VfGH B4/79

VfGHB4/7929.9.1984

UStG 1972; Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festsetzung der Umsatzsteuer infolge Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Worte "die Umsätze, die unter das Kapitalverkehrssteuergesetz, Teil I (Gesellschaftssteuer), fallen, und" in §6 Z9 litb als gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bf. war Alleininhaberin eines im Handelsregister eingetragenen Einzelunternehmens. Mit Gesellschaftsvertrag vom 25. Juni 1975 beteiligte sich die Bf. als Kommanditistin an einer KG, deren alleinige persönlich haftende Gesellschafterin eine GesmbH ist. Das Einzelunternehmen der Bf. wurde mit Wirksamkeit vom Jänner 1975 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht.

Bei der Veranlagung der Bf. zur Umsatzsteuer für das Jahr 1975 behandelte das Finanzamt die Einbringung des Einzelunternehmens als Geschäftsveräußerung im ganzen iS des §4 Abs7 UStG 1972, wobei die Gesamtsumme der von der KG übernommenen Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens und der Wert des Gesellschaftsrechtes der Kommanditistinals ein Entgelt für die eingebrachten Besitzposten angesehen wurde. Der Übertragungsvorgang wurde insoweit als umsatzsteuerpflichtig behandelt, als nicht die Befreiungsvorschriften des §6 Z8 UStG 1972 hinsichtlich der Übertragung des Barvermögens, der Forderungen, Wertpapiere und Beteiligungen und des §6 Z9 litb UStG 1972 hinsichtlich der Gewährung von Gesellschaftsrechten an der KG Anwendung fanden. Die mit dem eingebrachten Umlaufvermögen in Zusammenhang stehenden stehenden Vorsteuern wurden unter Anwendung des §12 Abs11 UStG 1972 hinsichtlich des Teilbetrages des Einbringungsvorganges, der gemäß §6 Z9 litb UStG 1972 unecht umsatzsteuerfrei ist, berichtigt. Die gegen den Bescheid des Finanzamtes erhobene Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion für Ktn. mit Bescheid vom 28. November 1978 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums infolge Verfassungswidrigkeit des §12 Abs11 UStG 1972 behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die bel. Beh. hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "die Umsätze, die unter das Kapitalverkehrssteuergesetz, Teil I (Gesellschaftssteuer), fallen, und" in §6 Z9 litb UStG 1972, BGBl. 223, ein. Mit Erk. vom 13. Juni 1984 G90/83-13, G106/84-9, hob er diese Worte wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig auf.

III. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Der mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Verwaltungsakt ist sohin anhand der Rechtslage zu beurteilen, wie sie sich ohne Bestand der aufgehobenen Bestimmung darstellt (vgl. zB VfSlg. 8935/1980).

Der angefochtene Bescheid ist, soweit er den unter I.1. geschilderten Vorgang als (unecht) umsatzsteuerbefreit beurteilt und dementsprechend einen Vorsteuerabzug ausgeschlossen hat, in Anwendung der als gleichheitswidrig aufgehobenen Bestimmung ergangen und stützt sich insoweit ausschließlich auf diese Bestimmung. Da eine Trennung jenes Teils des Bescheides, der seine Grundlage in der aufgehobenen Bestimmung hat, vom übrigen Bescheidinhalt nicht möglich ist, verletzt der Bescheid die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis war auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen.

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