OGH 9Ob66/24g

OGH9Ob66/24g23.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei E* Limited, *, Malta, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH, wegen 141.095,86 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Mai 2024, GZ 5 R 17/24z‑66, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00066.24G.0723.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger stützte seine Klage darauf, dass die Beklagte von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels anbiete, obwohl sie über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht verfüge. Er habe an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teilgenommen und insgesamt Verluste in Höhe des Klagsbetrags erlitten.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren auf Rückerstattung dieser im Zeitraum vom 12. 4. 2019 bis 27. 5. 2020 erlittenen Verluste des Klägers statt.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen (RS0016325 [T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG) kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (1 Ob 191/23d Rz 6; 7 Ob 44/24g Rz 4; 8 Ob 31/24b Rz 25; 7 Ob 86/24h Rz 3 je mwN).

[5] 2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (7 Ob 86/24h Rz 4 mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.

[6] 3. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glückspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d Rz 6 f). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (7 Ob 44/24g Rz 6; 5 Ob 13/24h Rz 10; 7 Ob 86/24h Rz 5 je mwN).

[7] 4. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH C-390/12 , C-79/17 , bereits geklärt erscheinen (4 Ob 219/23v Rz 2; 9 Ob 72/23p Rz 6; 8 Ob 31/24b Rz 20 je mwN).

[8] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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