OLG Graz 9Bs91/25p

OLG Graz9Bs91/25p12.5.2025

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag.a Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag.a Berzkovics und den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 22. April 2025, AZ ** (ON 41 der Akten AZ ** des Landesgerichtes Klagenfurt), in nichtöffentlicher Sitzung den

 

BESCHLUSS

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0639:2025:0090BS00091.25P.0512.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Die Anklageschrift weist keinen der in § 212 Z 1 bis 5, 7 und 8 StPO genannten Mängel auf.

Zur Klärung der Frage der örtlichen Zuständigkeit werden die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Die über A*, geboren am ** in **/Serbien, serbischer Staatsangehöriger, verhängte Untersuchungshaft wird aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fortgesetzt.

Die Wirksamkeit dieses Haftfortsetzungsbeschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 StPO).

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

 

 

BEGRÜNDUNG:

Mit der Anklageschrift vom 22. April 2025, AZ **, legt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem am ** geborenen A* das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 Z 4 SMG (zu I.), das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 Z 4 SMG (zu II.1.) und das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (zu II.2.) zur Last.

Demnach habe er vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge,

I. am 15. Oktober 2024 in **, und zwar 1.000 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 500 Gramm Kokain-Base (angenommener unterdurchschnittlicher Reinheitsgehalt von 50 % Kokain-Base in Anlehnung an die Auswertungen von ao. Univ.-Prof. B* vom 23. März 2024; 33,33-fache GM) dem abgesondert verfolgten C* in einem Einzelverkauf entgeltlich und gewinnbringend überlassen;

II. und zwar 2.022,78 Gramm Kokain brutto mit einer Reinsubstanz von 1.736,63 Gramm Kokain-Base (Reinsubstanzgehalt von 86,13% +/- 0,26 bis 86,55 +/- 0,11 laut Gutachten ao. Univ.-Prof. B* in ON 22.2; 115,76-fache GM)

1. am 5. Dezember 2024 von Serbien über Ungarn kommend über einen unbekannten Grenzübergang nach Österreich eingeführt;

2. am 6. Dezember 2024 von ** kommend bis zur Autobahnraststation „D*“ in ** mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Dagegen richtet sich der (auf Z 2, Z 3 und Z 6 des § 212 StPO gestützte) rechtzeitige Einspruch des Angeklagten, mit dem er ein „Vorgehen gemäß § 215 Abs 2 bis 4 StPO“ anstrebt (ON 43).

Rechtliche Beurteilung

Das dem angerufenen Gericht übergeordnete Oberlandesgericht hat nach der von § 215 StPO vorgegebenen Systematik vor einem Ausspruch nach § 215 Abs 4 erster Satz StPO oder Vorlage nach § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO stets zu prüfen, ob nicht einer der in § 212 Z 1 bis 4 sowie 7 und 8 StPO genannten Mängel der Anklageschrift vorliegt. Erst wenn diese Prüfung mit negativem Ergebnis abgeschlossen ist, kommt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Betracht (vgl RIS-Justiz RS0124585).

Nach § 215 Abs 2 StPO iVm § 215 Abs 1 Z 1 StPO ist das Verfahren einzustellen, wenn nach der Aktenlage die in der Anklageschrift zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist (§ 212 Z 1 erster Fall StPO) oder die Verurteilung aus sonstigen rechtlichen Gründen scheitern muss (§ 212 Z 1 zweiter Fall StPO).

Das von der Staatsanwaltschaft im Tenor und in der Begründung der Anklageschrift beschriebene Tatgeschehen ist, wenn es sich auf diese Weise ereignet hat (vgl Birklbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 212 Rz 4), dem Tatbestand gerichtlich strafbarer Handlungen, nämlich dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I.), dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II.1.) und dem Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (II.2.) zu subsumieren.

Die Einspruchsgründe der nicht hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit und Sachverhaltsklärung (§ 212 Z 2 und Z 3 StPO) sind ebenfalls nicht verwirklicht. Die relevanten Beweise sind – soweit überblickbar – aufgenommen. Bei ausermitteltem Sachverhalt kommt dem Oberlandesgericht eine Missbrauchskontrolle nur in jenen Fällen zu, in denen die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, obwohl so gut wie überhaupt keine Verurteilungsmöglichkeit besteht; andernfalls ist über die erhobenen Vorwürfe im Zuge der Hauptverhandlung zu entscheiden (Birklbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 212 Rz 19).

Fallbezogen ergibt sich der bei § 212 Z 1 StPO angeführte (Mindest-)Tatverdacht hinsichtlich Punkt II.2. des Anklagetenors aus den Wahrnehmungen der Polizeibeamten im Rahmen der Kontrolle des Angeklagten auf der Autobahnraststation „D*“ am 6. Dezember 2024, bei der im vom Angeklagten gelenkten PKW 2.022,78 Gramm Kokain gefunden wurde (ON 2.2), in Verbindung mit den angefertigten Lichtbildern (ON 2.8).

Aufgrund der Auswertung des im PKW mitgeführten Navigationsgerätes (ON 2.15; ON 34.2) konnte in Erfahrung gebracht werden, dass – entgegen der Angaben des Angeklagten (ON 38.6), wonach dieser das Suchtgift lediglich von ** nach ** hätte bringen wollen – als letzte Zieleingabe am 6. Dezember 2024 ** (Italien) eingegeben wurde. Außerdem konnte anhand der letzten Eingaben im Navigationsgerät in Verbindung mit den dokumentierten Grenzübertritten (ON 38.10) erhoben werden, dass der Angeklagte am 5. Dezember 2024 von Serbien über Ungarn nach Österreich gefahren ist. Der Angeklagte räumte ein (ON 38.6, S 6), das in der Mittelkonsole des von ihm gelenkten PKW eingebaute Geheimversteck für den Suchtgifttransport in Serbien installiert haben zu lassen. Ungeachtet der (weiteren) leugnenden Verantwortung des Angeklagten zu Punkt II.1. des Anklagetenors reichen diese Beweisergebnisse bereits aus, einen Tatverdacht betreffend die Einfuhr des Suchtgiftes von Serbien über Ungarn nach Österreich zu begründen.

Hinsichtlich Punkt I. des Anklagetenors ist auf die den Angeklagten belastende Aussage von E* (ON 38.5) in Verbindung mit dem Bericht über die erfolgte Observation (ON 38.13) zu verweisen, wonach sich der begründete Verdacht ergibt, der Angeklagte habe C* am 15. Oktober 2024 ein Kilogramm Kokain übergeben.

Zu den angezogenen Reinheitsgehalten des Suchtgiftes ist hinsichtlich Punkt II. des Anklagetenors auf die Auswertung des sichergestellten Kokains durch den Sachverständigen Dr. B* (ON 22.2) zu verweisen. Hinsichtlich Punkt I. wurde mangels sichergestelltem und ausgewertetem Suchtgift von einem unterdurschnittlichen Reinheitsgehalt von 50 % Kokain-Base ausgegangen (vgl. ON 40), wobei auch diese Annahme nicht zu beanstanden ist.

Ob die gegen den Angeklagten bestehenden Verdachtsgründe ausreichen, um ihn im Sinne des Anklagevorwurfs zu überführen, bleibt den Ergebnissen der unter den Kautelen der Mündlichkeit, Kontradiktorietät und freien Beweiswürdigung stehenden Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht vorbehalten.

Wenn der Einspruchswerber moniert, die Verurteilung zu Punkt II.1. des Anklagetenors sei geradezu denkunmöglich, weil sich diese Annahme nicht mit der Verantwortung des Anklagten decke und darüber hinaus keine belastenden Beweismittel existierten, in evetu der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt sei, so ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Auch die Einspruchsgründe nach § 212 Z 4, 5, 7 und 8 StPO liegen nicht vor. Die Anklagebehörde bezeichnet das objektive und subjektive Tatgeschehen nach Maßgabe des § 211 StPO deutlich, weshalb die Anklageschrift nicht an wesentlichen formellen Mängeln leidet. Das Verbrechen des § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (Punkt I. des Anklagetenors) begründet gemäß § 31 Abs 3 Z 1 StPO, weil die angeklagte Straftat mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, die sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichts. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ist berechtigte öffentliche Anklägerin (§ 212 Z 7 StPO) und das Verfahren wurde nicht zu Unrecht gemäß § 205 Abs 2 StPO oder nach § 38 Abs 1 oder 1a SMG fortgesetzt (§ 212 Z 8 StPO).

Das Oberlandesgericht Graz hält es jedoch entsprechend § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht (örtlich) zuständig ist.

Bezugspunkt für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand. Bei der Beurteilung, wo die Straftat begangen wurde, orientiert sich das Gericht an der Aktenlage (RIS-Justiz RS0131309 [T3]).

Gemäß § 37 Abs 1 StPO ist im Falle gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder – wie hier – einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Welches Gericht bei Zusammenhang nach § 37 Abs 1 StGB zuständig ist, ergibt sich aus § 37 Abs 2 StGB. Gemäß § 37 Abs 2 erster Satz StGB gibt primär das Gericht höherer Ordnung den Ausschlag für die örtliche Zuständigkeit. Kommen mehrere gleichrangige Spruchkörper in Betracht, bestimmt sich die Zuständigkeit nach der weiteren Rangordnung des § 37 Abs 2 StGB. Vorrangig zu beachten ist dabei die Kompetenz der sonderzuständigen Gerichte (zB § 34 JGG). Subsidiär dazu zieht bei objektiver oder subjektiv-objektiver Konnexität das für den unmittelbaren Täter zuständige Gericht auch das Verfahren gegen (sonstige) Beteiligte (§ 12 StGB) an sich. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Gerichte eine Sonderzuständigkeit für sich beanspruchen können. Wird der Beteiligte jedoch wegen einer Straftat einer höheren Zuständigkeitskategorie angeklagt (zB gewerbsmäßiges Handeln iSd § 130 Abs 3 [iVm Abs 1 erster Fall] StGB nur des Beteiligten), gibt gemäß der Rangfolge des § 37 Abs 2 StPO wiederum der höherrangige Spruchkörper den Ausschlag (Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 37 Rz 4 mwN).

Ist auch danach ein örtlich zuständiges Gericht nicht auszumachen (arg: „im Übrigen“), kommt das Verfahren gem § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO jenem Gericht zu, das für die frühere Straftat (iSd Abfolge des § 36 Abs 3 StPO) zuständig ist. Von dieser Anknüpfung an die zeitliche Abfolge der Taten sieht § 37 Abs 2 dritter Satz StPO wiederum eine Ausnahme im Interesse der Verfahrensökonomie (möglichste Kontinuität der StA des Ermittlungs- und Hauptverfahrens) für den Fall vor, dass für das Ermittlungsverfahren eine StA bei einem LG zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten Straftaten begangen worden sein soll (13 Ns 46/09g, EvBl 2009/137, 918; EBRV StPRefG 25 BlgNR 22. GP 49; Nordmeyer § 26 Rz 13; Fabrizy, StPO13 § 26 Rz 4). Enthält daher die Anklage zumindest eine im Sprengel der anklagenden StA verübte Straftat, bleibt die zeitliche Abfolge der Taten außer Betracht (14 Ns 5/14t).

Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit sind hier (nur) die strafbaren Handlungen (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) maßgeblich, die sachlich in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen (vgl RIS-Justiz RS0124935), also der unter das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I.) sowie unter das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II.1.) subsumierte Anklagevorwurf (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO).

Fallkonkret kommen nach der durch § 36 Abs 3 StPO für jede einzelne Tat ermittelten örtlichen Zuständigkeit zwei Gerichte gleicher Ordnung in Frage, nämlich das Landesgericht für Strafsachen Wien im Hinblick auf Punkt I. des Anklagetenors und das Landesgericht Klagenfurt im Hinblick auf Punkt II.1. Die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt gründet jedoch mangels feststellbaren Tatort betreffend Punkt II.1. des Anklagetenors (ein allenfalls wahrscheinlicher Tatort begründet die örtliche Zuständigkeit nicht, wenn sich – wie hier – der Ort der Tathandlung aus den Akten nicht entnehmen lässt; vgl RIS-Justiz RS0127231 [T4]) lediglich auf den Ort, an dem der Angeklagte betreten wurde.

Gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO ist daher jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die frühere Straftat ausgeführt wurde, somit das Landesgericht für Strafsachen Wien, weil die im Punkt I. des Anklagetenors angeführte strafbare Handlung der in Punkt II.1. angeführten zeitlich vorgelagert ist.

Die Ausnahme im Interesse der Verfahrensökonomie nach § 37 Abs 2 dritter Satz StPO kommt fallkonkret nicht zur Anwendung. Der Ort der Betretung des Angeklagten, der für die Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit für die in Punkt II.1. des Anklagetenors angeführten Tat (isoliert betrachtet) heranzuziehen ist, stellt (nach dem Gesetzeswortlaut) keinen Begehungsort im Sinn des § 37 Abs 2 dritter Satz StPO dar (vgl 14 Ns 17/21t).

Somit indizieren die Verfahrensergebnisse die mangelnde örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Akten sind daher zur Klärung gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Aus Anlass des Einspruchs ist gemäß § 214 Abs 3 StPO auch die Haftfrage zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0124585 [T7]).

Vorauszuschicken ist, dass sich der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 1.1) sowie die Anträge auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 1.13, 1.27 und 1.48) lediglich auf die Taten in Punkt II. des Anklagetenors beziehen und der Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 8) sowie die Beschlüsse auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 19, 27 und 36) diese Taten der Beurteilung der Haftfrage zugrunde legen. Eine Erstreckung oder Erweiterung der Untersuchungshaft durch das Gericht (auch) auf vom Antrag der Staatsanwaltschaft nicht um- bzw erfasste Taten ist unzulässig (vgl Nimmervoll, Haftrecht3 Rz 322 mwN).

Das Einspruchsgericht nimmt hinsichtlich dieses Tatgeschehens sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht dringenden – im Sinne einer höheren Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung (RIS-Justiz RS0107304) – Tatverdacht an.

Zum objektiven Tatgeschehen ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zu den Einspruchsgründen des § 212 Z 2 und Z 3 StPO zu verweisen. Demgemäß wurde der Angeklagte bei der in Punkt II.2. des Anklagetenors angeführten Tat auf frischer Tat betreten und räumte letztlich auch ein, das im Zuge der Kontrolle durch die Polizei sichergestellte Suchtgift transportiert zu haben (ON 38.6, S 6 f), weshalb weitere Erwägungen zur Dringlichkeit dieses Tatverdachts in objektiver Hinsicht unterbleiben können.

Die subjektive Tatseite gründet bereits auf dem objektiven Geschehensablauf in Verbindung mit der (letztlich) im Wesentlichen geständigen Verantwortung des Angeklagten zu diesem Vorwurf. So war ihm bewusst, dass er vorschriftswidrig Suchtgift besitzt und befördert, um es in weiterer Folge an eine andere Person zu übergeben, somit in Verkehr zu setzen, und wollte er dies auch. Dass das Suchtgift dabei das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigt, hielt er zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab.

Entgegen der (weiteren) Verantwortung des Angeklagten (ON 38.6, S 6), das Suchtgift in ** übernommen und nach ** zwecks Übergabe bei der Raststation „D*“ gebracht zu haben, liegt auch dringender Tatverdacht im Hinblick auf Punkt II.1. des Anklagetenors vor. Dazu ist ebenfalls auf die weiter oben angeführten Beweisergebnisse, konkret die rund um den Tatzeitraum im vom Angeklagten genutzten und sichergestellten Navigationsgerät eingegebenen Ziele samt dem nachweislichen Grenzübertritt (von Serbien nach Ungarn) am 5. Dezember 2024 zu verweisen. Daraus ergibt sich eine klar nachvollziehbare Reiseroute von Serbien über Ungarn nach ** und dann weiter nach **, wobei als letztes Ziel am Navigationsgerät ** (Italien) eingegeben wurde. Weiters führt der Angeklagte selbst aus, er habe das Versteck in der Mittelkonsole des von ihm gelenkten PKWs in Serbien einbauen lassen (ON 38.6, S 6). Es entspricht somit der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Angeklagte das Suchtgift von Serbien über Ungarn nach Österreich transportierte und somit einführte.

Die leugnende Verantwortung des Angeklagten ist hingegen lediglich als Schutzbehauptung zu werten und keinesfalls nachvollziehbar. So erscheint es lebensfremd, dass er extra von Serbien nach ** gefahren sein will, um Suchtgift lediglich innerhalb von Österreich zu transportieren. Auffällig erscheint auch seine Verantwortung vor dem Haft- und Rechtsschutzrichter im Rahmen seines Pflichtverhörs (ON 4, S 4), wonach er offensichtlich bemüht war, den Verdacht der Einfuhr des Suchtgiftes nach Österreich von sich zu lenken. Weiters führte er damals noch aus, dass die rund zwei (!) Kilogramm Kokain für seinen Eigenbedarf gewesen seien. Zusammengefasst ist die Verantwortung des Angeklagten als lebensfremd einzustufen und nicht geeignet, den gegen ihn aufgrund der übrigen Beweisergebnisse bestehenden dringenden Tatverdacht zu entkräften. Die Ergebnisse der Auswertung des Navigationsgerätes legen vielmehr den Schluss nahe, der Angeklagte habe auf seiner Reise an unterschiedlichen Orten Suchtgift übergeben (wollen).

Die subjektive Tatseite zu Punkt II.1. des Anklagetenors ergibt sich mit der erforderlichen Dringlichkeit aus dem objektiven Geschehnisablauf und der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen ist rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier – leugnender Verantwortung bzw. Aussageverweigerung in aller Regel methodisch auch nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882). Demnach war dem Angeklagten beim Transport des Kokains von Serbien über Ungarn nach Österreich bewusst, vorschriftswidrig Suchtgift nach Österreich einzuführen. Dass das Suchtgift dabei das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigt, hielt er zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab.

Dieser als dringend im Verdacht stehend angenommene Lebenssachverhalt ist als das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (Punkt II.1. des Anklagetenors) und als das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (Punkt II.2. des Anklagetenors) zu subsumieren.

Bei A* besteht weiterhin Fluchtgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 StPO. Er ist Staatsangehöriger von Serbien und verfügt über keinen Wohnsitz und keine wie immer geartete soziale Integration in Österreich. Vielmehr ist anhand des Akteninhaltes davon auszugehen, dass er lediglich für Suchtgiftgeschäfte nach Österreich reiste. Angesichts der nach derzeitiger Aktenlage zu erwartenden Strafe – die Strafbefugnis reicht von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 28a Abs 4 SMG) – ist es sehr wahrscheinlich, dass A* versuchen wird, sich durch Flucht oder Verborgenhalten diesem Verfahren zu entziehen.

Darüber hinaus liegt beim Angeklagten weiterhin Tatbegehungsgefahr in der Variante der lit a des § 173 Abs 2 Z 3 StPO vor. Der Angeklagte ist – soweit es die Haftfrage betrifft – zweier mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Anlasstaten dringend verdächtig. Ihm liegen die Einfuhr von insgesamt das 25-fache der Grenzmenge des § 28b SMG (115-fach) übersteigenden Suchtgiftquanten sowie der Besitz und das Befördern der selben Menge mit dem Vorsatz, dass diese in Verkehr gesetzt wird, somit strafbare Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz mit schweren Folgen (Nimmervoll, Haftrecht3 Rz 698 und 701), zur Last. Dies sowie die professionelle Vorgehensweise (Einbau eines Verstecks für das Suchtgift im PKW) begründet die konkrete Gefahr, er werde auf freiem Fuß belassen ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens erneut in den Suchtgifthandel einsteigen, um dadurch Vermögensvorteile zu erzielen und damit abermals eine strafbare Handlung mit schweren Folgen nach Art der Anlasstaten begehen, die gegen das selbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihm wiederholt angelasteten strafbaren Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz mit schweren Folgen. Die Verhältnisse, unter denen die Taten begangen wurden, haben sich – auch unter Bedachtnahme auf die bisherige Haftdauer – nicht wesentlich geändert, sodass sich diese Gefahr auch nicht nachhaltig vermindert hat (§ 173 Abs 3 StPO).

Die Intensität dieser kombiniert vorliegenden Haftgründe – insbesondere der Tatbegehungsgefahr – ist so stark ausgeprägt, dass die Untersuchungshaft durch gelindere Mittel nicht effektiv substituiert werden kann.

Der Freiheitsentzug dauert insgesamt bisher knapp über fünf Monate. Die dringend in Verdacht stehenden Taten weisen einen hohen sozialen Störwert (Bedeutung der Sache) auf. Für den Fall verdachtskonformer Verurteilung ist – Maß nehmend am Gewicht der dringend in Verdacht stehenden Taten und der daraus resultierenden Strafbefugnis von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe – eine Freiheitsstrafe prognostizierbar, die ein Vielfaches der bisherigen Gesamtdauer beträgt. Die Fortsetzung der Untersuchungshaft ist daher weiterhin verhältnismäßig.

Der Entfall der Haftfrist ergibt sich aus § 175 Abs 5 StPO.

Der Ausschluss weiterer Rechtsmittel folgt aus § 214 Abs 1 StPO.

 

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