OGH 9ObA31/24k

OGH9ObA31/24k26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Mag. Herbert Böhm in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der Ö*, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (§ 54 Abs 1 ASGG), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. März 2024, GZ 11 Ra 53/23b‑17, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Linz vom 30. Juni 2023, GZ 36 Cga 16/23f‑8, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00031.24K.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (darin 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der * Gebietskrankenkasse (idF: *GKK). Im Betrieb der Landesstelle * der Beklagten ist für die Gruppe der Angestellten ein Betriebsrat errichtet.

[2] Auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin findet die Dienstordnung A für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (idF: DO.A) Anwendung. Dieser Kollektivvertrag sieht in § 44 vor, dass den in Gehaltsgruppe F einzureihenden Leiter:innen von Organisationseinheiten sowie deren in Gehaltsgruppe E einzureihenden ständigen Stellvertreter:innen eine Funktionszulage im Ausmaß von 10 bis 30 % der jeweiligen ständigen Bezüge gebührt. Gemäß § 59 Abs 3 DO.A ist bei Angestellten mit einer Funktionszulage die Vergütung für geleistete Überstunden in diesen Zulagen enthalten. Die wöchentliche Normalarbeitszeit der Angestellten der Beklagten beträgt 40 Stunden.

[3] Weiters gibt es – zumindest seit 2004 – eine Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit (idF: Gleitzeit-BV), deren aktuelle Version am 21. 3. 2019 abgeschlossen wurde. Gemäß § 2 Abs 10 dieser Gleitzeit-BV entspricht die Gleitzeitperiode für Funktionszulagenbezieher:innen dem jeweiligen Kalendermonat. Gemäß § 3 Abs 5 der Gleitzeit-BV darf für Mitarbeiter:innen, die eine Funktionszulage beziehen, der Gleitzeitsaldo am Ende einer Gleitzeitperiode (Monatsletzter) maximal ein Zeitguthaben (Plusstunden) von 40 Stunden aufweisen. Eine Zeitschuld (Minusstunden) ist unzulässig. Ein Gleitzeitsaldo, welcher am Ende des Kalendermonats ein Zeitguthaben von 40 Plusstunden übersteigt, kann in die nächste Gleitzeitperiode nicht übertragen werden. Als zuschlagspflichtige Mehr- oder Überstunden ist dieser Zeitsaldo nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen abgegolten.

[4] Nach § 3 Abs 7 der Gleitzeit-BV gelten für Mitarbeiter:innen, die eine Funktionszulage gemäß § 44 DO.A beziehen, besondere Regelungen für einen ganztägigen Zeltausgleich. Ein solcher ist nur zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 Gleitzeit‑BV erfüllt sind und zusätzlich ein positiver Überstunden-, Zeitsaldo entsprechend der bisherigen betrieblichen Übung besteht.

[5] Um die Modalitäten der bisherigen Regelung für Funktionszulagenbezieher den technischen Möglichkeiten und Vorgaben anzupassen, wurde diese aber nicht sofort in der Gleitzeit-BV festgeschrieben, sondern einer separat zu verfassenden Zusatzvereinbarung vorbehalten. Die „Vereinbarung zu § 3 Abs 7 der Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit vom 21. 3. 2019“ (idF: Zusatz-V) wurde – tatsächlich erst im Herbst 2019 – von der Direktorin, dem Obmann und dem Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrats der *GKK unterzeichnet; eine Genehmigung durch den Vorstand oder die Kontrollversammlung erfolgte nicht. Aus dieser Zusatz-V leitet die Beklagte die Berechtigung ab, bei ihren Angestellten, die eine Funktionszulage gemäß § 44 DO.A beziehen, (seit März 2019) monatliche Abzüge von den Gleitzeitguthaben unter Anrechnung auf die gewährte Funktionszulage vorzunehmen, sofern das Gleitzeitguthaben am Ende eines Kalendermonats 40 Stunden nicht überschreitet.

[6] Ein als Funktionszulagenbezieher von dieser Regelung betroffener Dienstnehmer erhob daraufhin am 6. 7. 2020 beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht zu 36 Cga 25/20z eine Feststellungsklage (idF kurz: Vorverfahren), mit der er sich gegen den Zeitabzug wehrte. Mit Urteil vom 31. 8. 2022 zu 9 ObA 1/22w stellte der Oberste Gerichtshof aufgrund der vom Kläger erhobenen Revision das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts mit der Begründung wieder her, dass der Zusatzbetriebsvereinbarung keine normative Wirkung als (ergänzende) Betriebsvereinbarung zukomme, weil sie nicht vom dafür zuständigen Vorstand der *GKK unterzeichnet und damit genehmigt worden sei und sich eine Berechtigung zum Abzug der Zeitguthaben auch nicht aus der eigentlichen Gleitzeit-BV ableiten lasse.

[7] Am 31. 10. 2022 informierte die Beklagte die Bezieher:innen einer Funktionszulage über diese Entscheidung und kündigte an, die „schwebend“ unwirksame Zusatz-V durch Nachholung des fehlenden formalen Beschlusses des Verwaltungsrats sanieren zu wollen. Die monatliche Zeitanrechnung auf die Funktionszulage werde von ihr weiter vorgenommen. Dementsprechend behielt die Beklagte auch im Oktober 2022 und in den Folgemonaten die Praxis der monatlichen Zeitabzüge von den Gleitzeitguthaben der Funktionszulagenbezieher:innen bei.

[8] DerBetriebsrat sprach sich am 24. 11. 2022 ausdrücklich gegen diese beabsichtigte Vorgangsweise der Beklagten aus und erklärte, seine Zustimmung zur Zusatz-V nicht weiter aufrecht zu halten.

[9] Am 20. 12. 2022 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass die Zusatz-V von ihrem Verwaltungsrat am 13. 12. 2022 rückwirkend als Betriebsvereinbarung genehmigt worden sei. Diese Genehmigung wirke zurück. Sicherheitshalber werde die genehmigte Zusatz-V neuerlich (als Betriebsvereinbarung) kundgemacht. Die bisherige Praxis betreffend Funktionszulage und Gleitzeit werde daher beibehalten. Mit Rundmail vom 13. 2. 2023 informierte die Beklagte die betroffenen Funktionszulagenbezieher:innen schließlich über die „kürzlich neuerlich kundgemachte Zusatzvereinbarung zur Gleitzeitbetriebsvereinbarung (zu § 3 Abs 7 der Gleitzeit-BV)“.

[10] Von der Zusatz-V sind aktuell 38 Funktionszulagenbezieher:innen betroffen.

[11] Mit der vorliegenden Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG möchte der klagende Betriebsratfestgestellt haben, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, bei ihren Angestellten, die eine Funktionszulage gemäß § 44 DO.A beziehen, seit 21. 3. 2019 monatliche Abzüge von den Gleitzeitguthaben unter Anrechnung auf die gewährte Funktionszulage vorzunehmen, sofern das Gleitzeitguthaben am Ende eines Kalendermonats 40 Stunden nicht überschreitet. Die – im Übrigen nicht bloß schwebende – Rechtsunwirksamkeit der Zusatz-V könne nicht durch den Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten rückwirkend saniert werden. Für eine Genehmigung der Zusatz-V seien bis zum 31. 12. 2019 ausschließlich der Vorstand und die Kontrollversammlung der *GKK zuständig gewesen. Da der Beklagten die fehlende Genehmigung des Vorstands der *GKK zumindest seit der Klagseinbringung im Vorverfahren bewusst gewesen sei, sei ein Zuwarten von rund zweieinhalb Jahren bis zur nachträglichen Genehmigung außerdem als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Überdies habe der Kläger am 24. 11. 2022 ausdrücklich erklärt, seine Zustimmung zur Zusatz-V nicht aufrechtzuerhalten. Die Zusatz-V sei daher nach wie vor rechtsunwirksam und entfalte keine normative Wirkung. Selbst wenn man aber von der Gültigkeit der nachträglichen Genehmigung der Zusatz-V ausgehen wollte, seien die vorgenommenen Zeitabzüge rechtswidrig.

[12] Die Beklagte bestritt das Feststellungsbegehren und beantragte dessen Abweisung. Die verfahrensgegenständlichen Abzüge erfolgten aufgrund der nachträglichen Genehmigung der Zusatz-V durch den Verwaltungsrat berechtigt. Dieser habe die – auch rückwirkende – Genehmigung zulässigerweise erteilt, weil die Beklagte Gesamtrechtsnachfolgerin der *GKK sei und der Verwaltungsrat für den Neuabschluss von Betriebsvereinbarungen, aber eben auch für die Genehmigung schwebend unwirksamer Betriebsvereinbarungen zuständig sei. Überdies hätte der Kläger bzw einer der betroffenen Funktionszulagenbezieher:innen eine Frist für die Erteilung der Genehmigung setzen können. Der Klägersei bis zur Genehmigung der Beklagten an seine Unterfertigung der Zusatz-V gebunden gewesen.

[13] Das Erstgerichtgab dem Klagebegehren statt. Der Verwaltungsrat sei generell nicht befugt, die Zusatz-V der längst nicht mehr existenten *GKK nachträglich zu genehmigen. Selbst wenn man von einer zunächst schwebend unwirksamen Vereinbarung ausginge, sei die Genehmigung nicht innerhalb angemessener Frist erfolgt, weil der Beklagtenseit der Klagserhebung im Vorverfahren die fehlende Genehmigung der Zusatz-V durch den Vorstand der *GKK bewusst sein musste. Jedenfalls aber hätte die Beklagte seit Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am 22. 9. 2022 im Vorverfahren die Genehmigung binnen angemessener Frist einholen müssen. Die Genehmigung nahezu drei Monate später sei selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Verwaltungsrat der Beklagten nicht ununterbrochen, sondern nur in regelmäßigen Abständen tage, nicht mehr als rechtzeitig anzusehen. Die Beklagte könne sich daher nicht auf die Zusatz-V berufen. Dass der vorgenommene Vorwegabzug pauschalierter Überstunden vom Zeitguthaben in der geltenden Gleitzeit-BV vom 21. 3. 2019 keine Deckung finde, habe der Oberste Gerichtshof bereits im Vorverfahren entschieden.

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar der Verwaltungsrat im Hinblick auf die Organisationsreform des österreichischen Sozialversicherungssystems für eine nachträgliche Genehmigung einer schwebend rechtsunwirksamen Betriebsvereinbarung zuständig, eine nachträgliche Genehmigung der vorerst rechtsunwirksamen Zusatz-V aber nicht wirksam erfolgt sei. Der Schwebezustand der unwirksamen Zusatz-V sei bereits im Vorverfahren beendet worden, als sich die Beklagte in das Verfahren eingelassen habe, obwohl sie von der fehlenden Genehmigung der Zusatz‑V gewusst habe. Eine nachträgliche Genehmigung sei daher (seitens des Klägers) nicht mehr zu erwarten gewesen. Spätestens aber durch die rechtskräftige Erledigung des Vorverfahrens sei dieser Schwebezustand beendet gewesen. Der von der Beklagten verlangten Aufforderung zur Genehmigung (mit oder ohne Fristsetzung) habe es daher nicht bedurft. Darüber hinaus habe der Kläger in der vorliegenden Konstellation sachlich berechtigt seine seinerzeitige Zustimmung zur Zusatz-V widerrufen. Der Zusatz-V komme daher weiterhin keine normative Wirkung zu. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil der Oberste Gerichtshof zu einer nachträglichen Genehmigung einer Betriebsvereinbarung bislang noch nicht Stellung genommen habe.

[15] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] Der Kläger bestritt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte, der Revision nicht Folge zugeben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[18] Die Revision argumentiert, dass auch für die nachträgliche Genehmigung einer schwebend unwirksamen Betriebsvereinbarung die allgemeinen Regelungen des § 1016 ABGB in Verbindung mit der analogen Anwendung des § 865 Abs 5 ABGB gelten. Danach sei der klagende Betriebsrat an seine Zustimmung zur Zusatz‑V bis zur Sanierung durch Unterfertigung des Verwaltungsrats der Beklagten gebunden gewesen. Da der Betriebsrat keine Frist für die nachträgliche Genehmigung gesetzt habe, sei die Genehmigung am 13. 12. 2022 rechtswirksam erfolgt und dadurch die Zusatz‑V rückwirkend in Kraft gesetzt worden.

Dazu ist auszuführen:

[19] 1. Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuss, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist (§ 29 ArbVG). Das ArbVG enthält keine besonderen Vorschriften über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Es gilt daher allgemeines Vertragsrecht nach ABGB, soweit dem nicht die Besonderheiten der Betriebsvereinbarung entgegenstehen (Födermayr in Jabornegg/Resch, ArbVG § 29 Rz 7; Reissner in ZellKomm3 § 29 ArbVG Rz 7 f; Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6, § 29 ArbVG Rz 10, 23; Kietaibl in Brameshuber/Tomandl, ArbVG [s. Lfg] § 29 Rz 7).

[20] 2. § 1016 ABGB regelt die Rechtsfolgen vollmachtslosen Handelns im Außenverhältnis. Danach ist grundsätzlich jedes ohne hinreichende Vollmacht in fremdem Namen geschlossene Geschäft dem Geschäftsherrn nicht zuzurechnen. § 1016 ABGB betrifft nicht nur die Überschreitung einer bestehenden Vollmacht, sondern auch ein – aus welchem Grund auch immer – sonst vollmachtsloses Handeln. Der (Schein-)Machtgeber hat aber nach § 1016 2. HS die Möglichkeit, das wegen des Vollmachtsmangels (schwebend) unwirksame Geschäft nachträglich zu sanieren (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1016 Rz 1; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1016 Rz 1; RS0019586; vgl RS0014709).

[21] 3. Die in § 1016 ABGB angeordneten Rechtsfolgen gelten auch für die organschaftliche und gesetzliche Vertretungsmacht (Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1016 Rz 4 mwN). Ist der (Schein-)Machtgeber keine natürliche Person, obliegt die nachträgliche Sanierung dem/n zuständigen organschaftlichen Vertreter(n) (P. Bydlinski in KBB7 § 1016 Rz 4; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1016 Rz 14 je mwN). Mit der nachträglichen Sanierung wird das Geschäft rückwirkend rechtswirksam (RS0019572). Nach der Rechtsprechung macht eine Genehmigung das genehmigte Geschäft aber nur zwischen den Parteien rückwirkend voll wirksam (RS0014617 [T1]). Die rückwirkende Kraft der Genehmigung gegenüber einem Dritten, der nicht Vertragspartei ist, ist hingegen gesondert zu beurteilen (5 Ob 57/02x). Sie wird dann bejaht, wenn die Rückwirkung einer Genehmigung die Rechtsposition Dritter nicht beeinträchtigt, also nicht in zwischenzeitlich erworbene Rechte Dritter eingreift (RS0014617 [T3]).

[22] 4. Eine nachträgliche Sanierung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts ist aber nicht unbegrenzt möglich. Die Rechtsprechung geht in diesem Zusammenhang von einer analogen Anwendung des § 865 Abs 5 ABGB aus (vgl RS0014630). Der Dritte kann daher dem Geschäftsherrn eine angemessene Frist zur nachträglichen Genehmigung setzen, mit deren Ablauf der Vertrag unwirksam ist. Setzt er dem Geschäftsherrn in seiner Aufforderung keine konkrete Frist, kann der Geschäftsherr nur innerhalb angemessener Frist genehmigen (RS0014088; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 Bd 65 § 1016 ABGB Rz 2; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1016 Rz 2; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1016 Rz 8 mwN). Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Genehmigung der ZusatzV hier innerhalb angemessener Frist erfolgte, bedarf es aufgrund nachstehender Überlegungen nicht.

[23] 5. Im Anlassfall sind die arbeitsverfassungsrechtlichen Besonderheiten einer Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen. Die Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag, auf den neben den besonderen Vorschriften des ArbVG über den Abschluss und den zulässigen Inhalt auch die Bestimmungen des ABGB über die rechtliche Möglichkeit und Erlaubtheit anzuwenden sind. Die Betriebsvereinbarung darf daher nicht gegen die guten Sitten verstoßen (RS0018172 [T1]).

[24] 6. Nach der Rechtsprechung ist es grundsätzlich zulässig, Betriebsvereinbarungen auch rückwirkend zu schließen (8 ObA 137/02h; 8 ObA 52/03k Pkt III:; 9 ObA 187/05y Pkt 2.). Auch eine rückwirkende Verringerung von mit Betriebsvereinbarung zugebilligten Leistungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung wird für zulässig angesehen (RS0028611). Es ist ebenso nicht verboten, Betriebsvereinbarungen hinsichtlich noch nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer auch rückwirkend zu schließen (RS0028611 [T3]), soweit dadurch die Arbeitnehmer nicht in ihren Rechten beschnitten werden (8 ObA 137/02h). Die Partner der Betriebsvereinbarung haben dabei aber verschiedene Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Begründbarkeit zu beachten, wobei grundsätzlich bei Einschränkungen der mit Anwartschaften verbundenen Rechte auf die durch die unterschiedliche Dauer der Berufsausübung bedingte unterschiedliche Betroffenheit in der Vertrauensposition Bedacht zu nehmen ist (RS0028611 [T4]). Dies fußt nach ständiger Judikatur auf der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (Eigentumsschutz und Gleichheitssatz), die im Wege der Konkretisierung der Generalklausel des § 879 ABGB auch auf den normativen Teil von Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträgen einwirken (8 ObA 52/03k mwN).

[25] 7. Selbst unter der Annahme einer noch zulässigen nachträglichen Genehmigung der Zusatz-V vom 21. 3. 2019 durch Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom 13. 12. 2022 wäre die Zusatz‑V nur zwischen den Betriebsvereinbarungsparteien rückwirkend voll wirksam. Gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern (als Dritte) konnte sie aber keine rückwirkende Kraft erzeugen, weil die Zusatz‑V damit in unzulässiger Weise in deren Rechte eingreifen würde. Unter der Annahme der Zulässigkeit der Zeitabzüge nach der Zusatz‑V würde sie die beklagte Arbeitgeberin berechtigen, von den betroffenen Arbeitnehmern rückwirkend mit 21. 3. 2019 monatliche Abzüge von den Gleitzeitguthaben unter Anrechnung auf die gewährte Funktionszulage vorzunehmen, sofern das Gleitzeitguthaben am Ende eines Kalendermonats 40 Stunden nicht überschreitet. Auch wenn die Beklagte trotz (wenn auch schwebender) Unwirksamkeit der Zusatz‑V seit 21. 3. 2019 diese Zeitabzüge tatsächlich schon vorgenommen hat, würde es sich im Ergebnis um einen derart massiven rückwirkenden Eingriff in die Entgeltansprüche der von der Zusatz‑V betroffenen Arbeitnehmer handeln, der mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den Grenzen einer zulässigen Rückwirkung von Betriebsvereinbarungen nicht vereinbar wäre.

[26] 8. Die Klagsstattgabe durch die Vorinstanzen ist daher im Ergebnis berechtigt. Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

[27] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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