European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00122.24W.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Vater ist aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichts Bruck an der Mur zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 280 EUR für seine Tochter verpflichtet. Er ist seit Mai 2015 im Gasthaus seiner Mutter beschäftigt und verdiente zwischen Februar 2023 und Jänner 2024 im Monatsdurchschnitt 1.456,62 EUR. Laut Kollektivvertrag müsste er pro Monat netto 1.851,69 EUR verdienen. Weitere Sorgepflichten hat er nicht.
[2] Die Minderjährigebegehrtdie Erhöhung des monatlichen Unterhalts ab 1. 8. 2022 auf insgesamt 425 EUR. Ausgehend davon, dass der Vater ein monatliches Nettogehalt von 1.851,69 EUR erzielen könne und unter Berücksichtigung der von dessen Mutter als Dienstgeberin zur Verfügung gestellten kostenlosen Wohnmöglichkeit, Verpflegung und Benützung eines Fahrzeugs im Wert von zumindest 350 EUR sowie einer Trinkgeldpauschale von zumindest 175 EUR errechne sich der geforderte Unterhalt.
[3] Der Vater bestritt die Anrechenbarkeit der ihm gewährten freien Kost und Logis und erklärte sich mit der Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 333 EUR einverstanden.
[4] Das Erstgericht setzte den Unterhalt der Minderjährigen ab 1. 8. 2022 mit monatlich 365 EUR fest und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend von einem fiktiven monatlichen Nettoeinkommen von 1.851,69 EUR zuzüglich einer Trinkgeldpauschale von monatlich 175 EUR ergebe sich der zugesprochene Unterhalt. Da vom erzielbaren Einkommen laut Kollektivvertrag auszugehen sei, sei ein weiterer fiktiver Betrag für freie Kost und Logis nicht zusätzlich zu berücksichtigen.
[5] Das Rekursgerichtgab dem Rekurs der Minderjährigen keine Folge. Dass der Vater aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses im Gasthaus seiner Mutter ein Recht auf freie Kost und Logis hätte oder dass die Mutter diese Zuwendungen erbringen würde, damit sie der Minderjährigen zugutekämen, habe diese weder behauptet noch bewiesen. Mit Sachbezügen, die ein Arbeitgeber zur Verfügung stelle, seien diese Zuwendungen nicht zu vergleichen. Die Bemessungsgrundlage erhöhe sich daher nicht um 350 EUR.
[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage der Anrechnung eines Wohnvorteils auf Seiten des Unterhaltspflichtigen in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abschließend geklärt sei.
Rechtliche Beurteilung
[7] Da die Minderjährige in ihrem Revisionsrekurs das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu begründen vermag, ist der Revisionsrekurs entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG):
[8] 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist in erster Linie die sich aus dem Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel (RS0013386). Grundsätzlich bilden daher sämtliche tatsächlich erzielten Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RS0013386 [T1]). Naturalbezüge haben als Einkommensbestandteile in die Bemessungsgrundlage einzufließen (RS0109238; vgl die Beispiele bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 Rz 193). In diesem Sinne wurde in der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 8 Ob 106/13s ausgeführt, dass eine kostenlose Wohnmöglichkeit auf einem landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb als Naturalbezug in die Bemessungs-grundlage einzubeziehen sei.
[9] 2. Der Antragsgegner erhält im vorliegenden Fall eine unterhalb des kollektivvertraglichen Mindestentgelts liegende Entlohnung von der väterlichen Großmutter als seiner Dienstgeberin (1.456,62 EUR monatlich). Darüber hinaus werden ihm nach dem Vorbringen der Antragstellerin eine kostenlose Wohnmöglichkeit, Verpflegung und die Benützung eines Fahrzeugs – die von ihr mit 350 EUR netto pro Monat bewertet werden – zur Verfügung gestellt.
[10] Die Vorinstanzen legten der Unterhaltsbemessung unter Heranziehung des Anspannungsgrundsatzes (vgl RS0047686) ein (fiktives) monatliches Einkommen von 1.851,69 EUR (kollektivvertragliches Mindestentgelt) zuzüglich Trinkgeldpauschale zugrunde. Würde man die Naturalbezüge des Vaters neben seinen tatsächlich erzielten Einkünften in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbeziehen, läge dieser Betrag unter dem von den Vorinstanzen herangezogenen (fiktiven) Einkommen. Die im Revisionsrekurs geäußerte Ansicht, dass Unterhaltsverpflichtete, die im elterlichen Betrieb arbeiten und aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses freie Kost und Logis zur Verfügung gestellt erhalten, besser gestellt wären als jene, denen etwa ein Dienstfahrzeug als Sachbezug zur Verfügung gestellt werde, ist unrichtig. Im Gegenteil: Folgte man dem Revisionsrekurs, würde es dem Unterhaltspflichtigen zum Nachteil gereichen, wenn er – wie hier – zwar weniger als das kollektivvertragliche Mindestentgelt bezieht, aber dafür Sachleistungen von seinem Dienstgeber erhält. Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage des Wohnvorteils auf Seiten des Unterhaltspflichtigen (vgl dazu grundlegend 6 Ob 105/23v) stellt sich daher im vorliegenden Fall gar nicht.
[11] 3. Abgesehen davon zieht der Revisionsrekurs die Unterhaltsbemessung der Vorinstanzen nicht in Zweifel.
[12] 4. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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