OGH 13Ns23/24x

OGH13Ns23/24x22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Loibl L.L.M. (WU) in der Strafsache gegen * H* und einen Angeklagten wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB in dem zu AZ 16 Hv 34/24w des Landesgerichts St. Pölten und zu AZ 12 Hv 83/23a des Landesgerichts Leoben zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130NS00023.24X.0522.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Landesgericht Leoben zuständig.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit beim Landesgericht Leoben eingebrachtem Strafantrag vom 28. November 2023 legte die Staatsanwaltschaft * S* als Vergehen der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen nach § 208a Abs 1 Z 1 StGB und als Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB beurteilte Verhaltensweisen zur Last (ON 20 in AZ 12 Hv 83/23a des Landesgerichts Leoben).

[2] Am 3. Jänner 2024 ordnete der Einzelrichter des Landesgerichts Leoben die Hauptverhandlung an (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO), indem er eine solche anberaumte (ON 1.10 in AZ 12 Hv 83/23a des Landesgerichts Leoben).

[3] Mit beim Landesgericht St. Pölten eingebrachtem Strafantrag vom 14. März 2024 legte die Staatsanwaltschaft * H*,* S* und * E* jeweils einem Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB unterstellte Verhaltensweisen zur Last (ON 12 in AZ 16 Hv 34/34w des Landesgerichts St. Pölten).

[4] Der Einzelrichter des Landesgerichts St. Pölten überwies – nach Verneinung der Kriterien des § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO in Bezug auf diesen Strafantrag – am 15. März 2024 die Akten dem Landesgericht Leoben zur Verbindung mit dem dort (weiterhin) anhängigen, zuvor bezeichneten Verfahren (ON 1.6 in AZ 16 Hv 34/24w des Landesgerichts St. Pölten).

[5] Noch am selben Tag fasste der Einzelrichter des Landesgerichts Leoben in jenem Verfahren den „Beschluss“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0130527) auf „Einbeziehung des Verfahrens 16 Hv 34/24w des LG St. Pölten ausschließlich in Bezug auf den Angeklagten S* gemäß § 37 StPO, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren dort Angeklagten“. Zugleich verfügte er die „Rückmittl[ung]“ des Aktes AZ 16 Hv 34/24w des Landesgerichts St. Pölten „im Sinne des obigen Beschlusses“ (ON 1.20 in AZ 12 Hv 83/23a des Landesgerichts Leoben).

[6] Der Einzelrichter des Landesgerichts St. Pölten bezweifelte seine Zuständigkeit für das (allein) gegen H* und E* geführte Verfahren und verfügte am 18. März 2024 gemäß § 38 dritter Satz StPO die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof (ON 1.8 in AZ 16 Hv 34/24w des Landesgerichts St. Pölten).

[7] Dieser hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs 1 StPO ist im Falle gleichzeitiger (also gemeinsamer) Anklage das Hauptverfahren (auch schon) dann vom selben Gericht gemeinsam zu führen, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen verdächtig sind, die „sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang“ stehen. Ein solcher ist bei der Ablegung falscher Beweisaussagen mehrerer Personen zum selben Thema – wie sie den Vorwurf des (beim Landesgericht St. Pölten eingebrachten) Strafantrags vom 14. März 2024 bilden – gegeben (vgl RIS‑Justiz RS0127579 und Nordmeyer, WK‑StPO § 26 Rz 4). Diese Vorwürfe sind daher zu Recht Gegenstand gemeinsamer Anklage (§ 37 Abs 1 StPO), sodass – analog § 27 StPO zulässige (RIS-Justiz RS0133815 [T2]) – Trennung der auf diesem Strafantrag beruhenden Hauptverfahren (gegen S* einerseits und gegen H* und E* andererseits) nur nach Maßgabe des § 36 Abs 4 StPO in Betracht kam (zu Fällen nicht gesetzmäßig gemeinsamer Anklageerhebung vgl demgegenüber RIS‑Justiz RS0127578).

[8] Für die Verbindung auf verschiedenen Anklagen beruhender Hauptverfahren (§ 37 Abs 3 StPO) würde (bloß) „sonst“ ein enger sachlicher Zusammenhang (sogenannte prozessuale Konnexität) zwischen den davon umfassten Vorwürfen zwar nicht genügen (15 Ns 91/21g und Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 8).

[9] Gemäß § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO sind aber die Verfahren zu verbinden, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein weiteres Hauptverfahren (soweit hier relevant) gegen denselben Angeklagten anhängig ist (subjektive Konnexität).

[10] Die beiden (was das auf dem Strafantrag vom 14. März 2024 beruhende betrifft: auch) gegen S* geführten, somit im Sinn des § 37 Abs 3 StPO konnexen Hauptverfahren waren – nach dem eingangs Gesagten – mit jeweils rechtswirksamer (§ 4 Abs 2 StPO) Anklage zugleich anhängig (zu diesen Kriterien in Bezug auf das einzelrichterliche Verfahren RIS‑Justhttps://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=11Ns3/19h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True7, insbesondere 11 Ns 29/18f und https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=11Ns3/19h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ) und demzufolge miteinander zu verbinden (vgl RIS-Justiz RS0128876).

[11] Verbindung (nur) mit einzelnen Teilen eines (gesetzmäßig den Gegenstand gemeinsamer Anklage bildenden) Verfahrens, wie sie das Landesgericht Leoben vornahm, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr war – infolge des erwähnten Verhältnisses subjektiver Konnexität – die Verbindung des gesamten auf dem Strafantrag vom 14. März 2024 beruhenden Hauptverfahrens mit jenem aufgrund des Strafantrags vom 28. November 2023 gemäß § 37 Abs 3 StPO (arg „die Verfahren“) geboten. Nachfolgende Ausscheidung einzelner Verfahrensteile (analog § 27 StPO) hätte nach § 37 Abs 3 StPO einmal begründete Zuständigkeit – hier wie auch in der Regel (zur Ausnahme siehe § 36 Abs 4 letzter Halbsatz StPO) – nicht mehr verändert (erneut 11 Ns 3/19h sowie RIS‑Justiz RS0128876).

[12] Die Zuständigkeit des Gerichts zur Verfahrensverbindung und zur Führung des verbundenen Verfahrens (§ 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO) bestimmt sich nach § 37 Abs 2 StPO mit der Maßgabe, dass das Verfahren im – hier mangels Eingreifens eines der darin normierten vorrangigen Anknüpfungspunkte vorliegenden – Fall des § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO dem Gericht zukommt, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO).

[13] Dies war hier – wie dargestellt – das Landesgericht Leoben (Anordnung der Hauptverhandlung am 3. Jänner 2024).

[14] Daraus folgt – wie auch die Generalprokuratur zutreffend ausführte – dessen Zuständigkeit für die Verbindung und gemeinsame Führung der (gesamten) auf den beiden fraglichen Strafanträgen beruhenden Verfahren.

[15] Deshalb – und weil im Verhältnis des Verfahrens gegen H* und E* zu jenem gegen S* kein (Ausnahme-)Fall des § 36 Abs 4 letzter Halbsatz StPO vorliegt – bleibt es für das Verfahren gegen H*und E* unabhängig davon zuständig, ob das Hauptverfahren gegen S* inzwischen bereits beendet (vgl § 1 Abs 2 zweiter Satz StPO) ist (RIS‑Justiz RS0132460).

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