European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00136.24Z.1015.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
1. Aus Anlass des Revisionsrekurses werden der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos aufgehoben und der Rekurs – soweit er sich gegen die Zurückweisung der Erbantrittserklärungen richtet – zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Sowohl Vor- als auch Nacherbe sind Erben des Erblassers. Der Nacherbe ist daher Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben (RS0012564). Bei Eintritt des Nacherbfalls verliert der Vorerbe seine Erbenstellung ipso iure und die Nacherbschaft wird vom Nacherben im Rahmen eines fortzusetzenden Verlassenschaftsverfahrens nach dem Erblasser kraft Einantwortung erworben (RS0012564 [T2]).
[2] 2. Als Erbe des (Erst-)Verstorbenen ist der Nacherbe in dessen Verlassenschaftsverfahren Partei. Das Verlassenschaftsgericht muss ihn von der Nacherbschaft verständigen und ihm den Einantwortungsbeschluss zustellen (2 Ob 165/20h). Über das Substitutionsvermögen muss ein Inventar aufgenommen werden (§ 165 Abs 1 Z 4 AußStrG). Die Beschränkung der Rechte des Vorerben durch die Nacherbschaft ist im Einantwortungsbeschluss anzumerken. Wird an den Vorerben ohne Beschränkung durch die Nacherbschaft eingeantwortet, kann der Nacherbe den Einantwortungsbeschluss bekämpfen (RS0133655 = 2 Ob 165/20h).
[3] 3. Der Nacherbe kann die Erbantrittserklärung zwar schon im ersten Verlassenschaftsverfahren vor dem Nacherbfall abgeben (RS0007905; 3 Ob 567/50 = RS0007939), er muss das aber nicht, vielmehr hat er auch ohne Erbantrittserklärung Parteistellung (RS0133655). Mit der Zurückweisung der Erbantrittserklärung hat das Erstgericht ausdrücklich nicht über die Nacherbschaft als solche abgesprochen, sondern den Nacherben für seine Erbantrittserklärung auf einen späteren Zeitpunkt – nach dem Nacherbfall – verwiesen.
[4] 3.1. Festzuhalten ist, dass das Erstgericht aufgrund der Bestreitung des Vorliegens einer Nacherbschaft ein Verfassen nach § 161 AußStrG analog (vgl 2 Ob 165/20h Rz 24) einzuleiten haben wird.
[5] 4. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist die formelle und materielle Beschwer des Rechtsmittelwerbers (RS0043815 [T41]). Die formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von einem Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht; die materielle Beschwer, wenn die Entscheidung für ihn ungünstig ist, also seine (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung beeinträchtigt (RS0041868). Hier widerspricht zwar die angefochtene Entscheidung dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag, was ihn formell beschwert. Wenn die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung aber nicht beeinträchtigt wird, ist sein Rechtsmittel dennoch zurückzuweisen (RS0041868 [T14, T15]). Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (noch) beschwert ist (RS0041868 [T23]). Inwieweit die Einschreiter – vor dem Hintergrund der ihnen im Verlassenschaftsverfahren als Nacherben ohnehin zukommenden oben dargestellten Parteirechte – durch die (im Ergebnis vorläufige) Zurückweisung ihrer Erbantrittserklärung materiell beschwert wären, zeigen sie in ihrem Rechtsmittel nicht auf.
[6] 5. Bereits das Rekursgericht hätte daher das unzulässige Rechtsmittel zurückweisen müssen (§ 54 Abs 1 Z 1 AußStrG). Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RS0115201 [T4, T6]). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern, wie aus § 54 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG herzuleiten ist, auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren zu treffende Entscheidung (RS0043969 [T6]; 7 Ob 143/15b mwN).
[7] 6. Aus Anlass des Revisionsrekurses war daher die Entscheidung des Rekursgerichts ersatzlos aufzuheben und der Rekurs zurückzuweisen. Ein Kostenersatz findet nicht statt (§ 185 AußStrG).
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