OGH 13Os21/01

OGH13Os21/016.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Juni 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Raimund G***** und andere Angeklagte wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, Abs 2 lit a und b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Raimund G*****, Brigitte L***** und Dr. Friedrich L***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 25. Oktober 2000, GZ 15 Vr 917/97-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

 

Spruch:

gefasst:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem noch einen rechtskräftig gewordenen Schuldspruch des Mitangeklagten Walter K***** enthaltenden Urteil wurden Raimund G***** und Brigitte L***** (sowie Walter K*****) der (ergänze: Finanz-)Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (A I) nach § 33 Abs 2 lit a (A II) und nach § 33 Abs 2 lit b (jeweils iVm Abs 3 lit a und b) FinStrG (A III) und Dr. Friedrich L***** (richtig:) der (ergänze: Finanz-)Vergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11, 33 Abs 1 sowie Abs 2 lit a und b (iVm Abs 3 lit a und b) FinStrG (B) schuldig erkannt.

Danach haben sie in St. Pölten

zu A) Raimund G***** und Brigitte L***** (sowie Walter K*****) als

Geschäftsführer der Firma Raimund G***** GesmbH, Detektei,

vorsätzlich

I) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-

und Wahrheitspflicht durch Vorlage fingierter Lohn- und

Reisekostenabrechnungen die Verkürzung nachstehender Abgaben bewirkt,

und zwar

Umsatzsteuer 1993 19.998,-- S

Umsatzsteuer 1994 35.269,-- S

Umsatzsteuer 1995 53.725,-- S

II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von den § 21 des

Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine

Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für den Zeitraum

Jänner bis Oktober 1996 in der Höhe von 61.209,-- S bewirkt und dies

nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten,

III) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von den § 76 des

Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten eine

Verkürzung nachstehender Abgaben bewirkt und dies nicht nur für

möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

1) Lohnsteuer von 1992 - 1996 2,191.746,-- S

2) Dienstgeberbeiträge zum

Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe

von 1992 - 1996 365.291,-- S

3) Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

1992 - 1996 39.264,-- S.

B) Dr. Friedrich L***** dadurch, dass er als Gesellschafter und Steuerberater sowie als mit der Buchhaltung und steuerlichen Vertretung der Firma Raimund G***** GesmbH Betraute vorsätzlich veranlasste, dass fingierte Lohn- und Reisekostenabrechnungen erstellt werden, die (auch) Grundlage der Berechnung der lohnabhängigen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge bildeten, zur Ausführung der im Punkt A) I) bis III) angeführten Tathandlungen des Raimund G***** und der Brigitte L***** (sowie Walter K*****) beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Raimund G*****, Brigitte L***** und Dr. Friedrich L***** gemeinsam ausgeführten, auf die Z 3, 4, 5, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die jedoch nicht berechtigt sind.

Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet eine Nichtigkeit nach § 152 Abs 1 Z 1 iVm Abs 5 zweiter Satz StPO im Hinblick auf den Zeugen Robert R*****. Dieser sei nämlich in der Hauptverhandlung, obwohl er im Vorverfahren Beschuldigter gewesen wäre, ohne Belehrung über das ihm zustehende Entschlagungsrecht und ohne ausdrücklichen Verzicht hierauf vernommen worden.

Die Rüge geht ins Leere: Ist die Selbstbezichtigung (hier: des Zeugen R*****) im Rahmen einer vor Gericht abgelegten Aussage - sei es als Zeuge oder als Beschuldigter (§ 38 Abs 3 StPO) - bereits geschehen, ist mit deren bloßer Wiederholung grundsätzlich keine Gefahr mehr verbunden, weil in seinem Verfahren ohnehin die Garantien der MRK eingehalten werden müssen (13 Os 109/00). Die Aussage dieses Zeugen erfolgte daher rechtens, desgleichen die gegen die Verwahrung des Angeklagten (die Protokollierung der einverständlichen Verlesung S 321 Mitte ist offenbar unrichtig: siehe S 312 iVm S 321 oben und US

21) vorgenommenen Verlesungen des Protokolls über die Vernehmung des (damaligen) Beschuldigten Robert R***** vor dem Untersuchungsrichter (ON 11), weil in der Hauptverhandlung auf dieses Protokoll Bezug genommen wurde (S 283 f), sowie der eidesstättigen Erklärung Robert R*****s, welche entgegen der Beschwerdemeinung kein Aussagensurrogat darstellt und daher nach § 252 Abs 2 StPO als Urkunde bzw Schriftstück anderer Art zu verlesen war (siehe Mayerhofer StPO4 § 252 E 103, 104).

Weiters moniert die Rüge zu den Aussagen ON 14 und ON 13 der Zeuginnen Gabriele B***** und Gerlinde H***** (die im Vorverfahren auf das ihnen vorgehaltene Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO verzichtet hatten), dass diese über das ihnen zustehende Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 StPO nicht belehrt worden wären und auf dieses Recht nicht ausdrücklich verzichtet hätten. Auch dieser Vorwurf geht ins Leere: Das Entschlagungsrecht der beruflichen Parteienvertreter nach § 152 Abs 1 Z 4 StPO und damit auch das der ihnen gemäß Abs 2 leg cit gleichgestellten Hilfskräfte und das Umgehungsverbot nach Abs 3 leg cit entfällt, wenn der berufliche Parteienvertreter bzw seine Hilfskräfte selbst an der Tat des Klienten teilgenommen haben. In einem solchen Fall hat sich nämlich der (andere) Beschuldigte nur formell einem Parteienvertreter oder dessen Hilfskräften anvertraut, sich in Wahrheit jedoch eines Komplizen bedient (13 Os 28/97).

Der weiteren Beschwerde nach Z 3 zuwider ist dem Hauptverhandlungsprotokoll einwandfrei zu entnehmen, dass die Schöffen in einem zuvor stattgefundenen Verfahren bereits beeidet wurden (S 234). Aus dem Umstand, dass das Verfahren nicht näher bezeichnet wurde, in dem die Beeidigung stattfand, kann eine Nichtigkeit nach Z 3 iVm § 240a StPO nicht abgeleitet werden. Auch die eine Verletzung des § 250 Abs 2 StPO behauptende, nur den Angeklagten Raimund G***** betreffende Rüge ist unbegründet. Nachdem dieser Angeklagte zur Hauptverhandlung am 10. Mai 2000 nicht erschienen war, wurde das Verfahren gegen ihn "wegen § 54 StPO" (gemeint: gemäß § 57 StPO) ausgeschieden (S 280). Die Beschwerde meint, dass in der "fortgesetzten" Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2000 das Verfahren gegen den zu diesem Termin erschienenen Angeklagten nicht wieder einbezogen und diesem auch nicht das in seiner Abwesenheit Vorgefallene bekanntgegeben worden wäre, sodass ein gemäß Z 3 nichtigkeitsbegründender Verstoß gegen § 250 StPO vorliege, weiters zufolge fehlender Wiedereinbeziehung auch die Nichtigkeitsgründe wegen Überschreitens der Anklage (Z 8) bzw Ausschlusses der Verfolgbarkeit der Tat aus prozessualen Gründen (Z 9 lit b).

Die Beschwerde übersieht, dass in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2000 das Verfahren gegen den Angeklagten G***** wieder einbezogen wurde (handschriftliche Ergänzung des Hauptverhandlungsprotokolles S 312) und einverständlich die bisherigen Verfahrensergebnisse vorgetragen wurden (S 312). Die Rügen gehen somit ins Leere.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Entscheidungsgründe als unvollständig erachtet, weil sie nicht angeben würden, weshalb das Gutachten des Sachverständigen Dkfm. Mag. M***** nicht überzeugend sei, übergeht sie die dazu ohnedies angeführten umfassenden Erwägungen (US 19). Auch mit den die Rolle des Robert R*****s (insbesondere auch in Bezug auf den Angeklagten Dr. Friedrich L*****) betreffenden Verfahrensergebnissen hat sich das Erstgericht der Beschwerde zuwider - entsprechend dem Gebot des § 270 Abs 5 StPO in gedrängter Darstellung - im Urteil hinlänglich und ohne Übergehen wesentlicher Beweisergebnisse befasst (US 11 f).

Mit der Gegenüberstellung von Konstatierungen zur Vereinbarung der Angeklagten über die Vorgangsweise zur Steuerhinterziehung (US 9), von Beweiserwägungen, wonach dahingestellt bleiben kann, welche Aufgaben die einzelnen Gesellschafter (Angeklagte) in der Folge im speziellen ausübten, zumal sie die große Linie beschlossen und wussten, dass diese dann in der Folge eingehalten und durchgeführt wurde (US 20), und von Unterschieden der Täterrolle der Angeklagten als Strafzumessungskriterien (US 22) wird kein innerer Widerspruch festgestellter entscheidungswesentlicher Tatsachen aufgezeigt. Dem Vorwurf einer Scheinbegründung (Z 5 zweiter Halbsatz) durch substanzlosen Gebrauch der verba legalia bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite ist zu entgegnen, dass einem Urteilsverfasser auch eine wörtliche Übernahme von ihm zutreffend erscheinenden Aktenteilen (so auch der Anklageschrift) nicht verwehrt und deshalb nicht Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist (wie auch nicht sinnentleerte offenkundige Schreibfehler, wie hier "Regresspost" anstatt "Reisekosten") und weiters, dass die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit zu verstehen sind, weshalb Einwendungen, die sich nur auf einzelne, isoliert betrachtete (und so fallweise sinnentstellende) Gesichtspunkte abstellen, kein Erfolg beschieden, und vom Gebrauch leerer Worthülsen zur subjektiven Tatseite in der Gesamtbetrachtung jedenfalls keine Rede sein kann.

Der Einwand der Aktenwidrigkeit von Feststellungen über den der Berechnung lohnabhängiger Abgaben zugrunde liegenden Stundenlohn und den Beginn dessen Geltung beruht auf einer Fehlauffassung dieses Nichtigkeitsgrundes: Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn in den Gründen der Inhalt einer Aussage bzw einer Urkunde unrichtig wiedergegeben wird, nicht jedoch, wenn - aus den vorliegenden Beweisergebnissen - und unter Beurteilung der Stichhaltigkeit der rechtskräftig ergangenen Bescheide - Schlüsse gezogen werden, die allenfalls mit einzelnen Verfahrensergebnissen nicht übereinstimmen. In Wahrheit versucht die Beschwerde hier nur einen prozessordnungswidrigen Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Ob schließlich die bereits genannte eidesstattliche Erklärung des Robert R***** "vor einem Notar" abgelegt wurde (US 12) oder, wie in der Beschwerde angeführt wird, lediglich die Unterschriftsbelaubigung beim Notar stattfand, ist nicht entscheidend.

Unzutreffend ist letztlich auch die Behauptung der Strafbemessungsrüge (Z 11), dass der vom Gericht zugrunde gelegte strafbestimmende Wertbetrag aus den Entscheidungsgründen nicht nachvollzogen werden könne (siehe Spruch sowie US 9, 21). Die gemäß § 35 Abs 2 StPO erstattete Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur, die einleitend das Entschlagungsrecht eines Zeugen als dessen Recht und nicht jenes des Angeklagten bezeichnet, übersieht, dass im vorliegenden Fall - wie ausgeführt - keinem der angesprochenen Zeugen ein Entschlagungsrecht zukam. Eine vor einem Notar abgelegte "eidesstättige" Erklärung wiederum ist keine in § 252 Abs 1 StPO genannte, sondern (soferne für die Sache von Bedeutung) eine Urkunde "anderer Art" nach § 252 Abs 2 StPO. Der Umstand, dass der Notar anlässlich der Abfassung der Urkunde in Ausübung amtlicher Hoheitsgewalt tätig war spricht nicht dagegen, sind doch in Abs 2 auch Straferkenntnisse genannt die zweifellos in "amtlicher Hoheitsgewalt" zustande gekommen sind.

Richtig ist, dass es nicht Aufgabe des Beschuldigten ist, auf die Beeidigung der Schöffen zu achten, die Behauptung aber diese seien - trotz gegenteiliger Beurkundung im ungerügten Hauptverhandlungsprotokoll - (in einem früheren Verfahren) nicht beeidet worden, hätte gar wohl entsprechender Hinweise bedurft. Wie der Oberste Gerichtshof bereits oben und im Übrigen wiederholt ausgesprochen hat (ua 13 Os 135/00), ist bei der Abfassung einer Entscheidung eine auch wörtliche Übernahme von zutreffend erscheinenden Aktenteilen nicht verwehrt, was naturgemäß auch für den Obersten Gerichtshof in Bezug auf das Croquis der Generalprokuratur gilt, so wie überhaupt eine wortgetreue Zitierung von auf den jeweiligen Fall zutreffender Judikatur oder Teilen der Literatur in Schriftsätzen keineswegs Prozessgesetzen widerspricht, sofern ein konkreter Bezug hergestellt wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen der Angeklagten das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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