OGH 15Os42/24a

OGH15Os42/24a26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Edermaier‑Edermayr, LL.M. (WU), in der Strafsache gegen * I* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 12. Dezember 2023, GZ 46 Hv 34/23a‑137, ferner über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00042.24A.00626.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten * I* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * I* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (I.), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 (erster Fall) StGB (II.), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 erster Fall StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (III.1.) sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 erster Fall StGB (III.2.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I. am 8. März 2023 in H* * S* zu töten versucht, indem er danach trachtete, mit einem Messer mit rund sieben Zentimeter langer Klinge in dessen linke Stirnregion einzustechen und, nachdem ihm dies nicht gelungen war, in dessen linken Rückenbereich einstach;

II. am 24. April 2023 in L* die Justizwachebeamten * D*, * O* und * B* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner wegen eines tätlichen Übergriffs notwendigen Fixierung und Verbringung in den Haftraum, zu hindern versucht, indem er massive Körperkraft einsetzte, mit den Füßen um sich, in Richtung der Beamten und gegen das Bein des B* trat;

III. Beamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten, nämlich während ihres Dienstes als Justizwachebeamte in der Justizanstalt L*, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, und dadurch teilweise – wenn auch nur fahrlässig – eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) herbeigeführt, und zwar

1. D* zunächst durch einen Faustschlag in Form einer unbekannten Verletzung, wobei die Tat wegen der Reaktion und Abwehr durch den Genannten beim Versuch blieb, sowie in weiterer Folge durch die zu II. dargestellte Tat, durch die D* zu Sturz kam, in Form eines Bruches des rechten Ringfingers;

2. B* zunächst durch einen Schlag mit dem Ellenbogen ins Gesicht in Form einer Prellung der linken Augenhöhle sowie in weiterer Folge durch die zu II. dargestellte Tat in Form einer Abschürfung und Prellung des rechten Unterschenkels.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Angeklagten I* gegen dieses Urteil aus § 345 Abs 1 Z 4, 6, 10a und 11 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich auf die Behauptung, die Geschworenen wären anlässlich ihrer Beeidigung nicht nach ihrem Religionsbekenntnis gefragt worden. Dabei verkennt sie, dass § 305 StPO nur das Unterlassen der Beeidigung der Geschworenen (Abs 1 erster Satz), nicht aber das Unterbleiben der Frage nach dem Religionsbekenntnis (Abs 2) mit Nichtigkeit bedroht (RIS‑Justiz RS0075397, RS0100621).

[5] Die Fragenrüge (Z 6) moniert zu I. des Schuldspruchs das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach §§ 15, 76 StGB und verweist auf die Verantwortung des Angeklagten betreffend einen Konflikt im Zusammenhang mit seiner Ehefrau zwischen ihm und dem Opfer.

[6] Damit werden Verfahrensergebnisse, welche nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung die begehrte Fragestellung (das Vorliegen einer allgemein begreiflichen, nach einem objektiven Maßstab für einen Durchschnittsmenschen in ihrer tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlass sittlich verständlichen [vgl RIS‑Justiz RS0092115] heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt [vgl dazu RIS‑Justiz RS0092271, RS0092259, RS0092338]) ernsthaft indizieren würden, nicht aufgezeigt.

[7] Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS‑Justiz RS0119583 [T13]).

[8] Mit dem Vorbringen zu I. des Schuldspruchs, der Rechtsmittelwerber habe sich durchgehend dahingehend verantwortet, in der Absicht gehandelt zu haben, das Opfer schwer zu verletzen, nicht aber dieses zu töten, auch der Zweitangeklagte * Z* habe jegliche Planung oder auch Vorsätzlichkeit in Richtung Tötung des Opfers durch den Rechtsmittelwerber in Abrede gestellt und das Opfer habe bei seiner Zeugenvernehmung ausgesagt, es könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Erstangeklagte das Wort „umbringen“ verwendet habe, werden erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen nicht geweckt. Mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen, er könne nicht sagen, ob der Rechtsmittelwerber ihn töten wollte, es könnte auch sein, dass dieser ihn vielleicht auch nur einschüchtern wollte, verkennt die Beschwerde, dass Gegenstand einer Zeugenaussage nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen, nicht aber Mutmaßungen oder Meinungen sind (RIS‑Justiz RS0097545 [T2, T6, T8]).

[9] Die Rechtsrüge (Z 11 lit b) bringt zu II. und III. des Schuldspruchs vor, dass „dieses Verhalten des Angeklagten und der gleiche Lebenssachverhalt“ schon Inhalt eines Verfahrens und einer Bestrafung wegen einer dadurch verwirklichten Ordnungswidrigkeit gewesen seien und behauptet einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 4 7. ZPMRK. Sie legt aber nicht dar, weshalb die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten – trotz Fehlens einer strafrechtlichen Anklage im Sinn des Art 6 MRK – dem Anwendungsbereich des Art 4 7. ZPMRK unterliegen sollte (vgl Pieber in WK2 StVG § 118 Rz 2).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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