OGH 13Ns46/09g

OGH13Ns46/09g23.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Sokol M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB, AZ 39 Hv 50/09h des Landesgerichts Salzburg, über Vorlage durch das Oberlandesgericht Linz, AZ 8 Bs 129/09s, gemäß §§ 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz, 215 Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Linz zur Zuweisung der Sache an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

In einer im Verfahren 39 Hv 50/09h des Landesgerichts Salzburg eingebrachten Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft Wien den Angeklagten Sokol M***** und Dervish B***** ein als Verbrechen des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB, hinsichtlich des Zweitgenannten als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB, beurteiltes Verhalten zur Last. Ein Einspruch dagegen liegt nicht vor.

Der Akt wurde vom Vorsitzenden wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Salzburg gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Linz und von diesem - weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei - gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz (iVm § 213 Abs 6 dritter Satz) StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Aufgrund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 7. Mai 2009, AZ 13 Ns 20/09h, mit dem die Akten dem Oberlandesgericht Linz mit dem Auftrag zurückgeleitet wurden, vorerst über die in § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO genannten Einspruchsgründe zu befinden, sprach dieses mit Beschluss vom 12. Juni 2009, AZ 8 Bs 129/09s, aus, dass die Anklageschrift keinen solchen Mangel aufweise, und legte die Akten neuerlich vor.

In der Anklageschrift erhebt die Staatsanwaltschaft Wien (zusammengefasst) den Vorwurf, Sokol M***** habe (als unmittelbarer Täter) - beginnend Anfang Jänner 2007 in St. Martin/Lofer (A/2/a der Anklageschrift) - mehr als 20 (teils versuchte, teils vollendete) gewerbsmäßig durch Einbruch begangene Diebstähle an verschiedenen Orten in Österreich (nicht aber in Wien) verübt und Dervish B***** habe sich an vier Einbruchsdiebstählen - darunter an einem auch dem Angeklagten Sokol M***** (als unmittelbarem Täter) angelasteten (B/I der Anklageschrift) und an einem weiteren, in Wien (gemeinsam mit bereits abgeurteilten unmittelbaren Tätern) verübten derartigen Diebstahl (B/III der Anklageschrift) - gewerbsmäßig beteiligt (§ 12 dritter Fall StGB).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren (gegen Erwachsene) primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (Tatortzuständigkeit).

Im Fall gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten ist - dem Grundsatz der Verfahrenskonzentration folgend - das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen (§ 37 Abs 1 erster Satz StPO). Unter mehreren in Frage kommenden Gerichten gleicher Ordnung zieht bei (hier vorliegender) subjektiv-objektiver Konnexität das für den unmittelbaren Täter zuständige Gericht auch das Verfahren gegen (sonstige) Beteiligte (§ 12 StGB) an sich (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO).

§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO regelt, dass „im Übrigen" das Verfahren jenem Gericht zukommt, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Von dieser Anknüpfung an die zeitliche Abfolge der Taten besteht eine Ausnahme im Interesse der Verfahrensökonomie für den Fall, dass für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Landesgericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO). Diese Bestimmung ändert, wie sich aus der Gesetzessystematik und den Materialien (EBRV 25 BlgNR 22. GP 57) ergibt, nichts am Vorrang des für den unmittelbaren Täter zuständigen Gerichts; § 37 Abs 2 dritter Satz StPO betrifft maW nur den zweiten, nicht aber den ersten Satz des § 37 Abs 2 StPO (vgl 13 Ns 21/09f mit Bezug auf Gerichte verschiedener Ordnung).

Vorliegend hat zwar die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren geleitet; in ihrem Sprengel soll laut Anklage jedoch nur eine Tat des zum die objektive Konnexität herstellenden Anklagepunkt A/1/c iVm B/I gemäß § 12 dritter Fall StGB beteiligten Angeklagten Dervish B***** begangen worden sein, während dem zum genannten Faktum als unmittelbaren Täter angeklagten Sokol M***** ansonsten als früheste Tat der zu Punkt A/2/a der Anklage bezeichnete (versuchte) Einbruchsdiebstahl im Sprengel des Landesgerichts Salzburg zuständigkeitsbegründend gemäß § 37 Abs 2 erster und zweiter Satz StPO zur Last gelegt wird. Die Ausnahmebestimmung des dritten Satzes leg cit kommt mangels dem Angeklagten Sokol M***** vorgeworfener Tat im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Wien nicht zum Tragen.

Demnach war die Sache dem Oberlandesgericht Linz zu übermitteln, das gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen hat. Bei nach § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO erfolgter Verweisung an das Oberlandesgericht, das - wie hier - die der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorgeschaltete Prüfung nach § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO mit negativem Ergebnis vorgenommen hatte, verbleibt diesem von der - nun bloß noch abzuschließenden - „Entscheidung über den Einspruch" (hier im Sinn des § 213 Abs 6 letzter Satz StPO) allein die Zuweisung der Sache an das sachlich und örtlich zuständige Gericht innerhalb seines Sprengels (vgl den Praxishinweis der EvBl-Redaktion in EvBl 2009/91, 612).

Bei dieser Gelegenheit stellt der Oberste Gerichtshof klar, dass bei Übermittlung der Sache an ein anderes Oberlandesgericht - anders als im Verhältnis zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten (vgl VfGH vom 11. 3. 2009, U 132/08) - keine Bedenken gegen eine pauschale Verweisung durch das dann (erstmals) befasste Oberlandesgericht auf die Begründung des bloß zur vorläufigen (nicht bindenden) Prüfung aufgerufenen Oberlandesgerichts bestehen, soweit es dessen Beurteilung teilt (vgl 14 Os 109/08y, EvBl 2008/173, 903 zur Möglichkeit einer Verweisung sogar auf Anordnungen der Staatsanwaltschaft bei Bewilligungen durch das Landesgericht im Ermittlungsverfahren).

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