European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00054.24K.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Begründung:
[1] Der 66 Jahre alte Betroffene war mehrmals verheiratet, er hat vier Kinder aus früheren Ehen; seine 55 Jahre alte vierte Ehefrau (seit 2020) ist seit 30. 12. 2022 seine gesetzliche Erwachsenenvertreterin für alle in § 269 Abs 1 Z 1 bis Z 8 ABGB genannten Wirkungskreise. Er wohnte und wohnt mit seiner Ehegattin in seinem eigenen Haus und wird dort von ihr unterstützt und betreut.
[2] Der Betroffene leidet nach einem Sturz im Dezember 2022, bei dem er ein Schädel‑Hirn-Trauma Grad III mit Hirnblutung erlitten hatte, an dadurch verursachten Hirnschäden und einem hochgradigen posttraumatischen organischem Psychosyndrom; zudem bestand bei ihm vor dem Unfall Alkoholabhängigkeit.
[3] Der Betroffene versteht Erläuterungen über die Möglichkeiten und denkbaren Folgen von Pflegemaßnahmen und/oder medizinische Behandlungen nicht ausreichend, weshalb er auch keine angemessene Entscheidung darüber treffen kann. Sein derzeitiger Gesundheitszustand lässt medizinische Behandlungen erwarten. Eine ausreichende Entscheidungsfähigkeit liegt in diesem Bereich aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht vor.
[4] Der Betroffene bezieht als Einkommen Einnahmen aus Vermietung/Verpachtung, Pflegegeld sowie eine Pension. Er verfügt darüber hinaus über Liegenschaftsvermögen. Der Betroffene hat überhaupt keinen Überblick über sein Einkommen und Vermögen. Er ist der Meinung, noch Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit zu erhalten und weiß nicht über seinen eigenen Liegenschaftsbesitz Bescheid. Er ist nicht in der Lage, sein Einkommen und Vermögen selbst zu verwalten. Ein- und Ausgaben wie auch die Verwaltung des Vermögens müssen daher vom Erwachsenenvertreter organisiert und überwacht werden. Behördengänge – wie zum Beispiel zur Sicherstellung des Pflegegeldes – kann der Betroffene selbst nicht wahrnehmen. Er vermag es auch nicht, seine Interessen alleine ausreichend gegenüber privaten Vertragspartnern (insbesondere im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Liegenschaften) zu wahren.
[5] Eine Kommunikation mit dem Betroffenen ist zwar gut möglich, jedoch ist seine Entscheidungsfähigkeit in folgenden Angelegenheiten stark beeinträchtigt und er ist deshalb nicht in der Lage, diese Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen:
- Einkommens- und Vermögensverwaltung,
- Vertretung in behördlichen und gerichtlichen Angelegenheiten,
- Vertretung bei Verträgen zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs,
- Vertretung bei Mietverträgen, Pachtverträgen sowie Verträgen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Liegenschaften,
- Entscheidungen über medizinische Behandlungen samt Vertretung bei Behandlungsverträgen.
[6] Der Betroffene ist aufgrund der genannten Beeinträchtigungen zwar nicht in der Lage, die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung gänzlich oder in Grundzügen zu verstehen, erklärte sich aber ausdrücklich damit einverstanden, dass sich eine Rechtsanwältin um seine Angelegenheiten kümmert.
[7] Bisher hat sich seine Ehegattin um alle Angelegenheiten gekümmert, deren Erledigung dem Betroffenen aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht möglich war.
[8] Zwischen der Ehefrau und den Kindern des Betroffenen besteht ein schwieriges Verhältnis und steht im Raum, dass es zu unzulässigen Kontoüberweisungen durch die bisherige Erwachsenenvertreterin sowie zur Kontaktverweigerung zu Angehörigen und Freunden, zu zahlreichen Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit der Ehefrau, zu Ungereimtheiten mit der Pflegekraft (24-Stunden-Pflege) und Ähnlichem gekommen ist. Aufgrund dieser Anschuldigungen in der Vergangenheit ist es mehrfach zu Konflikten innerhalb der Familie gekommen.
[9] Das gerichtliche Erwachsenenschutzverfahren wurde aufgrund einer Anregung der Kinder vom 28. 12. 2022 eingeleitet, die dies zusammengefasst mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen, Unstimmigkeiten zwischen den Kindern und der Ehefrau, welche jene von ihrem Vater fernhalte, „mehreren“ Polizeieinsätzen sowie Streit zwischen Betroffenem und Ehefrau wegen unklaren Finanztransaktionen der Frau zu Lasten des väterlichen Kontos begründeten; sie seien bereit, die Erwachsenenvertretung für ihren Vater zu übernehmen.
[10] Das Erstgericht enthob die gesetzliche Erwachsenenvertreterin ihres Amtes und trug dieser auf, Schlussbericht zu erstatten und Unterlagen zu übermitteln. Gleichzeitig bestellte es eine Rechtsanwältin zur neuen gerichtlichen Erwachsenenvertreterin mit dem in den Feststellungen ersichtlichen Wirkungskreis. Es begründete dies rechtlich mit dem Wortlaut des § 271 ABGB sowie damit, dass im konkreten Fall die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Betroffenen angesichts des festgestellten Sachverhalts in dem in seinem Spruch genannten Ausmaß erforderlich und unvermeidlich sei, um seine Rechte und Interessen zu wahren und ihn vor Nachteilen zu schützen. Einen Genehmigungsvorbehalt anzuordnen sei nicht erforderlich.
[11] Das von der Ehefrau und gesetzlichen Erwachsenenvertreterin im eigenen Namen und in dem des Betroffenen angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich zweifelsfrei, dass zwischen der bisherigen Erwachsenenvertreterin und den Kindern des Betroffenen ein schwieriges Verhältnis bestehe und es aufgrund von Anschuldigungen in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Konflikten innerhalb der Familie gekommen sei, unter denen schlussendlich der Betroffene leide. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts mit dem Ergebnis, eine familienfremde Rechtsanwältin zur Erwachsenenvertreterin zu bestellen, sei nicht zu beanstanden.
[12] Dagegen richtet sich der wiederum im eigenen und im Namen des Betroffenen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Ehefrau und gesetzlichen Erwachsenenvertreterin wegen Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dass ihr die Erwachsenenvertretung „für alle“ Angelegenheiten übertragen werde; in eventu möge der angefochtene Beschluss zumindest in den Teilbereichen „Entscheidungen über medizinische Behandlungen samt Vertretung bei Behandlungsverträgen“ und „Vertretung bei Verträgen zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfes“ dahin abgeändert werden, dass der bisherigen Erwachsenenvertreterin die Erwachsenenvertretung in diesen Teilbereichen übertragen werde. Hilfsweise wird beantragt, die vorinstanzlichen Beschlüsse zur Gänze aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[14] 1.1. Die Ehefrau des Betroffenen ist jedenfalls als noch nicht rechtskräftig enthobene (hier gesetzliche) Erwachsenenvertreterin zur Erhebung des (Revisions‑)Rekurses im Namen und Interesse des Betroffenen legitimiert, woran das 2. ErwSchG nichts geändert hat (vgl RS0006229 [T24, T33]; 1 Ob 104/17a mwN).
[15] 1.2. Der Revisionsrekurs ist erkennbar gegen den gesamten Beschlussinhalt gerichtet, somit auch dagegen, dass überhaupt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung anstelle der gesetzlichen Erwachsenenvertreterin bestellt und diese ihres Amts enthoben werde.
[16] 1.3. Über einen zwischenzeitig gestellten, vom Erstgericht noch unerledigten Antrag auf Einstellung der einstweiligen Erwachsenenvertretung erstmals zu entscheiden, ist der Oberste Gerichtshof hingegen nicht berufen.
[17] 2. Nach § 271 ABGB ist einer volljährigen Person vom Gericht auf ihren Antrag oder von Amts wegen insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann (Z 1), sie dafür keinen Vertreter hat (Z 2), sie einen solchen nicht wählen kann oder will (Z 3) und eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt (Z 4).
[18] 2.1. Voraussetzung der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist im vorliegenden Fall damit unter anderem, dass das Bestellungshindernis des Bestehens einer Vertretung des Betroffenen wegfällt (§ 271 Z 2 ABGB). Erst in dieser Situation ist die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters möglich. Es ist daher zunächst auf die Frage der Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung der Ehegattin einzugehen:
[19] 2.2. Nach § 246 Abs 3 Z 1 ABGB hat das Gericht die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung anzuordnen und erforderlichenfalls einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu bestellen,„wenn der Vertreter nicht oder pflichtwidrig tätig wird oder es sonst das Wohl der vertretenen Person erfordert“ .
[20] Ob das Wohl ein Einschreiten des Gerichts verlangt, hängt von einer Zukunftsprognose ab. Unter die Generalklausel des Wohles des Betroffenen fällt etwa, dass ein Vertreter nicht die erforderliche Eignung besitzt (Stefula in KBB7 [2023] § 246 ABGB Rz 11).
[21] 2.3. Bei der Beurteilung der Eignung (§ 243 ABGB) einer Person als Erwachsenenvertreter ist auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (RS0048982; RS0049104 [T10]); zu deren Annahme reicht bereits ein objektiver Tatbestand und die Wahrscheinlichkeit einer Interessenverletzung des Betroffenen aus (RS0048982 [T1]; vgl auch RS0049104 [T9]; 9 Ob 76/22z). Subjektive Gründe in der Person des in Aussicht genommenen Erwachsenenvertreters sind nicht erforderlich. Bei bestehenden Hinweisen auf solche Interessengegensätze reicht bereits eine mögliche Interessenkollision, sofern sie auch nur wahrscheinlich ist, aus, um der Eignung eines nahen Angehörigen als Erwachsenenvertreter entgegenzustehen; die gebotene gerichtliche Kontrolle des Erwachsenenvertreters ändert daran nichts (vgl 2 Ob 129/20i Rz 4 mwN; 6 Ob 147/21t; 5 Ob 59/19s; 2 Ob 164/16f).
[22] 3.1. Die Vorinstanzen sind hier angesichts von einander angeblich widersprechenden Positionen von Kindern des Betroffenen aus früheren Ehen einerseits und dessen nunmehriger Ehefrau andererseits über die Regelung der finanziellen Angelegenheiten des Betroffenen, über dessen Kontakte zu seinen Kindern und über Fragen seiner Pflege vom möglichen Vorliegen innerfamiliärer Konflikte sowie von Interessengegensätzen zwischen ihnen ausgegangen.
[23] 3.2. Die von den Vorinstanzen hierfür getroffenen Feststellungen sind jedoch nicht hinreichend konkret, um daraus auf objektive Umstände schließen zu lassen, welche die bisherige gesetzliche Erwachsenenvertreterin – zum Wohle des Betroffenen (zu dem in diesem Zusammenhang ebenso wenig wie zum von den Vorinstanzen bloß behaupteten Umstand, dass er unter der Situation leide, irgendwelche konkreten Feststellungen vorliegen) – von der weiteren Ausübung ihres Amts ausschließen würden. Wie sich ein „schwieriges Verhältnis“ zwischen Ehefrau und Kindern auf die zu besorgenden Angelegenheiten konkret im Sinne einer nach der Rechtsprechung beachtlichen Interessenkollision auswirken sollte, steht ebenso wenig fest wie welche „Ungereimtheiten und Ähnliches“ mit der Pflegekraft die mit dem Betroffenen zusammenlebende Ehefrau als weniger geeignet als eine außenstehende Rechtsanwältin – insbesondere etwa zur Frage der Vertretung in medizinischen und pflegerischen Angelegenheiten und deren Umsetzung im praktischen Lebensvollzug – erscheinen ließe. Auch „im Raum stehende“, aber bislang nicht näher substanziierte unzulässige Kontoüberweisungen können ohne nähere Objektivierung die von den Vorinstanzen getroffene Schlussfolgerung nicht tragen, die gesetzliche Erwachsenenvertretung sei (zur Gänze) zu beenden. Welche eine Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nahelegende „Polizeieinsätze“ sich ereignet haben könnten, ist dem gesamten Akt überhaupt nicht zu entnehmen, zumal sich die Vorinstanzen trotz teilweise konkreter Darlegungen der Ehefrau hierzu auf die Wiedergabe von „im Raum“ Stehendem und Mutmaßungen beschränkten.
[24] 4.1. Das Erstgericht wird daher primär konkrete Feststellungen über objektive – über Mutmaßungen und Andeutungen hinausgehende –, eine Interessenkollision oder die sonstige Nichteignung der gesetzlichen Erwachsenenvertreterin plausibel begründende Umstände nachzutragen haben.
[25] 4.2. Nach § 271 Z 4 ABGB setzt die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters voraus, dass eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt. Vor der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters anstelle der – so sie ungeeignet sein sollte – bisherigen Erwachsenenvertreterin (Ehefrau) wäre daher zu klären, warum keines der Kinder des Betroffenen, die sich nach der Aktenlage ebenfalls zur Übernahme der Erwachsenenvertretung bereiterklärt haben, als gesetzliche Erwachsenenvertreter in Frage käme. Auch dazu wurden keinerlei Feststellungen getroffen, was im Hinblick auf den Vorrang der gesetzlichen vor der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (vgl dazuBarth/KozainFenyves/Kerschner/ Vonkilch , Klang3 [2020] § 271 ABGB Rz 41 ff; Traar/Pesendorfer/Lagger‑Zach/Fritz/Barth , Erwachsenenschutzrecht2 § 271 ABGB [2023] Rz 22 ff [31]; vgl auch 8 Ob 49/21w) ebenfalls nachzutragen sein wird.
[26] Jedenfalls wird darauf zu achten sein, dass Umstände, welche einerseits mögliche Erwachsenenvertreter aufgrund von in ihnen selbst liegenden Umständen für das Amt als ungeeignet erscheinen lassen, und solche Umstände, welche andererseits aufgrund von konkreten Interessenkonflikten bestimmte (oder alle) möglichen Personen vom Amt des Erwachsenenvertreters ausschließen, jeweils konkret festgestellt und bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung auch je für sich nachvollziehbar rechtlich gewürdigt werden.
[27] 4.3. Bei der neuerlichen Entscheidung zur Frage, ob anstelle eines gesetzlichen Erwachsenenvertreters ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter dem Wohle und den Interessen des Betroffenen besser gerecht würde, wird auch zu beachten sein, dass nach § 272 Abs 1 ABGB ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden (vgl dazu eingehend mwN Barth/Koza inFenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang3 [2020] § 272 ABGB Rz 8 ff und § 271 ABGB Rz 24 ff) Angelegenheiten bestellt werden darf.
[28] Dies erfordert aber als Grundlage ebenfalls konkrete Tatsachenfeststellungen zu den bestimmten gegenwärtig zu besorgenden Angelegenheiten (Barth/KozainFenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang3 [2020] § 272 ABGB Rz 5), welche hier nicht durchgängig erkennbar sind. Welche Agenden etwa die Vertretung bei Mietverträgen, Pachtverträgen sowie Verträgen im Zusammenhang mit dem „Betrieb von Liegenschaften“ umfassen soll, welche über die bisherige Praxis hinaus zudem des Einschreitens eines Rechtsanwalts bedürften, hat weder konkretes Feststellungssubstrat noch ist dies aus dem Spruch heraus verständlich. Ähnliches gilt für „behördliche und gerichtliche Angelegenheiten“, wofür im erstgerichtlichen Beschluss bloß beispielsweise auf „Behördenwege“ im Zusammenhang mit der „Sicherstellung des Pflegegeldes“ verwiesen wird, ohne dass festgestellt wurde, in welcher Höhe dieses zusteht und ob es der Sicherstellung durch welche Behördenwege gerade eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters bedürfte.
[29] 4.4. Weiters wird zu beachten sein, dass das Gesetz die Bestellung mehrerer – auch gesetzlicher und gerichtlicher – Erwachsenenvertreter nebeneinander für jeweils verschiedene Wirkungsbereiche (vgl § 243 Abs 3 ABGB) zuließe (Barth/KozainFenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang3 [2020] § 272 ABGB Rz 92 und § 271 ABGB Rz 54;WeitzenböckinSchwimann/Kodek 5 [2018] § 272 ABGB Rz 5 mwN; vgl 8 Ob 164/18b). Es wäre daher auch – wiederum gestützt auf konkrete Feststellungen – zu beurteilen und nachvollziehbar zu begründen, ob der Wirkungskreis eines sich für bestimmte Angelegenheiten als notwendig erweisenden gerichtlichen Erwachsenenvertreters etwa mit dem Weiterbestehen einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung in anderen Bereichen – im konkreten Fall könnte aus derzeitiger Sicht an den medizinischen und Pflegebereich gedacht werden (vgl den ersten Eventualantrag des Revisionsrekurses) – vereinbar wäre.
[30] 4.5. Kommt die Eintragung eines neuen gesetzlichen Erwachsenenvertreters im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis in Betracht und entspricht diese dem Wohl des Betroffenen, bedarf es der vorherigen Enthebung der bisherigen gesetzlichen Erwachsenenvertreterin im Sinne des § 246 Abs 3 Z 1 ABGB, weil sich die Vertretungsbereiche zwangsläufig (zumindest teilweise) überschneiden würden (vgl nochmals § 243 Abs 3 ABGB). Dabei wird zu vermeiden sein, dass durch eine damit einhergehende Vertretervakanz konkrete Nachteile für den Betroffenen entstehen (vgl 8 Ob 49/21w Rz 22 ff).
[31] 5. Zusammengefasst war die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen unumgänglich. Das Erstgericht wird auf verbreiterter und deutlich konkretisierter Sachverhaltsgrundlage neuerlich über die Frage der gerichtlichen Erwachsenenvertretung und ihres konkreten Umfangs – jedenfalls durch Beschluss (vgl § 122 Abs 2 Z 1 AußStrG) – zu entscheiden haben.
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