VfGH B421/80

VfGHB421/8010.6.1985

UStG 1972; Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung des §6 Z9 lita als gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. hat in den Jahren 1973 bis 1975 in St. Johann in Tir. ein Appartementhaus errichtet und dieses mit Vertrag vom 1. März 1976 "in leerem Zustand" verkauft. Punkt "Drittens" des Vertrages lautet:

"Besitz und Genuß, Gefahr und Zufall, Vorteil und Last sind bereits mit 10. Dezember 1975 an die Käufer übergegangen. Die Kosten für alle Arbeiten durch Professionisten und Firmen, die vor diesem Zeitpunkt erbracht wurden, trägt der Verkäufer allein."

Da nach §6 Z9 lita UmsatzsteuerG 1972 die Umsätze von Grundstücken iS des §2 GrunderwerbsteuerG steuerfrei sind, nahm das Finanzamt aus Anlaß einer Betriebsprüfung an, daß sich die Voraussetzungen geändert hätten, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, und berichtigte die für den Bau des Hauses geltend gemachte Vorsteuer gemäß §12 Abs11 UStG (idF der Nov. BGBl. 666/1976). Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1975 ab. Entgegen der Meinung des Berufungswerbers komme §12 Abs10 UStG nicht in Betracht, weil der Gegenstand noch nicht als Anlagevermögen genutzt oder verwendet worden sei; auch von einer Gesamtrechtsnachfolge könne nicht die Rede sein, und durch das Zusammenspiel der §§6 Z9 lita und 12 Abs10 bis 12 UStG werde eine gleiche Behandlung gleicher Fälle gewährleistet.

In der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz gerügt. ArtII Abs2 der maßgeblichen UStG-Nov. 1976 sehe eine gleichheitswidrige Rückwirkung der Behandlung ungenutzt gebliebenen Anlagevermögens vor, ein Kaufvertrag aus 1976 könne denkunmöglich zur Vorsteuerberichtigung für 1975 führen, und das Haus sei - durch Abschluß von Mietverträgen mit Reisebüros - offenkundig bereits als Anlagevermögen genutzt worden. Im übrigen sei es unsachlich, nach der Benützung zu differenzieren und bei Veräußerung an einen Unternehmer den Vorsteuerabzug zu versagen, bloß weil der Vorgang Grunderwerbsteuerpflicht auslöse. Schließlich trägt die Beschwerde neuerlich Bedenken vor, die gegen §12 Abs11 UStG schon in der Beschwerde B4/79 vorgetragen worden waren.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita des §6 Z9 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. 223, ein. Mit Erk. VfSlg. 10405/1985, hob er diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig auf.

III. Die Beschwerde ist begründet:

Die bel. Beh. hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Bf. nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt wurde (zB VfGH 3. 3. 1985 B616/82).

Der Bescheid ist aufzuheben.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis ist auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen.

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