European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00178.24P.1218.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der Kläger schloss, beginnend mit 15. 2. 2023, mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag, bestehend aus einem KFZ-Haftpflichtversicherungsvertrag und einem Kaskoversicherungsvertrag ab. Er begehrt aufgrund eines am 4. 4. 2023 eingetretenen Totalschadens am Fahrzeug Versicherungsleistungen aus dem Kaskoversicherungsvertrag. Die Beklagte hält dem Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Erstprämie entgegen.
[2] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 2.1 Der Versicherer ist gemäß § 38 Abs 2 VersVG leistungsfrei, wenn 14 Tage nach der Aufforderung zur Prämienzahlung die erste Prämie zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt ist, es sei denn, der Versicherungsnehmer kann beweisen, dass ihn an der nicht rechtzeitigen Zahlung kein Verschulden trifft (RS0114043 [T1]; RS0080486). Als weitere Voraussetzung normiert Abs 3 leg cit, dass die Aufforderung zur Prämienzahlung einen entsprechenden Hinweis auf diese Rechtsfolgen enthalten muss. Ob der Versicherer im Sinn des § 38 Abs 3 VersVG ausreichend deutlich auf die in Abs 2 leg cit vorgesehenen Rechtsfolgen hingewiesen hat oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0114043 [T5]), damit einer generalisierenden Beurteilung entzogen und würde nur dann einen tauglichen Zulassungsgrund darstellen, wenn dem Berufungsgericht dabei eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
[4] 2.2 Haben die Parteien bezüglich der Prämie ein Lastschriftverfahren – wie hier – vereinbart, so soll der Versicherer das Geld vom Bankkonto des Versicherungsnehmers abrufen, wodurch die Prämienschuld in einvernehmlicher Abänderung des § 36 VersVG zu einer Holschuld wird. In diesem Fall hat der Versicherungsnehmer das seinerseits erforderliche getan, wenn er den Geldbetrag zur Abholung bereit hält bzw zum Fälligkeitstermin der geschuldete Betrag vom Konto des Versicherungsnehmers abgebucht werden kann, sodass der Versicherungsnehmer für entsprechende Deckung durch ein Guthaben oder für eine Kreditzusage der Bank sorgen muss. Da der Gesetzeswortlaut des § 38 Abs 3 VersVG keine entsprechende Ausnahme vorsieht, gelangt § 38 VersVG auch dann zur Anwendung, wenn die Parteien eine Lastschriftvereinbarung getroffen haben. Die Warnfunktion, die der geforderte Rechtsfolgenhinweis für den Versicherungsnehmer erfüllt, greift schließlich auch im Fall einer Lastschriftvereinbarung (7 Ob 83/19k).
[5] 3.1 Die Beklagte übermittelte dem Kläger am 8. 3. 2023 gemeinsam mit der Polizze ein gesondertes Schreiben mit einer Prämienvorschreibung, aufgeschlüsselt in Erstprämie (15. 2. 2023 bis 28. 2. 2023) und Nachtragsprämie für März 2023, das einen dem Gesetzeswortlaut des § 38 Abs 2 VersVG entsprechenden Hinweis enthielt.
[6] 3.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Belehrung erfülle im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 38 Abs 3 VersVG und die damit geforderte Warnfunktion ist nicht zu beanstanden: Das nur eineinhalbseitige Schreiben enthält – außer einen allgemeinen Dank für den Abschluss des Versicherungsvertrags – ausschließlich Informationen zu der geforderten Erst‑ und Nachtragsprämie. Es ist mittels Absätzen übersichtlich gegliedert und der nach § 38 Abs 3 VersVG geforderte Hinweis ist – auch ohne drucktechnische Hervorhebung – leicht erkennbar bereits auf der Vorderseite platziert.
[7] 3.2 Der vom Kläger herangezogenen Entscheidung 7 Ob 105/03x lag ein Aufforderungsschreiben zugrunde, das – auf der Rückseite – durch Fettdruck hervorgehoben den dem Gesetzestext entsprechenden Hinweis enthielt. Entgegen der Ansicht des Klägers erachtete der Oberste Gerichtshof eine drucktechnische Hervorhebung aber nicht als unbedingt erforderlich. Vielmehrbeurteilte er lediglich die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, dass in diesem Fall die Voraussetzungen des § 38 Abs 2 VersVG erfüllt seien – unter ausdrücklichem Hinweis auf die Einzelfallbezogenheit der Frage – als nicht korrekturbedürftig.
[8] Der Hinweis des Klägers auf die deutsche Judikatur, insbesondere auf die Entscheidung des BGH V ZR 197/11 (richtig IV ZR 197/11) ist schon deshalb nicht zielführend, weil sich diese auf eine Belehrung nach § 28 Abs 4 VVG (Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit) bezieht. Aber selbst § 37 Abs 2 VVG, der die Rechtsfolgen des Zahlungsverzugs mit der Erstprämie regelt, enthält – anders als § 38 Abs 3 VersVG – ausdrücklich besondere Formerfordernisse (eine gesonderte Mitteilung in Textform oder einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein).
[9] 3.3 Das Schreiben der Beklagten weist explizit darauf hin, dass der offene Betrag in den nächsten Tagen vom angeführten Konto abgebucht wird. Gleichzeitig wird ersucht, für eine ausreichende Dotierung zu sorgen und der Einzug der Forderung mit der SEPA‑Lastschrift frühestens für den 21. 3. 2023 angekündigt.
[10] Dass ein – mangels Deckung des Kontos – erfolgloser Abbuchungsversuch einer Nichtzahlung gleich kommt und damit dieselbenRechtsfolgen auszulösen vermag, bedarf keines gesonderten Hinweises.
[11] 3.4 Entgegen der Ansicht des Klägers folgt bereits aus der dem Gesetz entsprechenden Belehrung, dass die Beklagte nur dann leistungsfrei wird, wenn die Erstprämie nach Fälligkeit zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls verschuldet nicht bezahlt ist, dass dies nicht bei unverschuldeter Versäumung der Zahlfrist gilt; eines zusätzlichen Hinweises braucht es auch hier nicht.
[12] 4.1 Die Abgrenzung des versicherten Risikos obliegt mangels gesetzlicher Bestimmungen der Parteienvereinbarung. Auch über die Zusammenfassung mehrerer versicherter Gefahren bestehen keine gesetzlichen Regelungen. Nach herrschender Meinung ist zwischen einer kombinierten Versicherung und einer sogenannten Bündelversicherung zu unterscheiden. Während bei der kombinierten Versicherung die versicherten Gefahren durch einen einzigen Vertrag erfasst werden (Beispiel: etwa die Haushaltsversicherung), spricht man von einer Bündelversicherung, wenn für die einzelnen Gefahren getrennte Verträge bestehen, die jedoch als einziges „Versicherungsprodukt“ angeboten werden und für die in der Regel auch nur ein Versicherungsschein errichtet wird. Auch für eine Bündelversicherung bestehen im Versicherungsvertragsgesetz keine besonderen Regelungen. Aus dem Umstand, dass sie mehrere Verträge zusammenfasst, ergibt sich, dass – mangels besonderer Verabredung – jeder einzelne Vertrag auch ein selbständiges rechtliches Schicksal haben kann (7 Ob 264/07k). Ob einzelne, gebündelte Versicherungen ein getrenntes rechtliches Schicksal haben, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung im Einzelfall ab (RS0042850).
[13] 4.2 Hier wurde ein KFZ-Haftpflichtversicherungsvertrag und ein Kaskoversicherungsvertrag zu einem Versicherungsprodukt zusammengefasst.
[14] Behauptungen dazu, dass diese im Versicherungsschein genannten Versicherungsverträge nach der konkreten Vertragsgestaltung ein selbständiges rechtliches Schicksal hätten, Einzelprämien vereinbart seien oder die Einziehungsermächtigung sich nicht auf die – im Versicherungsschein tatsächlich ausgewiesene – Gesamtprämie bezogen habe, wurden nicht aufgestellt.
[15] Da davon ausgehend schon keine entsprechende Verpflichtung der Beklagten aufzeigt wird, bestand auch keine Veranlassung für die vom Kläger geforderte Aufschlüsselung der Prämie nach Sparten im Aufforderungsschreiben und/oder einer getrennten Ausübung des Lastschriftmandats. Der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des BGH VIa ZR 91/93 lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.
[16] 5.1 Nach Ansicht des Klägers sei die Leistungsfreiheit der Beklagten aufgrund der Anwendung des § 39a VersVG ausgeschlossen, er sei nicht mit mehr als 10 % der Jahresprämie bzw 60 EUR in Verzug gewesen. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen, ob die Bagatellgrenze für jedes Versicherungsprodukt einzeln zu berechnen und ob die vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Steuern zu berücksichtigen seien, müssen nicht geklärt werden.
5.2 Soweit der Kläger mit dem vom Erstgericht dargelegten monatlichen Anteil der Kaskoversicherung argumentiert, übergeht er nämlich, dass das Erstgericht diesen Betrag ausdrücklich als Nettobetrag (nach Abzug der Versicherungssteuer und der motorbezogenen Versicherungssteuer) verstand. Wenn er dagegen nun von einem Bruttobetragausgeht und davon die Steuern (nochmals) abzieht, um so die fehlende Überschreitung der Bagatellgrenze zu begründen, so tragen die Sachverhaltsfeststellungen dies nicht.
[17] 6.1 Die Beurteilung des Verschuldensgrades wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn das Berufungsgericht gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien verstoßen hat, ihm also eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlief (RS0042405 [T12, T14]).
[18] 6.2 Der Schuldner ist – wie erwähnt – bei einer Lastschriftvereinbarung verpflichtet, seinen Kontostand jederzeit so hoch zu halten, dass eine Einlösung der jeweils gegen ihn bestehenden Forderungen, die vom Lastschriftverfahren erfasst werden, möglich ist (1 Ob 204/17g).
[19] 6.3 Der Kläger nennt selbst in der Revision keine Umstände, aus denen auf sein fehlendes Verschulden an der fehlenden Dotierung des Kontos und damit der Erfolglosigkeit des von der Beklagten konkret angekündigten Abbuchungsversuchs geschlossen werden könnte.
[20] 7. Der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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