Spruch:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 19. März 2008, AZ 9 Bs 83/08m (ON 97), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 86 StPO.
Text
Gründe:
Im vorerst gegen unbekannte Täter („Armando" und „Beckham"), in der Folge gegen Sabit F***** und weitere Beschuldigte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, Abs 2 Z 2 SMG anhängigen Ermittlungsverfahren ordnete die Staatsanwaltschaft Graz zu GZ 7 St 297/07p-26, eine Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie eine Überwachung von Nachrichten hinsichtlich des Mobiltelefonanschlusses mit der Nummer ***** gemäß §§ 134 Z 2 und 3, 135 Abs 2 Z 3, Abs 3 Z 3 lit a und b StPO an. Dieser vier Seiten (S 1 bis 4 in ON 26; S 117-121/I) umfassenden, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen begründenden Anordnung ist als fünfte Seite (S 121/I) ein - der Seite 7 des Formulars StPOForm Anordnung 15 entsprechender - Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz ebenfalls vom 28. Jänner 2008 angeschlossen; damit wird „die Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz" „aus den in der Anordnung angeführten Gründen bewilligt" und „die Durchführung bis zum 5. März 2008 befristet". Eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung ist ebenfalls angeführt.
Das Oberlandesgericht Graz gab mit Beschluss vom 19. März 2008, AZ 9 Bs 83/08m (ON 97), der Beschwerde des Bekim T***** gegen den die Anordnung bewilligenden Beschluss Folge, hob diesen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 28. Jänner 2008 auf. In seiner Begründung bejahte das Beschwerdegericht die Legitimation des Rechtsmittelwerbers Bekim T***** und vertrat, gestützt auf „Bertel-Venier, Strafprozessrecht Rz 170", die Ansicht, dass die als „Formularbeschluss" bezeichnete, bekämpfte Entscheidung den Formerfordernissen des § 86 Abs 1 StPO nicht genüge.
Dem Auftrag zur neuerlichen Entscheidung entsprach der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 25. März 2008 (ON 98). Zur Begründung dieser, die beantragte Anordnung neuerlich bewilligenden Entscheidung wurde im Wesentlichen der Wortlaut der Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 28. Jänner 2008 wiederholt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht steht - wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 105 Abs 1 StPO hat das Gericht über Anträge der Staatsanwaltschaft auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer, darunter auch der verfahrensgegenständlich in Rede stehenden Zwangsmittel zu entscheiden und für die Durchführung der bewilligten Maßnahme eine Frist zu setzen. Die Entscheidung des Gerichts ergeht gemäß § 35 Abs 2 StPO mit Beschluss, der Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat (§ 86 StPO).
Fallbezogen ist dem Wortlaut des beim Oberlandesgericht angefochtenen Beschlusses die Bewilligung der Anordnung der Staatsanwaltschaft, die Frist für die Durchführung der bewilligten Maßnahme, die Rechtsmittelbelehrung, aber auch zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Einzelrichter die Bewilligung auf jene Gründe stützte, die von der Staatsanwaltschaft zum Tatverdacht, zur Zulässigkeit, zur Begründetheit und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme angeführt wurden und die der Begründung ihrer Anordnung dienen. Der eindeutige Verweis auf die Begründung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung, der der Bewilligungsbeschluss überdies als Seite 5 der ON 26 unmittelbar angeschlossen ist, stellt methodisch nichts anderes dar als die - ebenfalls zulässige (13 Os 21/01) - Wiedergabe dieses Textes selbst. Der Verweis des Einzelrichters auf die Begründung der Anordnung bedeutet, dass sich der Einzelrichter diese zu Eigen macht und sich damit identifiziert (vgl Ratz, Der Tatverdacht im Grundrechtsbeschwerdeverfahren, JBl 2000, 536). Dass sich der Einzelrichter anlässlich der gegenständlichen Bewilligung nicht mit den von der Staatsanwaltschaft bejahten Voraussetzungen auseinandergesetzt hätte, kann auf Grund des Verweises nicht unterstellt werden; vom gänzlichen Fehlen einer Begründung kann somit nicht die Rede sein.
Da der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. Jänner 2008 (S 5 in ON 26; vgl S 3i verso in ON 1) den Anforderungen des § 86 StPO entspricht, war dessen Aufhebung durch das Oberlandesgericht Graz - verbunden mit dem Auftrag zur neuerlichen Entscheidung - verfehlt.
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