung daher eindeutig Fremdkapital bzw. dient einer periodengerechten Zuordnung der Erträge.

Der Gesetzgeber nimmt somit innerhalb der Rückstellungen Differenzierungen hinsichtlich der steuerlichen Wirksamkeit vor, ohne dafür eine sachliche Rechtfertigung zu haben. Das einzig angeführte Argument, wonach den Schwankungsrückstellungen teilweise Eigenkapitalcharakter zukomme, widerspricht jedenfalls den Tatsachen. In dieser Ungleichbehandlung der Schwankungsrückstellungen gegenüber den übrigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten liegt die Verfassungswidrigkeit des §15 Abs2 Z3 KStG."

4.4. Schließlich wird in den Beschwerden auch gerügt, daß die belangten Behörden dem §26a Abs12 KStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätten.

Wörtlich wird dazu folgendes ausgeführt:

"Die Auflösungsgewinne sind nach Meinung der Finanzverwaltung als Unterschied der ungekürzten Rückstellungen zum 31. Dezember 2000 und der nach der neuen Gesetzeslage ermittelten Rückstellungen zum 31. Dezember 2001 zu ermitteln, wobei im Bereich der Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle nur der langfristige Teil von 70 % zu betrachten ist. Ein sich daraus ergebender Auflösungsgewinn ist sodann der Fünfjahresverteilung zugänglich. Diese Auffassung führt dazu, dass bei stark steigenden Rückstellungswerten, was gerade bei jüngeren Versicherungsunternehmen mit entsprechendem Wachstum zutrifft, bereits im Jahr 2001 die Altrückstellungen zur Gänze nachzuversteuern sind. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung der Versicherungsunternehmen untereinander, die sachlich nicht begründet ist und somit auch aus dieser Sicht verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Um derartige exzessive Besteuerungsfolgen zu vermeiden, hätte die belangte Behörde die Bestimmung des §26a Abs12 KStG dahingehend auslegen müssen, dass jedenfalls der Verteilungszeitraum von 5 Jahren erhalten bleibt."

Sollte jedoch §26a Abs12 KStG 1988 der von den belangten Behörden unterstellte Inhalt tatsächlich zukommen, sei diese Bestimmung verfassungswidrig, da sie eine exzessive Besteuerung zur Folge hätte, was sachlich nicht gerechtfertigt werden könnte.

5.1. Der UFS, Außenstelle Linz (belangte Behörde im hg. protokollierten Verfahren B971/03), legte innerhalb der gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der zu B971/03 protokollierten Beschwerde beantragt.

5.1.1. Der UFS, Außenstelle Linz, tritt zunächst dem Argument der beschwerdeführenden Gesellschaft entgegen, wonach die Nichtbeachtung der Besonderheiten des Versicherungsgeschäftes hinsichtlich der Rückstellungen mit Verbindlichkeitscharakter zur Verfassungswidrigkeit des §15 Abs3 KStG 1988 führe. Nach Auffassung der belangten Behörde gebe es klare Abgrenzungskriterien zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen; sei eine Verbindlichkeit in jeder Hinsicht konkretisiert, so sei eine (nicht abzinsbare) Verbindlichkeit zu bilden, andernfalls eine nach den gesetzlichen Vorschriften abzuzinsende Rückstellung. Auch Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und Drohverlustrückstellungen seien "verbindlichkeitsnahe", dennoch sei im Hinblick auf diese Rückstellungen die Anwendbarkeit von §9 Abs5 EStG 1988 nicht zu bezweifeln. §15 Abs3 KStG 1988 verhindere eine Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften und Einzelunternehmern andererseits.

Die belangte Behörde vermöge auch nicht der Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft zu folgen, daß im Bereich des VAG vom handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip abweichende, schärfere Regelungen statuiert würden. Grundsatz des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips sei die Ausweisung der am Abschlußstichtag verwirklichten Gewinne (Realisationsprinzip), die Berücksichtigung erkennbarer Risiken und drohender Verluste (Imparitätsprinzip) und die Berücksichtigung von Wertminderungen unabhängig von Gewinn und Verlust. Dem VAG sei nicht zu entnehmen, daß für Versicherungsunternehmen das Vorsichtsprinzip in höherem Ausmaß als bei den übrigen Steuerpflichtigen gelte, auch könne eine derartige Auslegung nicht dem Gleichheitssatz entsprechen. Handelsrechtliche Regelungen müßten bei allen bilanzierenden Unternehmen in gleicher Weise gelten.

Auch befinde sich die Zweckmäßigkeit des Maßgeblichkeits- und Vorsichtsprinzips gerade im Umbruch, da das Handelsrecht derzeit Internationalisierungstendenzen unterworfen sei.

Die belangte Behörde führt dazu wörtlich folgendes aus:

"Die EG-Kommission hat außerdem am 13. Juni 2000 an den Rat und das Europäische Parlament eine Mitteilung zur 'Rechnungslegungsstrategie der EU' gerichtet, in der sie sich für die Übernahme der International Accounting Standards (IAS) ausgesprochen hat, nach welchen ebenfalls Rückstellungen (nach einem modifizierten Vorsichtsprinzip) abzuzinsen sind (...), sofern der Zinseffekt als wesentlich eingestuft werden kann. Aus IAS 37.46 kann geschlossen werden, dass der Zinseffekt bei allen langfristigen Rückstellungen als wesentlich einzustufen ist (...). Bereits 2001 stellten 40 % der börsennotierten Unternehmen ihren Jahresabschluss nach den Vorschriften des IAS auf (...). Ab 1.1.2005 haben alle börsennotierten Unternehmen Konzernabschlüsse nach IAS aufzustellen

(...)."

Der UFS, Außenstelle Linz, kommt daher zum Schluß, daß die das Vorsichtsprinzip in geringem Maße einengende Regelung des §15 Abs3 KStG 1988 nicht verfassungsrechtlich bedenklich, sondern vielmehr als zukunftsweisende Normierung anzusehen sei, die auf jene "Prinzipien des internationalen Bilanzsteuerrechtes" [gemeint wohl:

Bilanzrechtes] Rücksicht nehme (bzw. diese vorwegnehme), welche sich in den EU-Ländern bereits ankündigen und teilweise schon gelten würden.

5.1.2. Auch die Annahme des Gesetzgebers, daß 70 vH der Rückstellungen eine längerfristige Laufzeit haben, hält die belangte Behörde nicht für gleichheitswidrig. Der Gesetzgeber habe gerade auf Grund der - auch von der beschwerdeführenden Gesellschaft eingestandenen - Schwierigkeit der Ermittlungen eine pauschale Durchschnittsbetrachtung gewählt und sei davon ausgegangen, daß der überwiegende Teil der Rückstellungen als langfristig zu betrachten sei, wobei er diesen Teil mit 70 vH bemessen habe.

Wörtlich führt der UFS, Außenstelle Linz, hiezu folgendes aus:

"Soweit im Portefeuille auch nichtabzinsbare Verbindlichkeiten enthalten sind, werden diese von dem von der Kürzung ausgenommenen Prozentsatz (von 30 %) abgedeckt.

Die Beschwerdeführerin hat auch nicht darlegen können, warum eine allfällige Benachteiligung unverhältnismäßig sein sollte, ging es dem Gesetzgeber doch darum, die Rückstellungen in der Versicherungswirtschaft der bereits bestehenden EStG-Regelung anzupassen und die Berechnung möglichst wirtschaftlich zu gestalten. Diese Prämissen sind erfüllt, zumal das Gesamtziel der Gleichstellung mit anderen Unternehmensformen höher zu bewerten ist, als geringfügige Rückstellungskürzungen und daraus folgende Mehrbelastungen.

Daran ändern auch die weiteren Ausführungen nichts. Die Art des Geschäftszweiges steht jedem Unternehmer frei, sodass sich die Versicherungsunternehmen auf die Regelung des §15 Abs3 einstellen und ihr 'Portefeuille' entsprechend wählen können. Versicherungen teilen zudem ihre Risiken grundsätzlich auf mehrere Versicherungssparten auf, sodass die Vorstellung einer nur eine einzige Geschäftssparte betreibenden Versicherung reine Fiktion ist. Rückstellungen mit Verbindlichkeitscharakter werden auch bei Unternehmen außerhalb des Versicherungsbereiches gekürzt. Die Erträge aus dem Deckungsstock werden bei Anpassung der Rückstellungen in der Folge automatisch weniger, weil den gesunkenen Rückstellungswerten in der Folge auch sinkende Deckungsstöcke gegenüberstehen."

5.1.3. Zusammengefaßt ist die belangte Behörde der Meinung, daß die Regelung des §15 Abs3 KStG 1988 gewisse eingeschränkte Mehrbelastungen mit sich bringe, die aber im Rahmen des Zumutbaren lägen und schon von der Höhe der Kürzung her keinen Regelungsexzeß darstellten. Die zum Teil nur zeitlich vorgezogenen Belastungen seien nur hinsichtlich der Zinskomponente steuerlich relevant, weil auf Grund des nicht progressiven Körperschaftsteuersatzes der Zeitpunkt der Besteuerung von Erträgen darüber hinaus keine Rolle spiele.

5.1.4. Die belangte Behörde ist der Auffassung, daß es sich bei Schwankungsrückstellungen um Eigenkapital handle. Die Schwankungsrückstellung solle die zufallsbedingte Entstehung von Über- oder Unterschäden korrigieren. Die Rückstellung diene daher vor allem der Liquidität des Unternehmens und stelle weniger ein bilanzrechtliches Erfordernis als vielmehr ein Zugeständnis an gesellschaftsrechtliche Gegebenheiten dar. Die Schwankungsrückstellung passe nicht in das System der steuerlichen Rückstellungsbildung, auch wenn deren Ausweis in §81m VAG bei erheblichem Schwanken der Schadensätze empfohlen werde. Dazu komme, daß nach den Bewertungsregeln des International Accounting Standards Board und dem diesen Regeln zugrundeliegenden "true and fair view"-Prinzip der Ansatz von Katastrophenvorsorgen und Schwankungsrückstellungen hinkünftig nicht mehr zulässig sein solle. Auch die VAG-Novelle 2002 habe nunmehr selbst die Möglichkeit einer bereinigten Eigenmittelausstattung geschaffen. Bei der Schwankungsrückstellung tendiere die internationale Entwicklung eindeutig zur Nichtanerkennung dieser Rückstellungsposition.

Demzufolge sei auch eine Kürzung dieser Rückstellung um 50 vH gerechtfertigt, da sie bisher die auch in anderen Branchen üblichen Teilrealisationen von Gewinnen zugunsten von Finanzierungsargumenten des Unternehmens verhindert habe. Die bisherige unsystematische Vermeidung des Gewinnausweises werde nun teilweise rückgängig gemacht.

5.1.5. Hinsichtlich der in der Beschwerde geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des §26a Abs12 KStG 1988 führt die belangte Behörde wörtlich folgendes aus:

"Zur Verfassungswidrigkeit des §26a Abs12 KStG ist auszuführen, dass das gegenständliche Versicherungsunternehmen als alteingesessenes Unternehmen selbst nicht zu den aufgezählten 'jüngeren Versicherungsunternehmen' zählt und der fiktiv angenommene Sachverhalt auf die Beschwerdeführerin gar nicht zutreffen kann. Der Unabhängige Finanzsenat hatte nicht fiktive, sondern nur realisierte Sachverhalte zu beurteilen. Des weiteren steht es dem Gesetzgeber frei, für den ohnehin nur äußerst selten auftretenden Fall der Gründung eines neuen Versicherungsunternehmens (alle bekannten derartigen Unternehmungen sind schon lange am Markt) eine geringfügige Mehrbelastung miteinzukalkulieren (der Gesetzgeber kann versicherungs- und steuerwirtschaftliche Gesichtspunkte gegeneinander abwägen - siehe dazu auch B787/99 vom 11.1. [richtig: 10.] 2000 zur Mindestbesteuerung von Versicherungen nach §17 Abs3 KStG)."

Der UFS, Außenstelle Linz, kommt daher zum Schluß, daß §26a KStG 1988 nicht verfassungswidrig sei.

5.2. Der UFS, Außenstelle Wien (belangte Behörde in dem zu B1141/03 protokollierten Verfahren), legte innerhalb der ihm gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er - mit im wesentlichen gleichartigen Argumenten wie der UFS, Außenstelle Linz - die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5.3. Der UFS, Außenstelle Feldkirch (belangte Behörde im hg. protokollierten Verfahren B766/03), legte innerhalb der gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und nahm förmlich von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen und unter sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:

1. Der 6. Abschnitt des KStG 1988 (§§15 bis 17) steht unter der Überschrift "Sondervorschriften für Versicherungsunternehmen".

§15 leg.cit. behandelt seiner Überschrift zufolge "Versicherungstechnische Rückstellungen". Nach §15 Abs1 KStG 1988 sind Zuführungen zu versicherungstechnischen Rückstellungen insoweit abzugsfähig (mindern somit den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn), als deren Bildung im VAG oder in den dazu ergangenen Verordnungen vorgeschrieben ist. Dabei dürfen die versicherungstechnischen Rückstellungen jenen Betrag nicht übersteigen, der zur Sicherstellung der Verpflichtungen aus den am Bilanzstichtag bestehenden Versicherungsverträgen erforderlich ist. Für bestimmte Versicherungszweige, nämlich die Lebensversicherung, die Krankenversicherung und die nach Art der Lebensversicherung betriebene Unfallversicherung sind die versicherungstechnischen Rückstellungen unter Verwendung der versicherungsmathematischen Grundlagen zu berechnen, die der Versicherungsaufsichtsbehörde gemäß §18 Abs1 und 2 bzw. §18d Abs1 und 2 VAG vorgelegt oder mitgeteilt worden sind.

2. Das VAG enthält in §81i "Allgemeine Vorschriften über die versicherungstechnischen Rückstellungen". Nach Abs1 dieser Bestimmung sind versicherungstechnische Rückstellungen insoweit zu bilden, als dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen zu gewährleisten. Nach Abs2 sind versicherungstechnische Rückstellungen "insbesondere" die Prämienüberträge, die Deckungsrückstellung, die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle, die Rückstellungen für Prämienrückerstattung, die Schwankungsrückstellung und die ihr ähnlichen Rückstellungen, die Stornorückstellung, die Rückstellung für drohende Verluste aus dem Versicherungsbestand und die Rückstellung für Verluste aus den zeitversetzt gebuchten Rückversicherungsübernahmen. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß ungeachtet der demonstrativen Aufzählung damit im wesentlichen alle in der Praxis in Betracht kommenden Rückstellungen erfaßt sind (Baran, Das Versicherungsaufsichtsgesetz³, Wien 2000, 267). Die Prämienüberträge, die Deckungsrückstellung, die Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und die Schwankungsrückstellung sind in den §§81j bis 81m VAG im einzelnen geregelt. Auf Verordnungsstufe werden Regelungen über die versicherungstechnischen Rückstellungen einerseits in der VO des BM für Finanzen vom 4. Dezember 1992 über die Rechnungslegung von Unternehmen der Vertragsversicherung, BGBl. 757/1992, zuletzt geändert durch BGBl. II 91/2002, andererseits in der VO des BM für Finanzen vom 22. Oktober 1991 über die Bildung einer Schwankungsrückstellung in der Schaden- und Unfallversicherung, BGBl. 545/1991, idF BGBl. II 66/1997, getroffen.

3.1. Wenn §15 Abs1 KStG 1988 auf die versicherungsrechtlichen Grundlagen der Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen verweist, so wird damit die Maßgeblichkeit dieser Normen auch für das Steuerrecht verankert: Die Dotierung derartiger Rückstellungen richtet sich nach den versicherungsrechtlichen Grundsätzen und Regeln; eine gesonderte Überprüfung, ob es sich bei den maßgebenden Bilanzpositionen dem Grunde nach tatsächlich um die Dotierung von Fremdkapitalpositionen, von Rechnungsabgrenzungen oder aber um die Bildung von Rücklagen oder Reserven handelt, hat für steuerliche Zwecke nicht stattzufinden. Wohl aber ist die Abgabenbehörde berechtigt (und verpflichtet) zu prüfen, ob die dotierten Rückstellungen der Höhe nach zur Sicherstellung der am Bilanzstichtag aus den Versicherungsverträgen bestehenden Verpflichtungen erforderlich sind.

Von diesem Grundkonzept, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit die Beschwerden nichts vorbringen und gegen das auch der Gerichtshof keine Bedenken hegt, macht der Abs2 des §15 KStG 1988 insofern eine Ausnahme, als er gesonderte Anforderungen an die steuerliche Anerkennung der Schwankungsrückstellung normiert und insbesondere vorsieht, daß Änderungen dieser Rückstellung nur zur Hälfte steuerwirksam werden. Damit ist vor allem der Effekt verbunden, daß Zuführungen zu dieser Rückstellung nur zur Hälfte abzugsfähig sind.

3.2. Die Schwankungsrückstellung dient nach §81m VAG dem Ausgleich der Schwankungen des jährlichen Schadenbedarfs im Eigenbehalt. Sie ist nach dieser Vorschrift in den Versicherungszweigen der Schaden- und Unfallversicherung (die im einzelnen in §1 Abs1 der erwähnten VO des BM für Finanzen vom 22. Oktober 1991, BGBl. 545/1991, idF BGBl. II 66/1997, aufgezählt sind) dann zu bilden, wenn in einem längerfristigen Beobachtungszeitraum erhebliche Schwankungen der Schadensätze im Eigenbehalt zu beobachten waren und die Summe aus Schadenaufwand im Eigenbehalt und Betriebsaufwendungen mindestens einmal im Beobachtungszeitraum die abgegrenzten Eigenbehaltsprämien überstiegen hat. Die Einzelheiten regelt die erwähnte VO BGBl. 545/1991, idF BGBl. II 66/1997. Wirtschaftlich betrachtet dient diese Rückstellung dem Ausgleich von Schwankungen des Schadenverlaufes (sog. Über- oder Unterschäden), die über das Kalenderjahr hinausgehen. Ihr werden in Geschäftsjahren mit unterdurchschnittlicher Schadenbelastung Beträge zugeführt und nach Geschäftsjahren mit überdurchschnittlicher Belastung Beträge entnommen. Dadurch soll einer Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherungsunternehmen infolge eines schwankenden Schadenverlaufes vorgebeugt werden (Baran, a.a.O., 271; vgl. auch L. Mayer, Körperschaftsteuerliche Sondervorschriften für Versicherungsunternehmen, in W. Doralt u.a. (Hrsg.), Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, FS Bauer, Wien 1986, 182 f.). Die Schwankungsrückstellung stellt daher eine Art Prämienübertrag für jenen Teil der Prämie dar, der zur Deckung von nicht regelmäßig anfallenden Großschäden vorgesehen ist (Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG 1988, Wien 1996, 241 f.).

Der Gerichtshof bezweifelt nicht, daß die Dotierung einer Schwankungsrückstellung ein geeignetes bilanzpolitisches Instrument ist, um die mögliche (Vor)Belastung der Prämieneinnahmen mit wahrscheinlichen, aber noch nicht abschätzbaren künftigen Schäden zu berücksichtigen und auf diese Weise einer verfrühten Gewinnrealisierung und damit einer Gefährdung des Versicherungsunternehmens vorzubeugen. Es ist daher dem Gesetzgeber gewiß unbenommen, die Bildung derartiger Schwankungsrückstellungen im Bilanzrecht der Versicherungsunternehmen verpflichtend vorzuschreiben. Es kann aber andererseits nicht übersehen werden, daß es sich dabei um die Berücksichtigung von Risiken handelt, die sich - wenn überhaupt - erst in künftigen Perioden konkretisieren bzw. die generell mit der unternehmerischen Tätigkeit verbunden sind (allgemeines Unternehmensrisiko). Es kann auch nicht davon gesprochen werden, daß die Prämieneinnahmen der Versicherungsunternehmen bereits im Jahr ihrer Vereinnahmung zwangsläufig mit bestimmten künftigen Ausgaben für derartige Schäden vorbelastet wären (was nach allgemeinen Bilanzierungsregeln allenfalls die Bildung einer Passivpost für vorbelastete Einnahmen rechtfertigen oder gebieten könnte; vgl. Doralt, EStG, Kommentar, §9 Tz 26 mwN). Die Schwankungsrückstellung berücksichtigt somit Risiken, für die nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen die Bildung einer Rückstellung (in diesem Umfang) nicht in Betracht kommt (vgl. zum Verbot einer Bildung von Rückstellungen für das allgemeine Unternehmensrisiko z.B. VwSlg. 6410/F; Doralt, a.a.O., §9 Tz 16; konkret zur Schwankungsrückstellung vgl. Göth, Bilanzrecht der Kreditinstitute I, Wien 1995, 406 f., der die Schwankungsrückstellung der Versicherungsunternehmen als Passivpost zur Abdeckung des Konjunkturrisikos bezeichnet, sowie Pernsteiner, Das Eigenkapital der Unternehmen, Wien 1989, 112 f., der die Schwankungsrückstellung dem Eigenkapital zuordnet). Die Gegenschrift des UFS, Außenstelle Linz, weist in diesem Zusammenhang - unwidersprochen - darauf hin, daß nach den international im Vordringen begriffenen "modernen" Konzepten der Rechnungslegung nach IAS oder US-GAAP die Bildung der Schwankungsrückstellung nicht mehr zulässig ist. In der Tat heißt es bei Hirner/Krischanitz/Rauter (Internationalisierung der Rechnungslegung - Neueste Entwicklung und Umsetzungspraxis für die Versicherungswirtschaft, VR 2002, 14 ff., II. F) wörtlich: "Generell ist nach den Regeln von IAS und US-GAAP keine Schwankungsrückstellung zulässig, da damit keine unmittelbare Verpflichtung verknüpft ist."

Bei dieser Sachlage liegt es aber im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers (dem es von Verfassungs wegen nicht verwehrt ist, für die Steuerbilanz von der Handelsbilanz abweichende Regelungen zu treffen: vgl. etwa VfSlg. 15.040/1997 mwN), Schwankungsrückstellungen zum Teil als Eigenkapitalpositionen anzusehen und Zuweisungen zu ihnen nur in einem bestimmten Ausmaß (nämlich zur Hälfte) als steuerlich wirksam anzuerkennen.

4.1. Nach §15 Abs3 KStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, sind bestimmte Rückstellungen, nämlich solche für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle und sonstige Rückstellungen (im Sinn des §81c Abs3 D VII VAG) grundsätzlich mit 80 vH ihres Teilwertes anzusetzen. Die Dotierung einer solchen Rückstellung wirkt sich somit im Ergebnis nur zu 80 vH gewinnmindernd aus. Eine solche Kürzung ist nicht vorzunehmen, wenn es sich um Rückstellungen mit einer Laufzeit am Bilanzstichtag von weniger als zwölf Monaten handelt. Bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle ist davon auszugehen (d.h. es wird vom Gesetz unwiderleglich vermutet), daß bei 30 vH der Summe dieser Rückstellungen die Laufzeit weniger als zwölf Monate beträgt, so daß die Abwertung auf 80 vH des Teilwertes nur für 70 vH des betreffenden Rückstellungsbestandes vorzunehmen ist.

4.2. Zu den "sonstigen Rückstellungen" ("sonstige versicherungstechnische Rückstellungen" in der Terminologie des §81c Abs3 D VII VAG) zählen nach dem VAG (§81i Abs2) insbesondere die Stornorückstellung, die Rückstellung für drohende Verluste aus dem Versicherungsbestand und die Rückstellung für Verluste aus den zeitversetzt gebuchten Rückversicherungsübernahmen. Die KSt-Richtlinien 2001 (Rz 1286) rechnen zu den sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen insbesondere die Stornorückstellung, die Rückstellung für Großschäden, die Rückstellung für Verluste aus dem indirekten Geschäft und die Rückstellung für drohende Verluste. Die Stornorückstellung wird im Schrifttum als Pauschalwertberichtigung zu Prämienaußenständen bezeichnet (Mayer, FS Bauer, a.a.O., 187; Kirchmayr, Pauschalwertberichtigung und pauschale Einzelwertberichtigung, ÖStZ 1994, 97 ff., 100). Mit der Rückstellung für Großschäden werden Großrisiken berücksichtigt, für die keine Erfahrungswerte für den Schadenverlauf vorliegen und die daher nicht im Wege der Schwankungsrückstellung berücksichtigt werden können (Mayer, FS Bauer, a.a.O., 188 f.). Die Rückstellungen für Verluste aus dem indirekten Geschäft werden gebildet, wenn Erträge und Aufwendungen aus dem indirekten Geschäft ein Jahr zeitversetzt in die Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden und damit zu rechnen ist, daß aus den Abrechnungen ein Verlust resultieren wird (vgl. Rz 1302 KSt-Richtlinien 2001). Die Rückstellungen für drohende Verluste werden nach den KSt-Richtlinien 2001 (Rz 1303) in den Fällen dotiert, in denen anzunehmen ist, daß die Prämien in den kommenden Jahren zur Deckung der Schäden und laufenden Kosten nicht ausreichen.

4.3. Die Regelung des §15 Abs3 KStG 1988 ist - den Materialien zufolge - dem §9 Abs5 EStG 1988 nachgebildet, wonach Rückstellungen für (sonstige) ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften mit 80 vH des Teilwertes anzusetzen sind. Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, sind auch nach dieser Vorschrift ohne Kürzung des maßgeblichen Teilwertes anzusetzen. Die Materialien (311 BlgNR, 21. GP, 166) begründen diese Kürzung folgendermaßen:

"Rückstellungen werden derzeit im Allgemeinen (...) in voller Höhe steuerwirksam abgesetzt, obwohl die echten Verpflichtungen daraus erst in späteren Jahren entstehen. Der Ausweis der Rückstellungen zum voraussichtlichen Erfüllungsbetrag führt zu beträchtlichen steuerlichen Entlastungen, ohne dass dem eine entsprechende, die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen herabsetzende Belastung gegenübersteht. Die je nach Laufzeit unterschiedlich hohen Steuervorteile können wiederum zu entsprechenden Zinsvorteilen führen. Die Neuregelung sieht vor, den Vorteil aus der verzinslichen Anlage der Steuerersparnis abzuschöpfen. Aus Vereinfachungsgründen soll an Stelle einer Abzinsung mit einem bestimmten Rechnungszinsfuß ein pauschaler Rückstellungsansatz in Höhe von 80% vorgesehen werden."

Der Gerichtshof kann in einer solchen Regelung keine Unsachlichkeit und auch sonst keine Verfassungswidrigkeit erkennen. Es steht dem Steuergesetzgeber - auch bei prinzipieller Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die Handelsbilanz - frei, für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung in pauschaler Weise einen Zinsvorteil aus der zeitlich vorgezogenen steuerlichen Berücksichtigung künftiger Aufwendungen in Anschlag zu bringen, indem er die Dotierung einer Rückstellung pauschal nur im Ausmaß von 80 vH als gewinnwirksam anerkennt, zumal damit die Berücksichtigung der verbleibenden 20 vH nicht endgültig verhindert, sondern lediglich - sofern die späteren tatsächlichen Ausgaben mit dem geschätzten Rückstellungsbetrag übereinstimmen - in das Jahr der Ausgabe verschoben wird. Dazu kommt, daß nach allgemeinem Steuerbilanzrecht pauschale Wertberichtigungen bei Forderungen überhaupt unzulässig sind (§6 Z2 lita EStG 1988) und daß für künftige Belastungen durch nicht konkretisierte Großschäden nach allgemeinem Bilanzsteuerrecht überhaupt keine Rückstellung gebildet werden könnte.

4.4. Soweit die Beschwerden eine Verfassungswidrigkeit darin erblicken, daß der Gesetzgeber durch die undifferenzierte Anwendung der Kürzungsbestimmung bei Versicherungsunternehmen auch eine Kürzung ("Abzinsung") von Verbindlichkeiten anordne (da die versicherungstechnischen Rückstellungen teilweise auch Verbindlichkeitscharakter hätten), während Verbindlichkeiten nach den allgemeinen bilanzsteuerlichen Regeln nicht abgezinst würden, sind sie auf die Widersprüchlichkeit ihrer Argumentation zu verweisen:

Wenn es richtig ist, daß - wie die Beschwerden vorbringen und auch dem Gerichtshof einsichtig ist - das Versicherungsgeschäft spezifische Eigenheiten aufweist und auf Grund dessen Versicherungsbilanzen nicht (ohne weiteres) mit den Bilanzen anderer Unternehmen vergleichbar sind, dann ist der Steuergesetzgeber aus der Sicht des Gleichheitssatzes nicht gehalten, ja möglicherweise gar nicht berechtigt, bei der steuerlichen Beurteilung der Passivposten von Versicherungsunternehmen die für andere Unternehmen geltenden Regelungen in jedem Punkt unverändert zu übernehmen. Er ist lediglich verhalten, eine in sich sachliche Regelung zu treffen.

Es begegnet aber nun keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber bei den Rückstellungen für nicht abgewickelte Versicherungsfälle und bei den sonstigen versicherungstechnischen Rückstellungen einen Ansatz bloß mit 80 vH zuläßt. Selbst wenn diese Rückstellungen nämlich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise teilweise Verbindlichkeitscharakter aufwiesen, dürfte der Gesetzgeber auf der anderen Seite berücksichtigen, daß diese Rückstellungen auch Aufwandspositionen umfassen, die nach allgemeinen Bilanzierungsregeln schwerlich im Wege von Rückstellungen berücksichtigt werden könnten (so etwa die Schadensregulierungskosten; vgl. Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, a.a.O., 240 f.). Wenn daher für einen spezifisch versicherungstechnischen Bilanzposten der Passivseite, der einen derart gemischten Charakter aufweist, ein Ansatz mit 80 vH angeordnet wird, liegt dies noch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

4.5. Daß der Gesetzgeber Rückstellungen mit kurzer Laufzeit (zwölf Monate) von der Kürzung ausnimmt, trägt offensichtlich dem Umstand Rechnung, daß bei "kurzfristigen" Rückstellungen der in den Materialien erwähnte Steuer- und Zinseffekt keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Es erweckt aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber nun bei den Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle den Anteil dieser "kurzfristigen" Rückstellungen mit 30 vH des Gesamtbestandes schätzt. Der Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß es dem Gesetzgeber freisteht, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen (z.B. VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988, 15.674/1999 mwN). Er darf daher - zur Vermeidung aufwendiger Erhebungsmaßnahmen bei schwierig zu ermittelnden Sachverhalten - auch pauschalierende Regelungen treffen (VfSlg. 9624/1983). Die Beschwerden räumen selbst ein, daß es praktisch kaum möglich ist, eine Einzelbewertung durchzuführen und den Anteil der Rückstellungen mit kurzer Laufzeit verläßlich zu bestimmen. Dazu kommt, daß eine Fehleinschätzung in diesem Bereich keine gravierenden Steuerfolgen auslöst, sondern lediglich zur Verschiebung von Aufwandspositionen in die nächste(n) Periode(n) führt.

4.6. Der Gesetzgeber ist aber angesichts seiner Berechtigung, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen, auch nicht verpflichtet, bei der Schätzung des kurzfristigen Teiles der Rückstellung nach Versicherungszweigen zu differenzieren. Da Unternehmungen, die nur eine Versicherungssparte betreiben oder sich auf eine solche gänzlich konzentrieren, praktisch auszuschließen sind oder jedenfalls seltene Ausnahmefälle darstellen, darf der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung - d.h. einer Mischung verschiedener Versicherungssparten - ausgehen, zumal sich - wie erwähnt - die steuerlichen Konsequenzen einer Fehleinschätzung in der Regel darin erschöpfen, daß sich die Berücksichtigung eines Aufwandes um ein Jahr verschiebt.

5. Soweit sich die Beschwerden gegen die (Interpretation der) Übergangsvorschrift des §26a Abs12 KStG 1988 wenden, versteht der Gerichtshof die Bedenken so, daß die Beschwerden eine Auslegung fordern (bzw. für verfassungsrechtlich geboten halten), wonach der (auf 5 Jahre verteilbare) Auflösungsgewinn stets als Differenz zwischen dem Altbestand an Rückstellungen und der Kürzung eben dieses Rückstellungsbestandes nach der neuen Rechtslage zu ermitteln ist. Demgegenüber wird die Vorschrift von den Finanzbehörden anscheinend so verstanden, daß die Differenz zwischen dem Altbestand und dem Bestand in der Folgebilanz herangezogen wird, wobei Erhöhungen des Rückstellungsausmaßes, wie sie sich als Folge einer Geschäftsausweitung ergeben, mitberücksichtigt werden und somit zur Kürzung des verteilungsfähigen Auflösungsgewinnes führen oder einen solchen im Extremfall gar nicht entstehen lassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, welche dieser Interpretationen (die beide im Gesetzeswortlaut Deckung finden) zutrifft, sondern lediglich zu prüfen, ob die von den Finanzbehörden vertretene Auffassung, die zu einer Saldierung von

Rückstellungskürzungen (= Gewinnauflösungen) und zusätzlichen

Rückstellungsdotierungen (= Aufwand) führt, unsachlich und

gleichheitswidrig wäre. Dies ist im Ergebnis jedoch zu verneinen:

§26a KStG 1988 will offenbar vermeiden, daß Auflösungsgewinne, die sich aus der Anwendung der neuen Regelungen ergeben, zusammengeballt im ersten Jahr nach der Umstellung nachzuversteuern sind, und läßt daher eine Verteilung dieser Gewinne auf 5 Jahre zu. Dieser Auflösungsgewinn wird bei Geschäftsausweitung und damit einhergehender Ausweitung des Rückstellungsbestandes notwendigerweise geringer bzw. wird möglicherweise bei stark steigendem Rückstellungsbedarf kompensiert. Dem Gesetzgeber könnte aber von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er in einer solchen Situation eine Verteilungsnotwendigkeit nur für den saldiert verbleibenden Auflösungsgewinn sieht.

6. Die beschwerdeführenden Gesellschaften wurden sohin weder in den von ihnen geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß dies aus anderen, in den Beschwerden nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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