Spruch:
Die Beschlüsse des Landesgerichts Krems an der Donau vom 9. August 2011, AZ 34 Bl 17/11v, und vom 1. März 2012, AZ 34 Bl 49/11z, verletzen § 195 Abs 1 erster Halbsatz StPO iVm § 57 Abs 2 und Abs 3 vierter Fall StGB.
Die Beschlüsse werden aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Die Anträge des Martin H***** und der Sabine H***** vom 1. April 2011 und vom 25. Oktober 2011 auf Fortführung des Verfahrens gegen Dr. Klaus W***** wegen § 223 Abs 2 StGB werden abgewiesen.
Martin H***** und Sabine H***** haben zur ungeteilten Hand einen Pauschalkostenbeitrag von insgesamt 180 Euro zu bezahlen.
Text
Gründe:
Bei der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau war gegen den Notar Dr. Klaus W***** seit 16. Dezember 2010 ein Ermittlungsverfahren wegen § 223 StGB anhängig. Der Genannte stand in Verdacht, den zwischen Gerd J***** einerseits und Martin H***** und Sabine H***** (vormals M*****) andererseits am 10. Oktober 2007 (nicht in Form eines Notariatsakts) geschlossenen Kaufvertrag (ON 14 S 11 - 25), hinsichtlich dessen der Beschuldigte lediglich die Echtheit der Unterschriften gemäß § 79 NO beglaubigte (ON 14 S 27), mit dem Vorsatz, dass diese (Privat-)Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, durch nachträgliche Beifügung eines Punkts 6./e./ inhaltlich verfälscht und durch Vorlage mit am 8. Februar 2008 beim Magistrat der Stadt Krems an der Donau eingelangten Schreiben vom 6. Februar 2008 gebraucht zu haben (ON 11 S 9; ON 6 S 797 ff). Der Verdacht der Verfälschung einer besonders geschützten öffentlichen Urkunde im Sinn des § 224 StGB stand nicht im Raum (vgl Kienapfel/Schroll in WK2 § 223 Rz 196 f und § 224 Rz 33).
Mit Anordnung vom 16. Dezember 2010 ersuchte die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau (ON 12) um Vernehmung Dris. W*****s als Beschuldigten zum Verdacht des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 StGB. Diese Vernehmung erfolgte am 30. Dezember 2010 und am 20. Jänner 2011 (ON 14 S 5 ff und S 31 ff).
Am 25. Februar 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau das Verfahren gegen Dr. W***** gemäß § 190 Z 2 StPO ein (AB-Bogen S 2). Der über Verlangen der Privatbeteiligten Martin und Sabine H***** (ON 24) seitens der Staatsanwaltschaft an deren Rechtsvertreter zugestellten (ON 26 S 53) schriftlichen Begründung (ON 25) ist zu entnehmen, dass die Einstellung erfolgte, weil keine Hinweise auf eine Manipulation der Vertragsurkunde feststellbar waren (ON 27).
Am 4. April 2011 langte ein Fortführungsantrag der Privatbeteiligten Martin und Sabine H***** vom 1. April 2011 (ON 26) bei der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau ein.
Mit Beschluss vom 9. August 2011, AZ 34 Bl 17/11v, gab das Landesgericht Krems an der Donau diesem statt und sprach aus, dass das Ermittlungsverfahren gegen Dr. W***** wegen § 223 Abs 2 StGB fortzuführen sei. Dabei traf es zwar Feststellungen zur Tatzeit und zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (ON 28 S 2 f), nicht jedoch zum Zeitpunkt der Anordnung der Vernehmung des Beschuldigten.
Aufgrund dieses Beschlusses ordnete die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau (nunmehr zu AZ 62 BAZ 398/11k) am 16. September 2011 die Fortführung des Verfahrens gegen Dr. W***** wegen § 223 Abs 2 StGB an (ON 30 und 31), stellte es jedoch am 3. Oktober 2011 wegen eingetretener Verjährung gemäß § 190 Z 1 StPO ein (ON 1 S 2, ON 33).
Einem weiteren Fortführungsantrag des Martin und der Sabine H***** (ON 32) gab das Landesgericht Krems an der Donau mit Beschluss vom 1. März 2012, AZ 34 Bl 49/11z (ON 36 im Ermittlungsakt) mit der Begründung statt, dass Zeiten der Überprüfung einer Einstellungserklärung eine (weitere) Hemmung der Verjährung bewirken würden (ON 36 S 3 f).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, stehen die genannten Beschlüsse mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 195 Abs 1 StPO kann das Gericht die Fortführung eines nach §§ 190 bis 192 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft auf Antrag des Opfers (bei Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 leg cit) anordnen, solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist. Ist die Verjährung durch ein im Verfahren vorgekommenes Sachverhaltssubstrat indiziert, so ist das Gericht verpflichtet, zu dieser von Amts wegen zu berücksichtigenden Frage in tatsächlicher Hinsicht Stellung zu beziehen (RIS-Justiz RS0091794 [T4]; Marek in WK2 § 57 Rz 18).
Der Dr. W***** angelastete Tatverdacht wurde zutreffend weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Landesgericht Krems an der Donau unter § 224 StGB subsumiert, weil nur die auf den Kaufvertrag gesetzte, vom Vorwurf der Verfälschung nicht betroffene notarielle Beurkundung der Echtheit der Unterschriften der Vertragsparteien nach § 79 NO (ON 14 S 27) eine nach § 224 StGB geschützte öffentliche Urkunde ist, jedoch den Charakter des zwischen Gerhard J***** einerseits und Martin H***** und Sabine H***** (vormals M*****) andererseits am 10. Oktober 2007 (nicht in Form eines Notariatsakts iSd Notariatsaktsgesetzes) geschlossenen Vertrags (ON 14 S 11 - 25) als Privaturkunde nicht beeinflusst; dies, weil bei Urkundenkombinationen auf demselben Urkundenträger die jeweiligen Urkunden ihre Selbständigkeit behalten (Kienapfel/Schroll in WK2 § 224 Rz 33; Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 [2006] § 79 Rz 1 und E 6).
Die Verjährungsfrist für die Strafbarkeit des (mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohten) Vergehens nach § 223 Abs 2 StGB beträgt gemäß § 57 Abs 3 vierter Fall StGB drei Jahre. Sie beginnt an dem der Beendigung der strafbaren Tätigkeit nachfolgenden Tag (RIS-Justiz RS0091931).
Infolge Fehlens sonstiger die Verjährungsfrist verlängernder Umstände iSd § 58 StGB wurde der Lauf der Verjährungsfrist im Anlassfall mit 16. Dezember 2010, nämlich durch die staatsanwaltschaftliche Anordnung der (in § 164 StPO, sohin im 8. Hauptstück geregelten) Vernehmung des Beschuldigten gehemmt (Marek in WK2 § 58 Rz 21h).
Diese Fortlaufhemmung wirkte nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens, fallbezogen daher bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft am 25. Februar 2011 (Marek in WK2 § 58 Rz 22).
Nach Einstellung des Verfahrens lief die (verbleibende) Verfolgungsverjährung weiter und endete unter Berücksichtigung ihrer Hemmung zwischen 16. Dezember 2010 und 25. Februar 2011 in der zweiten Aprilhälfte 2011 (Marek in WK2 § 58 Rz 10 und 23).
Der am 4. April 2011 bei der Staatsanwaltschaft eingelangte Antrag auf Fortführung des Verfahrens (ON 26) vermochte den Lauf der Verjährung nicht zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0124802 [T1]; 12 Os 37/11z, 15 Os 80/09t).
Im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Entscheidung am 9. August 2011 indizierte Verjährung wären vom Landesgericht Krems an der Donau - mangels Anhaltspunkten für sonstige weiterhin wirksame verjährungshemmende Umstände - der Antrag auf Fortführung des Verfahrens vom 1. April 2011 abzuweisen gewesen.
Der Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 1. März 2012 geht vom Beginn der Verjährungsfrist am 7. Februar 2008 und deren (ursprünglichem) Ende nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist am 6. Februar 2011 aus, nimmt unter Bezugnahme auf § 58 StGB jedoch eine Hemmung (erst) ab der erstmaligen Vernehmung Dris. W*****s am 30. Dezember 2010 an und vermeint zwar, die Fortlaufhemmung ende mit der rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens, erachtet aber, dass Zeiten der Überprüfung einer Einstellungserklärung keine Hemmung der Verjährungsfrist bewirken sollen (ON 36 S 4).
Diese Rechtsansicht, nach der die Fortlaufhemmung über die Verfahrenseinstellung hinaus bis zur Beschlussfassung über einen (vor Eintritt der Verjährung gestellten) Fortführungsantrag andauere, ist weder mit dem Gesetzeswortlaut des § 58 Abs 3 Z 2 StGB und des § 195 Abs 1 StPO noch mit der dazu ergangenen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124802 [T1], 12 Os 37/11z, 15 Os 80/09t, Marek, WK2 § 58 Rz 22 f; Fabrizy, StGB10 § 58 Rz 6a) vereinbar. Diese verfehlte Rechtsansicht wirkt sich ebenfalls zum Nachteil des Beschuldigten aus.
Soweit der Beschluss vom 9. August 2011 entgegen § 58 Abs 3 Z 2 StGB, der als Hemmungsgründe nicht nur auf eine bereits erfolgte Beschuldigtenvernehmung, sondern auch auf deren (im 8. Hauptstück geregelte) Anordnung verweist, von einer Verjährungshemmung erst ab 30. Dezember 2010 ausgeht, ist auch dies verfehlt. Die damit angenommene kürzere Dauer der Verjährungshemmung gereicht dem Beschuldigten zum Vorteil, ist aber fallbezogen ohne Auswirkung, weil die Verjährungsfrist unter Berücksichtigung ihrer Hemmung ab 30. Dezember 2010 ebenfalls im April 2011 abgelaufen wäre und die Anordnung der Fortführung mit Beschluss vom 9. August 2011 jedenfalls verfehlt war.
Die Frage der Verjährung betrifft zwar kein prozessuales Verfolgungshindernis, sondern einen materiellen Strafaufhebungsgrund; es war jedoch von einer Verweisung zu neuer Entscheidung abzusehen und mit Abweisung beider Anträge des Martin H***** und der Sabine H***** auf Fortführung des Verfahrens (ON 26 und ON 32) vorzugehen, weil Feststellungen über das Vorliegen sonstiger nach wie vor wirksamer verjährungshemmender Umstände nicht zu erwarten sind (15 Os 80/09t; RIS-Justiz RS0118545 [T5]).
Soweit sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Beschuldigten auswirkte, war deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu versehen.
Die Auferlegung eines Pauschalkostenbeitrags von (insgesamt) 180 Euro aufgrund der Abweisung von zwei (jeweils gemeinsam eingebrachten) Fortführungsanträgen beruht auf § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO. Die Solidarhaftung der Fortführungswerber ergibt sich aus § 196 Abs 2 dritter Satz StPO.
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