VfGH G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85

VfGHG138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/85G138/84,G147/84,G15/85,G20/85,G21/85,G30/8513.3.1985

UStG 1972; §6 Z9 lita gleichheitswidrig; mögliche wettbewerbsverzerrende Wirkung des Verlustes des Vorsteuerabzuges bei Grundstücksumsätzen; Möglichkeiten der Vermeidung einer doppelten Besteuerung, ohne die Nachteile eines ausnahmslosen Verlustes des Vorsteuerabzuges auszulösen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
UStG 1972 §6 Z9 lita
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
UStG 1972 §6 Z9 lita

 

Spruch:

§6 Z9 lita des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. 223, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1986 in Kraft.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. §6 Z9 UStG 1972 erklärte für umsatzsteuerfrei ua.

"a) die Umsätze von Grundstücken im Sinne des §2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955; die Steuerfreiheit gilt nicht für den Eigenverbrauch, insoweit für die Grundstücke ein Vorsteuerabzug nach §12 Abs1 vorgenommen worden ist,

b) die Umsätze, die unter das Kapitalverkehrsteuergesetz, Teil I (Gesellschaftsteuer), fallen, und die Vergütungen im Sinne des §16 Z3 des Körperschaftsteuergesetzes 1966, BGBl. Nr. 156, ...".

Nach den EB zur RV (145 BlgNR XIII. GP 30) befreit Z9 Umsätze, die anderen Verkehrssteuern unterliegen, von der Umsatzsteuer, um eine doppelte Besteuerung dieser Umsätze zu vermeiden. Gemäß §12 Abs3 UStG ist die Steuer für die Lieferung (Einfuhr) von Gegenständen (Z1) bzw. für sonstige Leistungen (Z2) vom Vorsteuerabzug aufgeschlossen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände bzw. Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw. in Anspruch nimmt. Ändern sich die Voraussetzungen, die für einen Vorsteuerabzug maßgebend waren, so ist der Vorsteuerabzug nach §12 Abs10 ff. UStG zu berichtigen.

Mit Erk. vom 13. Juni 1984, G90/83, G106/84, hat der VfGH die Worte "Umsätze, die unter das Kapitalverkehrsteuergesetz, Teil I (Gesellschaftssteuer), fallen, und" in litb wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben. Der Gerichtshof hielt die aus Anlaß des Beschwerdefalles B4/79 entstandenen Bedenken, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer unter Umständen durch den Nachteil des Verlustes des Vorsteuerabzuges für umsatzsteuerpflichtige Aufwendungen weit übertroffen werde, für zutreffend und fand keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß der - schon aus dem Gleichheitssatz erfließende - Grundsatz der Wettbewerbsneutralität durch die Normierung einer unechten Umsatzsteuerbefreiung, die generell und völlig undifferenziert mit der Möglichkeit des Verlustes hoher Vorsteuern verbunden ist, in sein Gegenteil verkehrt wird.

1. Nunmehr liegen dem VfGH Beschwerdefälle vor, in denen es um grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge iS der lita der genannten Gesetzesstelle geht:

Der Bf. zu B421/80 hatte in den Jahren 1973 bis 1975 ein Appartementhaus errichtet und dieses mit Vertrag vom 1. März 1976 "in leerem Zustand" verkauft (wobei es aber im Vertrag hieß, daß Besitz und Genuß, Gefahr und Zufall sowie Vorteil und Last bereits mit 10. Dezember 1975 an den Käufer übergegangen seien und der Verkäufer die Kosten für alle Arbeiten durch Professionisten und Firmen, die vor diesem Zeitpunkt erbracht wurden, allein trage). Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde im Hinblick auf §6 Z9 lita UStG die für den Bau des Hauses geltend gemachte Vorsteuer nach §12 Abs11 UStG berichtigt (G138/84).

Die zu B534/84 bf. Aktiengesellschaft hatte im Vertrag vom 29. Dezember 1983 Liegenschaften veräußert, worauf mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid die Vorsteuer von rund 38,2 Millionen Schilling auf rund 31,5 Millionen Schilling berichtigt wurde (G147/84).

Im Hinblick auf die Veräußerung eines Hotels durch die Bf. zu B584/84 im Jahre 1983 wurde die Vorsteuerberichtigung mit 567614,95 S festgelegt (G15/85).

Zu B833/84 geht es um die Berichtigung von Vorsteuern in der Höhe von 400246 S für Großreparaturen in einem Haus, das dann mit Vertrag vom 12. September 1983 veräußert worden war (G20/85).

Die zu B946/84 bf. GesmbH hat eine Betriebsstätte in eine GesmbH & Co. KG eingebracht, weshalb Vorsteuer in der Höhe von 1481467,83 S zu berichtigen war (G21/85).

Aus Anlaß all dieser Beschwerdefälle hat der VfGH Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §6 Z9 lita UStG 1972 eingeleitet. Seine Bedenken hat er unter Bezugnahme auf den Verlust des Vorsteuerabzuges so umschrieben:

"Damit wird die Befreiung von der Umsatzsteuer unter gewissen Umständen durch den Nachteil des Verlustes des Vorsteuerabzuges für umsatzsteuerpflichtige Aufwendungen weit übertroffen. Dieses Ergebnis scheint durch den Umstand, daß der Vorgang von zwei Steuern getroffen wird, zumindest so undifferenziert nicht gerechtfertigt zu sein und auch wettbewerbsverzerrend zu wirken.

Die Bedenken gegen §6 Z9 lita UStG entsprechen mithin jenen, die der Gerichtshof im Prüfungsbeschluß aus Anlaß des Beschwerdeverfahrens B4/79 gegen §6 Z9 litb UStG - die Umsatzsteuerbefreiung gesellschaftsteuerbarer Umsätze - geäußert und im Erkenntnis G90/83, G106/84 vom 13. 6. 1984 als begründet befunden hat. Daran scheint der Umstand nichts zu ändern, daß der Veräußerer des Grundstücks zugleich Schuldner der Grunderwerbsteuer und der Umsatzsteuer ist. Auch diese Bestimmung scheint daher dem Gleichheitssatz zu widersprechen".

2. Der VwGH hat sich aus Anlaß einer bei ihm nach Ablehnung der Behandlung durch den VfGH anhängig gewordenen Beschwerde gegen einen Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerbescheid - in welcher Bedenken gegen §6 Z9 lita UStG nicht geltend gemacht waren - den Bedenken des VfGH angeschlossen und stellt den Antrag auf Aufhebung dieser Gesetzesstelle (A3/85 betreffend Z 84/14/0122; G30/85).

3. Die Bundesregierung verteidigt die in Prüfung stehende Regelung zunächst mit folgenden Überlegungen:

"1. Der VfGH führt im Unterbrechungsbeschluß aus, daß er gegen §6 Z9 lita UStG jene Bedenken habe, welche er bereits in seinem Beschluß vom 2. Dezember 1983, B4/79-12, geäußert hat. Die in diesem Beschluß enthaltene Argumentation läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß die sogenannte unechte Umsatzsteuerbefreiung 'wettbewerbsverzerrend zu wirken und damit dem Grundprinzip des heute geltenden Mehrwertsteuersystems, nämlich der Wettbewerbsneutralität des Systems, zu widersprechen' scheint. Der VfGH hat dabei sowie im Erkenntnis vom 13. Juni 1984, G90/83-13, G106/84-9, offenbar angenommen, daß im Umsatzsteuerrecht jedes Abgehen vom sogenannten Prinzip der Wettbewerbsneutralität des Umsatzsteuersystems grundsätzlich gegen den verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz verstoße. Zu dieser Prämisse ist aus der Sicht der Bundesregierung folgendes vorzubringen:

Im Umsatzsteuergesetz 1972 selbst wurde der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität nirgends ausdrücklich festgelegt. Die Überlegungen im Zusammenhang mit diesem Grundprinzip können somit zwar bei der Auslegung einzelner Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes herangezogen werden, nicht aber schlechthin den Prüfungsmaßstab zur Beurteilung ihrer Verfassungsmäßigkeit bilden.

Ein Hinweis auf dieses Prinzip findet sich lediglich in den Erläuterungen zum UStG 1972. Hier wird aber diesem Prinzip eine ganz bestimmte, eingeschränkte Bedeutung zugemessen. Die Erläuterungen beziehen sich dort, wo von Wettbewerbsneutralität die Rede ist, ausschließlich auf Fragen der Ein- oder Mehrstufigkeit von Unternehmen und auf Fragen der Lohn- oder Materialabhängigkeit von Leistungen.

Selbst wenn es aber im Umsatzsteuerrecht als Ziel tatsächlich ein generelles Prinzip der Wettbewerbsneutralität gäbe, wäre es dem Gesetzgeber nach ständiger Judikatur des VfGH nicht verwehrt, innerhalb eines von ihm selbst geschaffenen Ordnungssystems einzelne Tatbestände auf eine nicht systemgerechte Art zu regeln, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen (vgl. VfSlg. 8562). Es kann dem Gesetzgeber daher auch nicht verwehrt sein, eine Regelung zu treffen, die vom allgemeinen System des Vorsteuerabzugs abweicht, sofern nur rechtspolitische Überlegungen vorliegen, die die normierte Ausnahme sachlich begründen können.

Die Überlegungen, die zum System der sogenannten unechten Umsatzsteuerbefreiungen geführt haben, werden vor allem anhand der Konsequenzen deutlich, welche im hier maßgeblichen Zusammenhang eine Aufhebung der einschlägigen Befreiungsbestimmung bzw. der Regelung über den Ausschluß des Vorsteuerabzugs nach sich ziehen würde; es wird daher auf diesen Umstand in weiterer Folge (vgl. unten ...) einzugehen sein. Zuvor wird aber noch versucht, klarzulegen, in welchem Verhältnis das sogenannte Prinzip der Wettbewerbsneutralität zu der in Prüfung gezogenen Bestimmung steht (vgl. dazu Punkt 2).

2. Im System des österreichischen Mehrwertsteuerrechts hat der Begriff der Wettbewerbsneutralität, wie bereits angedeutet wurde, eine ganz bestimmte Bedeutung:

Die Erläuterungen zum Umsatzsteuergesetz 1972 führen aus, daß es Ziel des neuen Umsatzsteuerrechts sei, insofern wettbewerbsneutral zu sein, als die Umsatzsteuerbelastung nicht davon abhängig sein soll, wieviele Wirtschaftsstufen an der Erbringung einer Leistung an den Endverbraucher beteiligt sind:

'Ein steuerlicher Anreiz zur Konzentration in der Wirtschaft geht daher von diesem System nicht aus. Auch wird die volkswirtschaftlich erwünschte Arbeitsteilung nicht gehemmt.'

Soll 'die Wettbewerbsneutralität' einer umsatzsteuerrechtlichen Vorschrift geprüft werden, muß daher die zu stellende Frage dahin gehend präzisiert werden, ob die Regelung zu einer Zurücknahme des Prinzips führt, daß die Anzahl der zur Erstellung der Leistung an den Endverbraucher tätigen Wirtschaftsstufen für die Höhe der anfallenden Umsatzsteuer irrelevant ist.

Dabei ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung, daß die vom VfGH in Prüfung gezogene Bestimmung wettbewerbsneutral im Sinne dieser Erläuterungen zum UStG 1972 ist:

Nicht abzugsfähige Vorsteuern müssen betriebswirtschaftlich als Kosten in der Kalkulation eingesetzt werden. Veräußert nun ein Unternehmer ein Grundstück, auf dem er ein Gebäude hat errichten lassen, direkt an den Letztverbraucher (einen Nicht-Unternehmer), so setzen sich die Kosten dieser 'Ware' zusammen aus:

Kosten des Grundstückes ........................ (zB 100)

+ Kosten des Gebäudes............................. (zB 50)

+ bei der Errichtung des Gebäudes

angefallene Vorsteuer........................... (zB 10)

Die aus der Umsatzsteuer resultierende Kostenbelastung für den Endverbraucher betrüge somit im vorliegenden Beispiel 10.

Treten zwischen den erstveräußernden Unternehmer und den Letztverbraucher andere Unternehmer (Wirtschaftsstufen), so ändert sich bei Gleichheit der Gesamtleistung (also keiner zusätzlichen Wertschöpfung) an der Umsatzsteuerbelastung überhaupt nichts: Da die Veräußerung von Grundstücken samt Gebäuden in jeder Wirtschaftsstufe umsatzsteuerfrei ist, erhöht sich nämlich die nach dem ersten Veräußerungsvorgang vorhandene Umsatzsteuerbelastung von 10 nicht mehr. Es ist daher für die dem Letztverbraucher (hier betriebswirtschaftlich in Form von 'Kosten') anzulastende Umsatzsteuer im vorliegenden Fall gleichgültig, wie viele Wirtschaftsstufen an der Leistung 'Übereignung eines Grundstückes samt Gebäude' beteiligt waren. Die unechte Steuerbefreiung wirkt daher im vorliegenden Fall wettbewerbsneutral im Sinne des UStG 1972.

Sie wirkt darüber hinaus im vorliegenden Fall aber auch wettbewerbsneutral in einem ganz allgemeinen Sinn:

Der VfGH führt in seinem Unterbrechungsbeschluß aus, daß 'die Befreiung von der Umsatzsteuer unter gewissen Umständen durch den Nachteil des Verlustes des Vorsteuerabzuges ... weit übertroffen' werde.

Um dieses Argument würdigen zu können, muß zunächst geprüft werden, wieso für einen Unternehmer eine Umsatzsteuerbelastung überhaupt ein 'Nachteil' sein kann. An sich besteht ja das Wesen der Umsatzsteuer darin, daß sie nicht vom Unternehmer getragen, sondern auf den Letztverbraucher überwälzt wird. Diese Überwälzung kann einerseits in Form ausgewiesener Umsatzsteuer (bei Waren und Leistungen, die der Umsatzsteuer unterliegen) erfolgen, andererseits aber auch in Form von betriebswirtschaftlichen Kosten im Verkaufspreis in den Fällen unechter Umsatzbesteuerung. Ein Nachteil (also offenbar ein Wettbewerbsnachteil) kann somit einem Unternehmer durch eine Umsatzsteuerbelastung durch unechte Befreiung überhaupt nur dann erwachsen, wenn er die Überwälzung dieser Belastung auf den Letztverbraucher auf dem Markt deshalb nicht vornehmen kann, weil es andere Anbieter auf dem Markt gibt, für die diese Belastung nicht existiert. Nur dann muß der Unternehmer die USt-Belastung in Form einer Gewinnminderung in Kauf nehmen, und zwar gemessen an den Gewinnen der umsatzsteuerrechtlich andersgestellten Anbieter. Nur dann kann man von einem 'Nachteil' für den Unternehmer sprechen.

Im Falle der unechten Umsatzsteuerbefreiung von Gegenständen, die dem Grunderwerbsteuergesetz unterliegen, ist aber diese Konstellation gerade nicht gegeben:

Da die Umsatzsteuerbefreiung an das 'Produkt' anknüpft und nicht an irgendwelche persönlichen Eigenschaften des Unternehmers und da weiters ein Ersatzgut für Grund und Boden, das umsatzsteuerlich anders behandelt würde, nicht existiert, steht der Unternehmer, der Grundstücke (samt Bebauung) auf dem Markt anbietet, nur solchen Anbietern gegenüber, die in derselben umsatzsteuerrechtlichen Situation sind wie er selbst. Da bei solcher Wettbewerbslage einer Überwälzung der USt-Belastung auf den Letztverbraucher nichts im Wege steht und sie somit allen Anbietern auf dem Markt gleichermaßen möglich ist, hat die vorliegende unechte USt-Befreiung keinerlei wettbewerbsverzerrende Wirkung und bewirkt auch keinen Nachteil für die an diesem Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Unternehmer.

Wenn im Anlaßfall der Beschwerdeführer vermeint, aus der Rückgängigmachung bereits abgezogener Vorsteuer einen 'Nachteil' zu erleiden, so wäre dies nicht auf das geltende Umsatzsteuersystem zurückzuführen, sondern nur auf eine falsche betriebswirtschaftliche Kalkulation, wenn er verabsäumt haben sollte, die USt-Belastung als Kostenfaktor im Verkaufspreis zu berücksichtigen. Sollte diese Berücksichtigung jedoch stattgefunden haben, so hätte der Beschwerdeführer die Abgeltung für die nunmehr berichtigten Vorsteuerabzüge bereits im Verkaufspreis erhalten.

Die einzige 'Verzerrung', die sich im vorliegenden Fall aus der Regelung des §6 Z9 lita UStG ergeben kann, liegt in der unterschiedlichen Steuerbelastung eines Unternehmers, welcher ein Grundstück mit einem fertigen Bauwerk kauft, im Vergleich zu einem Unternehmer, welcher das Grundstück kauft und selbst das Bauwerk errichtet. Hier wäre der zweitgenannte Unternehmer steuerrechtlich bessergestellt. Diese Besserstellung findet aber nach Auffassung der Bundesregierung ihre sachliche Rechtfertigung in Unterschieden im Tatsächlichen: der Kauf eines bebauten Grundstückes ist wirtschaftlich so wesentlich von der Bauführung auf eigenem Grund verschieden, daß die gesamte Rechtsordnung beide Vorgänge unterschiedlich behandelt. Hier kann somit auch das USt-Recht differenzierende Regelungen treffen.

Dazu kommt noch, daß die eben dargestellte, unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung den Unternehmer nur solange trifft, als er die erworbene Liegenschaft selbst nutzt. Im Augenblick, der Wiederveräußerung stellt das USt-System mit dem Instrument der Vorsteuerberichtigung wiederum völlige steuerrechtliche Gleichheit der beiden Fälle her.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist somit jedenfalls 'wettbewerbsneutral'.

3. Geht man vom Kern der Begründung aus, die im Erkenntnis des VfGH vom 30. Juni 1984, G90/83-13, G106/84-9, enthalten ist, so wäre jede Normierung der sogenannten unechten Umsatzsteuerbefreiung notwendigerweise gleichheitswidrig, da die Konsequenz unterschiedlicher wirtschaftlicher Auswirkungen je nach der jeweiligen Vorsteuerbelastung bei keinem der Tatbestände der unechten Umsatzsteuerberfreiung ausgeschlossen werden könnte.

Die Bundesregierung meint jedoch, im Hinblick auf die sonstige einschlägige Judikatur des VfGH nicht generell von dieser Rechtsauffassung ausgehen zu müssen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des VfGH wurden nämlich auch umsatzsteuerrechtliche Vorschriften als sachlich gerechtfertigt und daher als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannt, mit welchen vom ('auch jetzt schon nicht lückenlos durchgeführten') Grundgedanken des Vorsteuerabzuges abgewichen wird, demzufolge die Umsatzsteuer vom Letztverbraucher getragen werden soll (vgl. VfSlg. 8457). Dabei ging es um die Bestimmung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 1977, wonach Unternehmer hinsichtlich der Anschaffung und des Betriebes von PKW und 'Kombis' - von Ausnahmen abgesehen - nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und somit im Ergebnis Letztverbrauchern gleichgestellt sind (§12 Abs2 Z2 litc UStG 1972). Im Rahmen dieses Erkenntnisses wurde somit offenbar nicht jede Abweichung vom Grundgedanken des Vorsteuerabzugs als Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebotes angesehen.

Dabei hat der VfGH also offensichtlich bejaht, daß ein Abweichen vom Grundgedanken des Vorsteuerabzuges (damit kann nur gemeint sein, daß alle Unternehmer im Unternehmensbereich zum Vorsteuerabzug berechtigt sein sollen) nicht verfassungswidrig ist und auch Unternehmer (im Unternehmensbereich) - wie schon bisher - durchaus in verfassungskonformer, gleichheitsrechtlich unbedenklicher Weise wie Letztverbraucher mit Umsatzsteuer belastet werden können.

Eine ähnliche Auswirkung wie die eben diskutierte, nämlich eine Belastung mit Umsatzsteuer im Unternehmensbereich, kann nun auch im Fall der Befreiungsbestimmung des §6 Z9 lita UStG 1972 eintreten. Beim Erwerb eines bebauten Grundstückes - eine nach §12 Abs3 UStG 1972 nicht abzugsfähige oder gemäß §12 Abs10 bis 12 UStG 1972 rückgängig gemachte Vorsteuer wird regelmäßig vom Veräußerer in den Verkaufspreis einkalkuliert und auf den Erwerber überwälzt - wird keine Unterscheidung getroffen, ob ein Unternehmer oder ein Nichtunternehmer das Grundstück erwirbt. Unabhängig davon, ob der Erwerber ein (an sich grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigter) Unternehmer oder ein Nichtunternehmer ist, ist solcherart der Erwerb eines bebauten Grundstückes de facto mit Umsatzsteuer belastet. Trotz der Unternehmerstellung tritt in diesem Bereich - ebenso wie beim Letztverbraucher - eine Belastung mit Umsatzsteuer ein.

Durch die Umsatzsteuerbefreiung des §6 Z9 lita UStG 1972 und durch den gemäß §12 Abs3 UStG 1972 damit verbundenen Verlust des Vorsteuerabzuges tritt somit letztlich genau dieselbe Wirkung ein, wie durch die im zweiten Abgabenänderungsgesetz 1977 vorgesehene Regelung des §12 Abs2 Z2 litc UStG 1972, wonach Leistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung und dem Betrieb von PKW und 'Kombis' nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten. Die für PKW und 'Kombis' vorgesehene Regelung ist aber ungeachtet der damit verbundenen - sicher ebenfalls nicht systemkonformen - Auswirkungen als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (VfSlg. 8457). Eine ähnliche Regelung für den Bereich der Grundstücke - etwa dahin gehend, daß Grundstücksumsätze im Hinblick auf die ohnedies anfallende Grunderwerbsteuer gar nicht in die Umsatzsteuerung einbezogen werden, - müßte demnach gleichfalls verfassungsrechtlich unbedenklich sein. Wenn nämlich das grundsätzlich geltende System des Umsatzsteuerrechtes in einem Fall in verfassungsrechtlich zulässiger Weise durchbrochen werden kann, so müssen damit wirtschaftlich vergleichbare Durchbrechungen ebenfalls als verfassungsrechtlich zulässig angesehen werden.

..."

Sodann zeigt die Bundesregierung noch auf, welchen Belastungen der Erwerb von Grundstücken durch Privatpersonen, die öffentliche Hand oder nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer durch eine Aufhebung der Befreiungsbestimmung - und eine allfällige Beseitigung anderer unechter Umsatzsteuerbefreiungen - ausgesetzt würde.

Abschließend wird die Meinung vertreten, Sitz der vom VfGH geäußerten Bedenken sei nicht die Steuerbefreiung, sondern der Ausschluß des Vorsteuerabzuges durch §12 Abs3 UStG, diese Bestimmung solle aber vermeiden, daß jemand auf früheren Stufen von anderen Unternehmern gezahlte Umsatzsteuerbeträge erstattet erhalte, obwohl er selbst keine Umsatzsteuer zahlen müsse. Ein Wegfall des §12 Abs3 UStG würde nur weitere Befreiungswünsche auslösen.

II. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig.

Die Verfahren haben nichts ergeben, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und der Präjudizialität der in Prüfung stehenden - eine untrennbare Einheit bildenden - Vorschrift für die Entscheidungen des VfGH und des antragstellenden VwGH zweifeln ließe.

Der VfGH teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß der für die bedenklichen Rechtsfolgen der Steuerbefreiung maßgebliche §12 Abs3 UStG für sich allein betrachtet unbedenklich ist. Gegen den Grundsatz, daß die Geltendmachung der Vorsteuern demjenigen verwehrt bleiben soll, der keine Umsatzsteuer zahlt, ist an sich nichts einzuwenden. Eben deshalb hat der VfGH den Sitz der vermuteten Verfassungswidrigkeit in der Befreiungsbestimmung gesehen. Seine Bedenken richten sich also tatsächlich gegen die in Prüfung gezogene Vorschrift.

Die Prozeßvoraussetzungen sind insgesamt gegeben.

III. Die Bedenken des Gerichtshofes treffen auch zu. Die in Prüfung gezogene Vorschrift verstößt gegen den Gleichheitssatz.

1. Die Bundesregierung bezweifelt zunächst, daß eine unechte Steuerbefreiung nach Art der in Prüfung gezogenen Vorschrift wettbewerbsverzerrend wirke und dem Unternehmer Nachteile brächte. Dieser könne nämlich die - scheinbare - Belastung auf den Letztverbraucher überwälzen. Es gäbe keinen Unternehmer am Markt, der in gleicher Lage nicht gleich belastet wäre. Wer bei Kalkulation des Entgeltes die Vorsteuerberichtigung unberücksichtigt lasse, habe sich den Nachteil selbst zuzuschreiben.

Hiezu sei auf die EB zur RV verwiesen, wo es zu den Steuerbefreiungen ganz allgemein heißt (aaO 23):

"Im System der Mehrwertsteuer wirkt eine Steuerbefreiung - von der Ausfuhr und ähnlich zu behandelnden Tatbeständen abgesehen - nur dann, wenn sie für die Lieferung bzw. Leistung an den Endverbraucher - Privatabnehmer und öffentliche Hand - vorgesehen wird. Steuerbefreiungen auf vorgelagerten Wirtschaftsstufen werden in der Unternehmerkette auf der folgenden Stufe wieder aufgehoben (Nachholwirkung). Darüber hinaus müßten bei Steuerbefreiungen in der Unternehmerkette die nicht abziehbaren Vorsteuern in die Kosten des Unternehmens eingehen und damit Grundlage der in der nächsten Stufe nachgeholten Umsatzsteuer werden. Insofern träte eine Umsatzsteuerkumulation ein. Eine mit dem Verlust des Vorsteuerabzuges verbundene Steuerbefreiung ist deshalb nur für Leistungen sinnvoll, die an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger erbracht werden. Sie wirkt sich bei diesen Leistungen in dem Sinne aus, daß die Wertschöpfung des steuerbefreiten Unternehmers unbesteuert bleibt und kommt deshalb in ihrer Auswirkung der Befreiung einer Wirtschaftsstufe im bisherigen Umsatzsteuersystem nahe".

Im übrigen sind im Wirtschaftsleben aber auch Grundstücksumsätze durch andere wirtschaftliche Vorgänge substituierbar. Die Benützung von Liegenschaften kann auf den verschiedensten Rechtstiteln beruhen. Der Verlust des Vorsteuerabzuges bei Grundstücksumsätzen kann sich daher durchaus wettbewerbsverzerrend auswirken.

2. Soweit die Bundesregierung die in Prüfung gezogene Regelung mit dem Hinweis verteidigt, Abweichungen vom Grundgedanken des Vorsteuerabzuges seien auch iZm. der Anschaffung und dem Betrieb von KFZ als sachlich gerechtfertigt angesehen worden (VfSlg. 8457/1978, im 2. AbgabenänderungsG 1977), ist ihr einzuräumen, daß Abweichungen von einem gewählten System nicht schon an sich unzulässig sind. Der Gleichheitssatz verlangt aber für Abweichungen von der Regel einen sachlichen Grund. Ein solcher Grund konnte in dem von der Bundesregierung angezogenen Erk. gefunden werden. Und es ist das Thema gerade dieses Gesetzesprüfungsverfahrens, klarzustellen, ob die Vermeidung der doppelten Besteuerung - oder irgendein anderer Grund - die undifferenzierte Versagung des Vorsteuerabzuges rechtfertigt. Durch den Hinweis auf die Vorjudikatur zu anderen Fragen ist dafür nichts gewonnen.

Die Bedenken des Gerichtshofes laufen auch nicht darauf hinaus, daß jegliche Maßnahme zur Vermeidung einer Kumulierung von Steuerbelastungen unzulässig wäre. Sie richten sich vielmehr nur gegen die vorliegende, nicht differenzierende Regelung. Daher gehen auch alle Hinweise auf unliebsame Folgen eines ersatzlosen Wegfalles der (unechten) Steuerbefreiung oder die Einführung von echten Steuerbefreiungen ins Leere.

Die Bedenken könnten nur durch den Nachweis zerstreut werden, daß die aufgezeigten nachteiligen Folgen der Steuerbefreiung durch keine andere Lösung vermieden werden können, die in Prüfung stehende Regelung also die einzige Möglichkeit wäre, eine mehrfache Besteuerung zu vermeiden. Das ist indessen nicht der Fall. Ohne daß es Aufgabe des VfGH wäre, auf einzelne Lösungsvorschläge einzugehen, erhellt doch aus literarischen Änderungen und aus der Praxis in anderen Ländern, daß es Möglichkeiten gibt, das gesetzgeberische Ziel der Vermeidung einer doppelten Besteuerung zu erreichen, ohne die Nachteile eines ausnahmslosen Verlustes des Vorsteuerabzuges auszulösen.

Auch die lita des §6 Z9 UStG verstößt daher gegen den Gleichheitssatz. Sie ist als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

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