OGH 10ObS91/23i

OGH10ObS91/23i9.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch denSenatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Schober und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 2023, GZ 8 Rs 9/23 m-33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00091.23I.0709.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Vorinstanzen verneinten eine Berufsunfähigkeit der Klägerin nach § 273 Abs 1 ASVG, weil diese ohne Überschreitung ihres medizinischen Leistungskalküls noch zumutbare Verweisungstätigkeiten ausüben könne.

[2] 2.1. Die Verweisung eines Angestellten auf Tätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe entsprechen, die der bisherigen Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet ist, wird in ständiger Rechtsprechung in der Regel für zulässig erachtet (RS0085599 [T6, T7, T32]). Dies gilt auch, wenn es sich dabei um Tätigkeiten mit einer geringeren Eigenverantwortung handelt (RS0085599 [T2, T5]). Auch gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen (RS0085599 [T2, T5, T14]; RS0084890 [T9]). Ob bei Beachtung dieser Grundsätze eine Verweisung einen unzumutbaren sozialen Abstieg bildet, ist eine Beurteilung des Einzelfalls (RS0085599 [T30]).

[3] Die Frage, in welche Verwendungsgruppe oder Beschäftigungsgruppe eines anwendbaren Kollektivvertrags die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eines Versicherten einzureihen ist, ist eine Rechtsfrage, die anhand eines Vergleichs der ausgeübten Tätigkeit mit den Einstufungskriterien des Kollektivvertrags zu lösen ist (RS0043547 [T1]; 10 ObS 40/21m). Sie ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen (RS0043547 [T3]).

[4] 2.2. Die Vorinstanzen gründeten ihre Beurteilung, die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten seien der Beschäftigungsgruppe D des Kollektivvertrags für Angestellte der Banken und Bankiers zuzuordnen, maßgeblich auf die Feststellung, dass die Klägerin trotz der einen Teil ihrer Aufgaben bildenden eigenverantwortlichen Durchführung von Geldmarktgeschäften hierarchisch den Kundenbetreuern untergeordnet gewesen sei. Angesichts der festgestellten Mischtätigkeit der Klägerin, die neben den – zuletzt im Umfang auf rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit zurückgegangenen – eigenständig abgewickelten Geldmarktgeschäften auch Tätigkeiten als Assistentin für Kundenbetreuer umfasste, ist in der Beurteilung des Berufungsgerichts, das in der Verweisung auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe C des genannten Kollektivvertrags keinen unzumutbaren sozialen Abstieg erkannte, keine vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.

[5] Dass der Klägerin Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe C des Kollektivvertrags für Angestellte der Banken und Bankiers trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch möglich sind, wird in der außerordentlichen Revision nicht in Zweifel gezogen.

[6] Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO wird daher nicht dargetan.

[7] 3.1. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz bildet nach ständiger Rechtsprechung – auch in Sozialrechtssachen (RS0043061) – keinen Revisionsgrund (RS0042963; RS0043919). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, läge ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor (RS0040597 [T4]; vgl RS0043086).

[8] Der Rechtsmittelwerber ist dabei zur Dartuung der abstrakten Eignung des Verfahrensmangels gehalten, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS0043027 [T10]; RS0116273 [T1]). Ob das Berufungsvorbringen den Anforderungen an die Darstellung der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels genügte, kann dabei nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilt werden (RS0116273 [T3]).

[9] 3.2. Im vorliegenden Fall verneinte das Berufungsgericht die Relevanz des nach den Behauptungen in der unterbliebenen Vernehmung einer Zeugin liegenden Verfahrensmangels und begründete dies damit, dass der im Beweisanbot angesprochene Umstand, dass der Klägerin Handlungsvollmacht erteilt worden war, ohnehin festgestellt wurde.

[10] In der außerordentlichen Revision wird nicht dargelegt, inwiefern dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des Berufungsvorbringens als zur Dartuung der Relevanz nicht ausreichend eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen sein soll. Auch die außerordentliche Revision führt nicht aus, welche tatsächlichen Umstände durch die Einvernahme der Zeugin hervorgekommen wären. Dies ist auch nicht offenkundig.

[11] 3.3. Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens zielt in Wahrheit auf die – unzulässige (RS0042963; RS0043919; RS0043061) – neuerliche Überprüfung des gerügten Mangels des Verfahrens erster Instanz ab. Im Übrigen fehlt es auch für die Dartuung der behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens an den erforderlichen Ausführungen zur Relevanz des Verfahrensmangels, fehlt doch konkretes Vorbringen dazu, welche Feststellungen sich bei Aufnahme des beantragten Beweises ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, eine andere rechtliche Beurteilung nach sich zu ziehen.

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