OGH 21Ds13/23h

OGH21Ds13/23h17.6.2024

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Musger als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Univ.‑Prof. Dr. Harrer und Dr. Hausmann als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Adlberger LL.B. in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. April 2023, GZ D 40/21‑10 (3 DV 9/22), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Schreiber, des Kammeranwalts Dr. Orgler und des Disziplinarbeschuldigten sowie seines Verteidigers Mag. Ebner zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0210DS00013.23H.0617.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Disziplinarerkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, * habe am 22. April 2021 * K* ein überhöhtes Pauschalhonorar von 500 Euro in Rechnung gestellt, und in der Subsumtion des weiteren Vorwurfs als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

* wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 22. April 2021 * K* ein überhöhtes Pauschalhonorar von 500 Euro in Rechnung gestellt, freigesprochen.

Für den dem Schuldspruch zugrunde liegenden weiteren Vorwurf wird er nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt. Diese wird zur Gänze für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im Übrigen wird nicht Folge gegeben.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Beschuldigte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Mitbeschuldigten * enthält, wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in einem an * K* gerichteten Schreiben vom 22. April 2021 zum einen die Formulierung: „Im Übrigen ist die Liegenschaft 'Z*straße 6' deutlich sichtbar mit einer dahingehenden Halte- und Parkverbotstafel mit dem Zusatzvermerk 'Privatgrundstück' gekennzeichnet. Gerade in diesem Zusammenhang lassen Ihre Rechtfertigungen daran zweifeln, ob Sie überhaupt noch im Sinne der Bestimmungen des § 7 FSG (Führerscheingesetzes) 'verkehrszuverlässig' sind. Wir behalten uns vor diesem Hintergrund ausdrücklich vor, eine Anzeige bei der zuständigen Behörde zum Zwecke der offenbar gebotenen Überprüfung Ihrer Verkehrszuverlässigkeit zu erstatten“ gebraucht und zum anderen ein überhöhtes Pauschalhonorar von 500 Euro in Rechnung gestellt.

[3] Gegen das Erkenntnis richtet sich die – keine Nichtigkeitsgründe ausdrücklich bezeichnende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt).

[4] Aufgrund des Zugeständnisses des Disziplinarbeschuldigten in der Berufungsverhandlung, wonach er die Verantwortung für das inkriminierte Schreiben vom 22. April 2021 trägt, ist festzustellen, dass er entweder in dessen Verfassung eingebunden war oder aber insoweit schuldhaft (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 1 DSt Rz 6 ff) eine ihn treffende Aufsichts- oder Anleitungspflicht verletzt hat und ihn damit ein Organisationsverschulden trifft (Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 1 DSt Rz 7/4).

[5] Der Disziplinarrat stellte fest, dass die *, * Rechtsanwälte OG zunächst mit Schreiben vom 16. April 2021 * K* bekanntgab, die Interessen des Mag. * J* im Zusammenhang mit einer Besitzstörungshandlung (durch Abstellen eines Fahrzeugs) auf der Liegenschaft * G*, Z*straße 6, zu vertreten, und ihn zur Zahlung eines – näher aufgeschlüsselten – Betrags von 254,30 Euro aufforderte. Nachdem * K* per E-Mail mitgeteilt hatte, dass er sein Fahrzeug als Kunde der Poststelle (berechtigt) in der Z*straße abgestellt habe und die Sache (aus seiner Sicht) daher ad acta gelegt werden könne, erging am 22. April 2021 ein weiteres Schreiben der *, * Rechtsanwälte OG, in dem seine Rechtfertigung als „völlig absurd“ bezeichnet wurde, weil die Besitzstörung auf der Liegenschaft Z*straße 6 erfolgt sei, während sich die Poststelle an der Adresse Z*straße 2 befinde. Es findet sich darin auch die im Spruch angeführte Formulierung. Außerdem wird * K* in diesem Schreiben aufgefordert, eine angeschlossene Unterlassungserklärung unterfertigt zurückzusenden und einen Pauschalbetrag von 500 Euro zu zahlen. Andernfalls sehe man sich dazu veranlasst, die „gebotenen gerichtlichen bzw. behördlichen Schritte zu setzen“.

[6] Ein Rechtsanwalt darf weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch nicht sachbezogene Druckmittel ankündigen oder anwenden (§ 17 RL-BA 2015; RIS-Justiz RS0055886, RS0055970, RS0056346; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 1 DSt Rz 50).

[7] Schon die evidente Verknüpfung der für den Fall der Nichtzahlung des geforderten Pauschalbetrags in Aussicht gestellten Setzung der „gebotenen gerichtlichen bzw. behördlichen Schritte“ mit dem ausdrücklichen Vorbehalt einer „Anzeige bei der zuständigen Behörde zum Zwecke der offenbar gebotenen Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit“ (ES 3 f) zeigt, dass dieser, der Rüge (dSn Z 9 lit a) zuwider, keineswegs bedingungslos erfolgte, sondern sich vielmehr als unzulässiges Druckmittel darstellt, das in keinem Zusammenhang mit der offenbar angekündigten Besitzstörungsklage steht.

[8] Der Einwand, „darüber hinaus sei nach den Wertmaßstäben der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer/des Kammeranwalts der völlig rechtsgrundlos erhobene schriftliche Vorwurf eines kollusiven Verhaltens in Schriftsätzen nicht standeswidrig“, ist nicht nachvollziehbar und somit einer Erwiderung nicht zugänglich.

[9] Eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) liegt aber nur dann vor, wenn das Fehlverhalten einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt oder so schwerwiegend ist, dass selbst mit einer auf nur wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung verbunden ist (RIS‑Justiz RS0054876, RS0054927, RS0055086; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 1 DSt Rz 12 ff).

[10] Eine derartige Publizität ist angesichts des konstatierten Geschehens nicht anzunehmen, sodass die Subsumtion des dargestellten Verhaltens auch unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt zu entfallen hatte.

[11] Aufgrund der vom Disziplinarbeschuldigten in der Berufungsverhandlung vorgelegten Kostenaufstellung vom 17. Juni 2024 gelangte der Senat zur Ansicht, dass sich das geltend gemachte Pauschalhonorar jedenfalls nicht als in einem Maß überhöht erweist, um ein disziplinäres Fehlverhalten zu begründen. In diesem Umfang war daher mit Freispruch vorzugehen. Die insoweit erhobenen Beschwerdeeinwände können daher auf sich beruhen.

[12] Bei der demnach erforderlichen Strafneubemessung waren mildernd die schlussendlich geständige Verantwortung, erschwerend hingegen zwei Vorverurteilungen. Eine zur Gänze bedingt nachgesehene Geldbuße von 1.000 Euro war daher als dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Disziplinarbeschuldigten angemessen. Mit seiner (impliziten, vgl § 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Disziplinarbeschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[13] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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