European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00054.24T.0723.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.100,52 EUR (darin enthalten 183,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind grundbücherliche Miteigentümer einer Liegenschaft mit einer Wohnanlage, an der seit 2001 Wohnungseigentum begründet ist. Mit den Anteilen der Kläger ist das ausschließliche Nutzungsrecht an der Wohnung Top 3 verbunden. Davor stand die Liegenschaft im Alleineigentum des Vaters der Kläger. Die Beklagte ist grundbücherliche Alleineigentümerin einer benachbarten Liegenschaft.
[2] Die Kläger begehrten die Feststellung, dass sie und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum ihrer Miteigentumsanteile berechtigt seien, auf der sich aus dem angeschlossenen Plan ergebenden Fläche des Grundstücks der Beklagten zu gehen, sowie die Beklagte zu verpflichten, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit des Gehens einzuwilligen. Sie und ihre Rechtsvorgänger hätten diesen Weg seit ca 1967 regelmäßig, insbesondere als Verbindung zum öffentlichen Weg genutzt. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger hätten diese Nutzung seit jeher geduldet, sodass das Gehrecht zwischenzeitig auch ersessen worden sei. Wohnungseigentum sei erst 2001, damit erst nach Ablauf der Ersitzungszeit begründet worden. Eine notwendige Streitgenossenschaft aller Wohnungseigentümer liege nicht vor, da die Einverleibung einer Grunddienstbarkeit nicht zugunsten der Eigentümergemeinschaft, sondern nur der Wohnungseigentumsanteile der Kläger begehrt werde.
[3] Die Beklagte bestreitet, die Voraussetzungen für eine Ersitzung lägen nicht vor. Das Wohnungseigentum an der Liegenschaft der Kläger sei erst im Jahr 2007 begründet worden, die Ersitzungszeit zugunsten der Kläger könne damit nicht abgelaufen sein. Darüber hinaus würden alle Miteigentümer der klägerischen Liegenschaft eine einheitliche Streitpartei bilden, einzelne Miteigentümer der herrschenden Liegenschaft seien nicht aktiv legitimiert.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kläger gingen nicht von einer bloß zu ihren Gunsten bestehenden Grunddienstbarkeit aus, sondern von einer Ersitzung der Dienstbarkeit für die gesamte Liegenschaft. Es sei auch allen Mit- und Wohnungseigentümern faktisch möglich, die Durchgangsmöglichkeit zu nutzen. Daher sei davon auszugehen, dass die übrigen Miteigentümer notwendige Streitgenossen der Kläger seien und diese daher alleine nicht aktivlegitimiert seien.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger gegen diese Entscheidung Folge, hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Für die Frage, ob alle Miteigentümer eine einheitliche Streitpartei bildeten, komme es darauf an, ob die Ersitzung bereits vor Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossen gewesen sei, sodass es auf die weitere Besitzausübung durch die Miteigentümer im Wohnungseigentum nicht mehr ankomme oder ob dies erst nach Begründung des Wohnungseigentums der Fall gewesen sei. Im zweiten Fall wäre von einer notwendigen Streitgenossenschaft sämtlicher Miteigentümer auszugehen, da die Redlichkeit der Besitzausübung im Fall von Miteigentümern bei jedem einzelnen vorliegen müsse. Dies sei aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht geklärt.
[6] Den Wert des Entscheidungsgegenstands bewertete das Berufungsgericht mit jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, da – soweit überblickbar – keine eindeutige Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation einzelner Wohnungseigentümer für Klagen auf Feststellung einer Wegeservitut zugunsten ausschließlich ihres Wohnungseigentumsobjekts vorliege.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen.
[8] Die Kläger beantragen, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs der Beklagtenwegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) unzulässig; die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO):
[10] 1. Nach der Rechtsprechung kann ein schlichter ideeller Miteigentümer keine Grunddienstbarkeit erwerben und ein schlichter ideeller Miteigentumsanteil als solcher nicht herrschendes Gut sein (RS0126482; vgl auch RS0013190).
[11] 2. Im Falle der Begründung von Wohnungseigentum können Grunddienstbarkeiten allerdings auch zu Lasten und zugunsten der einzelnen Mindestanteile bestellt werden (5 Ob 183/22f; 5 Ob 222/17h; 5 Ob 21/08m; 5 Ob 270/03x; 5 Ob 10/96; 5 Ob 70/91; RS0082754 [T1, T2]; RS0011520). Grund dafür ist, dass dem Wohnungseigentümer – anders als dem schlichten Miteigentümer – ein servitutsähnliches ausschließliches Nutzungsrecht an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt zukommt (RS0081766). Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht daher der ständigen Rechtsprechung.
[12] 3. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung 5 Ob 217/17y ist vereinzelt geblieben und wurde bereits in der nachfolgenden Entscheidung 5 Ob 238/18p vom selben Senat ausdrücklich nicht aufrecht erhalten. Mit den inhaltlichen Argumenten dafür setzt sich der Rekurs nicht auseinander. Aus dieser Entscheidung ist daher für die Beklagte nichts zu gewinnen. Die Entscheidung 5 Ob 139/10t bezieht sich auf schlichtes Miteigentum.
[13] 4. Nach 5 Ob 10/96 ist der Wohnungseigentümer, der die Feststellung des Bestehens einer bloß zu seinen Gunsten bestehenden Grunddienstbarkeit und demgemäß die Zustimmung des Dienstbarkeitsbelasteten zur grundbücherlichen Einverleibung ob der belasteten Liegenschaft begehrt, dazu ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer und Wohnungseigentümer berechtigt. Eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung, auf die das Berufungsgericht seine Argumentation gestützt hat, macht die Beklagte nicht geltend.
[14] Da die Kläger sich ausdrücklich auf den Ablauf der Ersitzungszeit vor Begründung von Wohnungseigentum berufen, kommt es in diesem Zusammenhang auf die in der Literatur aufgeworfene Frage der Gutgläubigkeit anderer Wohnungseigentümer nicht an (vgl Holzner, Keine Grunddienstbarkeit zugunsten eines Mit- oder Wohnungseigentumsanteils?, JBl 2019, 129 [135 ff]).
[15] 5. Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass den Klägern keine Aktivlegitimation zukommt, weshalb es zu den Voraussetzungen einer Ersitzung keine Feststellungen getroffen hat. Zu den rechtlichen Ausführungen im Rekurs in diesem Zusammenhang kann daher noch nicht Stellung genommen werden.
[16] 6. Der Rekurs der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.
[17] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
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