OGH 13Os135/00

OGH13Os135/0029.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. November 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 iVm § 203 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. Juni 2000, GZ 22 Vr 985/99-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef R***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 iVm § 203 Abs 1 StGB (Urteilsfaktum 3.) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Urteilsfaktum 1.), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, teils Abs 2 StGB (Urteilsfakten 2. a bis c) sowie der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (Urteilsfaktum 4.) schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz

1. am 11. November 1998 in Graz seine damalige Lebensgefährtin Irmgard K***** durch gefährliche Drohung (es werde ihr etwas passieren, gemeint: eine Verletzung am Körper) zu einer Handlung genötigt, indem er zu ihr sagte, sie müsse gegenüber der Polizeibeamtin Alexandra K***** der Bundespolizeidirektion Graz bestätigen, dass er - der damals ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein, ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen lenkte - Karl R***** (somit sein Bruder) sei, sonst werde ihr etwas passieren;

2. in der Zeit von Mitte November bis 14. Dezember 1998 in Fürstenfeld seine damalige Lebensgefährtin Irmgard K***** durch nachangeführte Äußerungen gefährlich teils mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar durch die Äußerungen:

a) Ich werde dich krankenhausreif schlagen, wie ich das schon einmal bei einer Frau gemacht habe. Dieser habe ich die Backenknochen zerschlagen, sodass sie auf einem Auge blind geworden ist, ...

b) falls sie ihn vor Gericht und dann in das Gefängnis bringt, werde er sie entweder vorher oder falls das nicht mehr möglich sein sollte, hinterher in Graz abstechen, wenn er sie erwische, ...

c) er werde sie vergewaltigen lassen und dabei zusehen ...;

3. am 14. Dezember 1998 in Fürstenfeld seine damalige Lebensgefährtin Irmgard K***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr die Arme hinter den Kopf hielt, sich auf sie legte, ihr die Beine spreitzte und mit seinem Penis in die Scheide eindrang, und

4. ...

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche 1.-3. (S 8 der Rechtsmittelschrift) richtet sich die auf die Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde durch die Abweisung des auf eine Bestätigung des Arztes Dr. Manfred H***** vom 22. März 2000 (betreffend eine erektile Dysfunktion des Angeklagten) gestützten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Urologie zum Beweise dafür, dass der Angeklagte mangels Erektion nicht in der Lage gewesen sei, die angelastete Vergewaltigung zu begehen, keine Verteidigungsrechte verletzt. Der beantragte Beweis war nämlich - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte - im Hinblick auf den Tatzeitpunkt (14. Dezember 1998) von vornherein nicht geeignet, Zielführendes zur Lösung der Schuldfrage beizutragen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Eveline H*****, Renate J*****, Regina O***** und Hannes S***** richtet, die zum Beweise dafür geführt wurden, "dass die Zeugin K***** diesen gegenüber nie erwähnt habe, vergewaltigt worden zu sein" und dafür, "dass das seitens der Zeugin geschilderte Geschehen nicht stattgefunden habe und die Zeugin K***** die Unwahrheit sagte", sowie des Zeugen Dr. K***** zum Beweise dafür, "dass der Angeklagte Beruhigungsmittel nehme und die angeblich in der Früh stattgefundene Vergewaltigung nicht begangen habe" übersieht sie, dass sie hiezu nicht legitimiert ist. Diese Anträge wurden nämlich in der Hauptverhandlung vom 13. März 2000 gestellt und abgewiesen (ON 24), in der vom 2. Mai 2000 wegen geänderter Senatszusammensetzung gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung jedoch ebensowenig wiederholt wie in der am 5. Juni 2000 mit Urteil abgeschlossenen Verhandlung, in welcher gemäß § 276a "an die bisherigen Verhandlungsergebnisse der Hauptverhandlung vom 2. Mai 2000 angeknüpft" und "Bezug genommen" wurde, wobei "durch die Verfahrensbeteiligten auf das jeweilige bisherige Vorbringen und die Beweisanträge verwiesen wurde" (ON 30, S 385), womit jedoch eine formell erneute Antragstellung unterblieb. Dies wäre jedoch für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlich (Mayerhofer StPO4 § 276a E 5, 6). Im Übrigen waren die Beweisanträge nach ihrem Thema teils zur Erbringung des angestrebten (Negativ)Beweises nicht geeignet, teils zur bloßen Erkundung unzulässig und wurden vom Erstgericht mit durchaus zutreffender Begründung abgewiesen.

Der Mängelrüge (Z 5) ist vorweg zu entgegnen, dass einem Urteilsverfasser auch eine wörtliche Übernahme von ihm zutreffend erscheinenden Aktenteilen nicht verwehrt und deshalb nicht Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist, wie überhaupt die Beschwerdeausführungen sich auf entscheidende - also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende - Umstände beziehen müssen. Zudem sind die Beweismittel auch in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen (§ 258 Abs 2 StPO), weshalb Einwendungen, die nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen, kein Erfolg beschieden sein kann. Es ist nämlich kein Begründungsmangel, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt (EvBl 1972/17). Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dass aus den (formell einwandfrei) ermittelten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die den Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, ist ein Ausfluss der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), die mit der Mängelrüge unbekämpfbar ist.

Wenn daher die Beschwerde in extenso zu Angaben der Zeuginnen K***** und F***** über unerhebliche (Einzelheiten, - insbesondere zu detailliert dokumentierten Anzeigen in Verbindung mit den Vorgängen vor dem Familienrichter Dr. R***** - auf welche die Tatrichter ohnedies ausführlich und auch besonders kritisch (siehe insbesondere US 18) eingegangen sind - eigene Beweiserwägungen anstellt und spekulativ argumentierend auf eine mangelnde Täterschaft des Angeklagten schließt, zeigt sie keine "Widersprüchlichkeiten", "denkunmögliche Schlüsse" oder "sich ausschließende Feststellungen" durch das Erstgericht und demnach auch keine solchen formalen Begründungsmängel auf, sondern trachtet nur nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a), die neuerlich die Chronologie der Angaben der Zeugin K***** gegenüber Gendarmeriebeamten ins Treffen führt, wendet sich einmal mehr bloß selbst beweiswürdigend gegen die tatrichterlichen Erwägungen, zeigt jedoch keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden wesentlichen Konstatierungen auf.

Die Rechtsrüge (Z 9a) entbehrt einer prozessordnungsgemäßen Ausführung, weil sie (unter Hinweis auf das Milieu des Angeklagten) die Ernstlichkeit der Drohungen in Zweifel zieht und sich derart nicht an den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hiezu (US 8, 9; 12) orientiert, somit das Gebot des unabdingbaren Festhaltens am gesamten Urteilssachverhalt außer Acht lässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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