European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00061.24Y.0905.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch C./III./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) des * B* sowie im Einziehungserkenntnis betreffend den Reisepass dieses Angeklagten aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte B* mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sich diese auf den Schuldspruch C./III./ und den Strafausspruch bezieht, und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Dem Angeklagten B* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, wurde * B* mit dem angefochtenen Urteil des Vergehens des schweren, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB (A./I./), des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 „Z 1 und 2“, Abs 4 StGB (A./II./), jeweils „eines Vergehens“ des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (C./I./) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (C./II./) und des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (C./III./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in T* und an anderen Orten
A./ in einverständlichem Zusammenwirken mit weiteren im Urteil genannten Personen
I./ Gewahrsamsträgern des R* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, nämlich die im Urteil zu 1./ und 2./ bezeichneten Wohnmobile weggenommen, indem er diese Transportmittel zwischen 17. und 20. Jänner 2023 (1./) und zwischen 3. und 6. Februar 2023 (2./) mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln in Betrieb setzte;
II./ nach den zu A./I./1./ und 2./ beschriebenen Handlungen die wahre Natur und Herkunft von Vermögensbestandteilen (zu ergänzen – US 10: in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert), die aus kriminellen Tätigkeiten (§ 165 Abs 5 StGB) herrühren, verheimlicht und verschleiert, indem er an den beiden (zu A./I./ genannten) Fahrzeugen jeweils falsche deutsche Kennzeichen und Prüfplaketten anbrachte und die Fahrzeuge mit gefälschten Fahrzeugscheinen (originale Blankodokumente) zum Verkauf anbot;
C/.I./ ab Februar 2022 bis zum 10. Februar 2023 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain (Wirkstoff: Cocain), gewerbsmäßig in einer Vielzahl von Angriffen an * Ö* überlassen;
C./II./ im Zeitraum 2022 bis zum 9. November 2023 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain (Wirkstoff: Cocain) und Cannabiskraut (Wirkstoff: Delta‑9‑THC und THCA) erworben und bis zum Konsum besessen, wobei er die Tat zum ausschließlich persönlichen Gebrauch beging;
C./III./ von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zur Sicherstellung des Reisepasses im Jänner 2024 eine verfälschte besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, besessen, indem er eine verfälschte ausländische öffentliche Urkunde, die gemäß § 2 Abs 4 Z 4 FPG inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich seinen durch mehrere gefälschte Grenzstempel verfälschten Reisepass, zur jederzeitigen Verwendung verwahrte und mit sich führte und auch bei diversen Kontrollen im Ausland vorwies.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*.
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – der Auffassung der Generalprokuratur folgend – zunächst davon, dass dem Schuldspruch C./III./ nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[5] Dazu stellte das Erstgericht im Wesentlichen fest, dass der Angeklagte B* vier ungarische Reisestempel in seinem montenegrinischen Reisepass verfälschte, um so bei einer Kontrolle den Anschein zu erwecken, er sei über Ungarn aus Österreich ausgereist. In subjektiver Hinsicht konstatierte das Schöffengericht, dass der Angeklagte wusste, dass es sich bei seinem Reisepass um eine öffentliche, besonders geschützte Urkunde handelt. Er wusste, dass er diesen nicht eigenmächtig verändern, damit unrichtig machen darf, wollte das aber und besaß den Reisepass weiter, um ihn im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen Ausreise aus Österreich nach Ablauf seiner Aufenthaltsdauer vorzuweisen und zu gebrauchen (US 4 iVm US 15).
[6] Solcherart bezogen sich die Manipulationen des Angeklagten nicht auf den Reisepass, sondern auf die darin angebrachten Reisestampiglien, die einer selbständigen strafrechtlichen Betrachtung unterliegen. Allein der Umstand, dass derartige Vermerke Dritter auf einem Urkundenträger angebracht werden, der (wie hier) selbst § 224 StGB unterfällt, macht diese selbst noch nicht zu öffentlichen Urkunden (vgl zum Ganzen 15 Os 160/12m; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 91 ff, 130 und § 224 Rz 33; aM 11 Os 11/80 mit zutr krit Anm Kienapfel, JBl 1983, 105 ff).
[7] Eine Subsumtion nach § 223 Abs 1 StGB lässt der Urteilssachverhalt mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Urkundenqualität der in Rede stehenden Reisestempel nicht zu (vgl im Übrigen zu ausländischen öffentlichen Urkunden unter dem Gesichtspunkt des § 224 StGB Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224 Rz 38).
[8] Urteilsaufhebung wie im Spruch ersichtlich ist die Folge, womit sich ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf den Schuldspruch C./III./ und den Strafausspruch bezieht, erübrigt.
[9] Im Übrigen schlägt die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch fehl.
[10] Betreffend die Schuldsprüche A./ moniert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), dass das Erstgericht entgegen § 258 Abs 1 StPO die in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Aussage des * A* berücksichtigt habe. Diese Argumentation trifft nicht zu. Denn der Schöffensenat bezog sich gar nicht auf die genannte Beweisperson, sondern auf die (insoweit verlesenen; vgl ON 252.5 S 46) Angaben des * Ö* im Parallelverfahren AZ 314 Hv 68/23z des Landesgerichts Korneuburg, mit denen dieser die von seinem damaligen Mitangeklagten A* getätigten (den Beschwerdeführer belastenden) Depositionen pauschal bestätigte (US 16 iVm ON 126 S 30) und solcherart zu seiner eigenen Aussage erhob. Bleibt anzumerken, dass sich der Beschwerdeeinwand, eine (hier ohnedies nicht vorliegende) mittelbare Berücksichtigung von (in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenen) Angaben anderer Personen sei stets unzulässig, in einer bloßen Behauptung erschöpft (vgl etwa zur Zulässigkeit von Zeugen vom Hörensagen RIS‑Justiz RS0053564; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 2.195).
[11] Die zum Schuldspruch C./I./ geltend gemachte Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall, nominell auch Z 10) liegt nicht vor, weil sich die kritisierte, zur Gewerbsmäßigkeitsvoraussetzung des § 70 Abs 2 StGB getroffene Urteilsannahme, wonach sich der Angeklagte eine fortlaufende Einnahme von „zumindest 400 Euro“ monatlich verschaffen wollte, bei Gesamtbetrachtung des Urteilssachverhalts ohne weiteres dahin klarstellen lässt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.127), dass damit ein diese Grenze übersteigender Betrag gemeint war (vgl US 14, 28: „mehr als EUR 400/Monat“).
[12] In diesem Umfang war die Nichtigkeits‑beschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[13] Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO auf folgende, sich jedoch nicht zum Nachteil der Angeklagten auswirkende Subsumtionsfehler hinzuweisen:
Soweit hier relevant enthalten die Tathandlungen der Geldwäscherei innerhalb der Z 1 und Z 2 des § 165 Abs 1 StGB jeweils rechtlich gleichwertige Begehungsweisen und statuieren damit jeweils ein alternatives Mischdelikt. Anderes gilt aber (auch [idgF] BGBl I 2021/159) im Verhältnis der Z 1 und Z 2 des Abs 1 leg cit zueinander: Da damit (weiterhin) Begehungsformen von unterschiedlichem Sinn- und Wertgehalt normiert werden, sind sie als kumulatives Mischdelikt aufzufassen. Sie begründen demnach verschiedene strafbare Handlungen, die miteinander echt (hier:) idealkonkurrieren und demnach deswegen auch nicht – wie hier zu A./II./ – nach § 29 StGB zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen sind (vgl RIS‑Justiz RS0129615 [T1, T2, T3, T5]).
‑ Zu C./II./ wäre rechtsrichtig von mehreren Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG auszugehen gewesen.
‑ Gleiches gilt für den Schuldspruch C./I./. Das hier offenbar herangezogene Gewerbsmäßigkeitskriterium nach § 70 Abs 1 Z 3 StGB (vgl US 4, 14: „Vielzahl von Angriffen“) kann aber erst ab der dritten Tat vorliegen. Zutreffend hätte der Angeklagte daher wegen zweier Vergehen des Suchtgifthandels nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und mehrerer solcher, im Sinn des § 27 Abs 3 SMG qualifizierter Vergehen schuldig erkannt werden müssen (vgl RIS‑Justiz RS0130966 [T3]).
[14] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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