OGH 5Ob204/24x

OGH5Ob204/24x18.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin I*, vertreten durch Mag. Martin Rützler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die Antragsgegner 1. B*, vertreten durch Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwalt in Dornbirn, 2. D*, 3. B*, 4. D*, 5. D*, 6. W*, 7. Z* GmbH, *, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 24. September 2024, GZ 2 R 203/24d‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00204.24X.1218.001

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft mit der darauf errichteten Wohnhausanlage.

[2] Das Erstgericht wies das Begehren der Antragstellerin auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Erstantragsgegners zur Änderung ihres Wohnungseigentumsobjekts durch Anbringung einer Balkonverglasung ab.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Der Oberste Gerichtshof hatte sich schon mehrmals mit der Frage der Zulässigkeit von Balkon‑ oder Loggienverglasungen sowohl unter dem Aspekt des Versagungsgrundes der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes eines Hauses als auch unter dem der Verkehrsüblichkeit und des wichtigen Interesses des Änderungswilligen zu befassen (vgl 5 Ob 47/06g; 5 Ob 109/06z; 5 Ob 70/11x je mwN). Die Zulässigkeit einer solchen Änderung lässt sich demnach grundsätzlich weder bejahen noch verneinen; letztlich kommt es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RS0109643). Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt; solange dieser nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0109643 [T10, T11, T12]). Eine allenfalls im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

[6] 2. Soweit die Revisionsrekurswerberin mit der Revisibilität der Auslegung von Urkunden argumentiert und auf eine andere Wertung der auf den vorgelegten Lichtbildern ersichtlichen Balkonverglasungen im Hinblick auf die Verkehrsüblichkeit ihrer Verglasung abzielt, übersieht sie, dass Lichtbilder nur dann Urkunden sein könnten, wenn sie schriftliche Aufzeichnungen festhalten. Sonst sind sie Augenscheinsgegenstände, die keinen Gedankeninhalt vermitteln, sondern bloß die äußere Erscheinung von Personen oder Sachen darstellen (RS0110197). Mit ihrer Argumentation versucht sie vielmehr, die Feststellungen des Erstgerichts, aus denen dieses rechtlich die mangelnde Verkehrsüblichkeit der angestrebten Änderung ableitete, in Zweifel zu ziehen. Auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof aber nicht Tatsacheninstanz (RS0069246 [T4]).

[7] 3. Den im Rekursverfahren behaupteten Verfahrensmangel, der darin liegen soll, dass das Erstgericht von der Antragstellerin angebotene Zeugen nicht vernommen hatte, hat das Rekursgericht verneint; dies kann – auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren – nicht mehr mit Erfolg an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0050037 [T12]).

[8] 4. In der Entscheidung zu 5 Ob 109/06z erkannte der Fachsenat in der von den Vorinstanzen dort übereinstimmend bewilligten Änderung durch die Verglasung des Balkons keine im Einzelfall aufzugreifende Ermessensüberschreitung und begründete dies einerseits damit, dass nach den dortigen Feststellungen die Errichtung von Balkonaufbauten einer in der betreffenden Wohngegend geübten Praxis und Übung des Verkehrs entsprach und andererseits auch einem wichtigen Interesse der Wohnungseigentümer diente, weil der Balkon der Wetterseite zugewandt war. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist aber nicht vergleichbar.

[9] 5. Nach den vom Erstgericht aufgrund eines Ortsaugenscheins getroffenen Feststellungen befinden sich im unmittelbaren Nahebereich der hier zu beurteilenden Wohnhausanlage größtenteils Einfamilienhäuser und teilweise Wohnanlagen mit vereinzelten Balkonverglasungen, wobei diese in der näheren Umgebung und in diesem Stadtteil von Dornbirn nicht allgemein üblich sind. Bei der Übung des Verkehrs ist auf objektive Umstände abzustellen (RS0069695 [T1]), wobei es nicht auf die begehrte Ausstattung des Objekts im Allgemeinen ankommt, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung ihrer geplanten Ausgestaltung als solche verkehrsüblich ist; abzustellen ist auf die Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines konkreten Umfelds (5 Ob 169/18s mwN; 5 Ob 44/20m). Da auch die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0118891), ist die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, aufgrund dieser vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei im konkreten Einzelfall nicht von einer Verkehrsüblichkeit der von der Antragstellerin angestrebten Komplettverglasung ihres Balkons auszugehen, nicht korrekturbedürftig.

[10] 6. Bei der Beurteilung des wichtigen Interesses der Antragstellerin im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG stand den Vorinstanzen ein weiter Wertungs‑ und Ermessensspielraum zu. Auch dies ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, die keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (vgl RS0083309 [T16]). Die Vorinstanzen verwiesen zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Fachsenats, dass ein wichtiges Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG über dasjenige an einer Steigerung des Wohn‑ und/oder Verkehrswerts des betreffenden Objekts hinausgehen muss (RS0083341 [T4]). Abzustellen ist insbesondere darauf, ob die fragliche Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (5 Ob 70/11x [Balkonverglasung, wichtiges Interesse verneint]). Die Beurteilung, der südseitig gelegene überdachte Balkon sei (im Gegensatz zu demjenigen der Entscheidung 5 Ob 109/06z) nicht der Wetterseite zugewandt und ermögliche auch ohne Verglasung eine dem üblichen Standard entsprechende Nutzung der 68 m² großen Wohnung der Antragstellerin und des überdachten Balkons selbst, entspricht diesen Judikaturgrundsätzen und ist keine im Einzelfall aufzugreifende Überschreitung des den Vorinstanzen eingeräumten Ermessensspielraums.

[11] 7. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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