OGH 9Ob76/22z

OGH9Ob76/22z17.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person * L*, vertreten durch den Erwachsenenvertreter Dr. * W*, dieser vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Enthebung (§ 284 ABGB), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erwachsenenvertreters gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. August 2022, GZ 15 R 233/22y‑61, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00076.22Z.1117.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Revisionsrekurswerber ist gerichtlicher Erwachsenenvertreter für die Betroffene. Zur von ihm beantragten Enthebung (§ 284 ABGB) brachte er vor, Mitglied des Aufsichtsrats der * Gesundheitsholding GmbH zu sein, die 100 % an der * Universitätsklinikum GmbH halte. Zu dieser gehöre neben dem * Universitätsklinikum auch der * Campus. Die Betroffene habe bereits Krankenhausaufenthalte im * Universitätsklinikum und im Campus gehabt. Solche seien auch wieder zu erwarten. Als Erwachsenenvertreter obliege ihm die Kontrolle und Überwachung der ärztlichen Behandlungen und Rechnungen, woraus sich auch die Gefahr einer Interessenkollision ergeben könne. Die Vorinstanzen lehnten eine Enthebung ab.

Rechtliche Beurteilung

[2] In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[3] Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzterer geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen (RS0058177). Bei der Beurteilung der Eignung einer Person zum Erwachsenenvertreter ist auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (RS0048982; RS0049104 [T10]). Zu ihrer Annahme reicht bereits ein objektiver Tatbestand und die Wahrscheinlichkeit einer Interessenverletzung des Betroffenen aus (RS0048982 [T1]; s auch RS0049104 [T9]). Ob eine Interessenkollision zu befürchten ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 129/20i mwN; s auch RS0117813 [T2]).

[4] Das Rekursgericht hob hervor, dass sich die Betroffene Anfang 2020 in jenem Klinikum in Behandlung befunden habe und vom Revisionsrekurswerber zwei Kostenbeiträge über insgesamt 63,05 EUR (Selbstbehalt mit gesetzlich geregelter Höhe) vorgelegt worden seien. Wenngleich die Prüf- und Überwachungspflichten zu den Kernaufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds einer Gesellschaft gehören (§ 30j GmbHG), bringt der Revisionsrekurswerber nicht vor, dass die Überprüfung derartiger Rechnungen zu seinen Agenden als Aufsichtsratsmitglied gehöre. Er beruft sich in seinem Rechtsmittel auch nicht auf die von der Rechtsprechung verlangte Wahrscheinlichkeit künftiger Behandlungen und Rechnungen der Betroffenen und ihrer Überprüfung. Wenn die Vorinstanzen hier mangels eines ausreichend indizierten Interessenkonflikts eine Enthebung des Erwachsenenvertreters ablehnten, begründet dies keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

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