OGH 10ObS118/23k

OGH10ObS118/23k14.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Deimbacher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*, Bosnien‑Herzegowina, vertreten durch Mag. Peter Sixt, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr. Simone Metz, LL.M., Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. August 2023, GZ 6 Rs 12/23 s‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 14. März 2022, GZ 32 Cgs 12/22m‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00118.23K.0514.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Witwenpension mit dem Vorbringen, sie habe in Bosnien‑Herzegowina mit dem im Jahr 2021 verstorbenen D* in einer außerehelichen Lebensgemeinschaft gelebt. Eine solche liege nach dem Recht von Bosnien-Herzegowina vor, wenn Personen verschiedenen Geschlechts mehr als drei Jahre ununterbrochen in einer Gefühls- und Lebensgemeinschaft leben und dies gerichtlich festgestellt werde. Die Möglichkeit einer Eintragung bestehe nicht. Die außereheliche Lebensgemeinschaft begründe einen Unterhaltsanspruch des Lebenspartners und entspreche daher sowohl der Ehe als auch der eingetragenen Partnerschaft in Österreich.

[2] Die Beklagtehielt dem entgegen, dass nur eingetragene Partner, nicht aber Lebensgefährten Anspruch auf eine Witwenpension hätten.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie gingen davon aus, dass das Amtsgericht Banja Luka im Verfahren zwischen der Klägerin und der Rechtsnachfolgerin des D* wegen Feststellung einer außerehelichen Gemeinschaft und Unterhaltsunterstützung mit Urteil aufgrund Anerkennung des Anspruchs (durch die Rechtsnachfolgerin) vom 31. Mai 2021 die Existenz einer von 5. September 2000 bis zum Tod von D* bestehenden „außerehelichen Ehe“ zwischen diesem und der Klägerin festgestellt hat. Rechtlich gingen sie unter Hinweis auf § 27a sowie § 27b Z 3 IPRG davon aus, dass dieses Urteil keinen Anspruch auf Witwenpension verschaffe. Die zwischen der Klägerin und D* bestehende bloße Lebensgemeinschaft erfülle die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 258, 259 ASVG nicht.

[4] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob ein vom Nachlass bzw Erben des Versicherten in Bosnien‑Herzegowina abgegebenes gerichtliches Anerkenntnis, dass eine Lebensgemeinschaft samt Unterhaltsanspruch bestanden habe, einen Anspruch auf eine Witwenpension in Österreich verschaffe, noch nicht Stellung genommen habe.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, mit dem Antrag, der Klage stattzugeben. Hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[7] 1. Die Klägerin zieht nicht in Zweifel, dass die bloße, wenn auch noch so lange und bis zum Tod des Versicherten dauernde nichteheliche Lebensgemeinschaft keinen Anspruch auf Witwenpension eröffnet (RS0085158; 10 ObS 132/16h ErwGr 1.). Lebensgemeinschaften sind daher für die Frage des Erwerbs des Anspruchs auf Witwenpension weder einer Ehe (§ 258 ASVG) noch einer eingetragenen Partnerschaft (§ 259 ASVG) gleichgestellt, ohne dass es auf die Gründe, die die Eheschließung oder das Eintragen der Partnerschaft verhindert haben, oder darauf ankäme, ob sich die konkrete Lebensgemeinschaft einer Ehe annähert (vgl 10 ObS 174/10a; 10 ObS 262/94 ua).

[8] 2. Die Klägerin meint vielmehr, die Vorinstanzen hätten das nach § 27a IPRG maßgebliche ausländische Recht, nicht ermittelt. Dabei hätte sich ergeben, dass nach Art 12 des für sie geltenden Familiengesetzes der Republika Srpska (FamG RS) die Lebensgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann, die nicht auf die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Weise rechtlich geregelt ist (außereheliche Gemeinschaft), in unterhalts‑ und vermögensrechtlicher Hinsicht einer Ehe gleichgestellt sei. Eine „Registrierung“ entsprechend § 6 EPG sei zwar nicht vorgesehen. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, die „außereheliche Ehe“ gerichtlich feststellen zu lassen. Das sei hier durch das Urteil des Amtsgerichts Banja Luka erfolgt, sodass die materiellen Voraussetzungen für das Bestehen der außerehelichen (Lebens‑)Gemeinschaft nach dem Recht ihres Heimatlandes und damit auch die Anspruchsvoraussetzung des § 259 ASVG erfüllt seien.

[9] 3. Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass die Wirksamkeit einer im Ausland begründeten Partnerschaft aufgrund des nach § 27a IPRG anzuwendenden Rechts zu prüfen ist (Traar in Laimer, IPR Praxiskommentar, § 27a IPRG Rz 4). Dafür bedarf das Zusammenleben zwischen der Klägerin und D* aber zunächst einmal einer (ersten) Qualifikation als „eingetragene Partnerschaft“ iSd lex fori. Das ist nur bei ausländischen Partnerschaftsformen der Fall, die (bei weiter Auslegung) einer eingetragenen Partnerschaft funktionell gleichwertig sind, dh ihre Kernelemente aufweisen (Neumayr in KBB7 § 27a IPRG Rz 3; Lurger/Melcher, Handbuch Internationales Privatrecht2 Rz 2/115; Traar, Internationale Aspekte der eingetragenen Partnerschaft, iFamZ 2010, 102; Nademleinsky/Neumayr, IFR3 Rz 3.2.; Aspöck, Die kollisionsrechtliche Regelung der eingetragenen Partnerschaft, Zak 2010, 223; Verschraegen in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB3 § 27a IPRG Rz 10 ua). Eingetragene Partnerschaften sind daher alle Arten von Lebensgemeinschaften, die förmlich begründet wurden (aber keine Ehen sind) und familien‑ und personenstandsrechtliche Wirkungen entfalten, auch wenn sie hinter jenen Wirkungen zurückbleiben, die eingetragenen Partnerschaften nach dem EPG zukommen (Nademleinsky in Schwimann/Neumayr, ABGB TaKom6 § 27a IPRG Rz 1; Lurger/Melcher aaO Rz 2/115; Nademleinsky/Neumayr, aaO Rz 3.2.; Aspöck, Zak 2010, 223 ua; aA Traar, iFamZ 2010, 102 [103]; vgl auch Coester in MüKomm zum BGB9 § 17b EGBGB Rz 12; Heiderhoff in BeckOK BGB § 17b EGBGB Rz 20). Liegen diese Charakteristika nicht vor, besteht keine eingetragene Partnerschaft sondern selbst dann nur eine schlichte bzw faktische Lebensgemeinschaft, wenn die ausländische Rechtsordnung gewisse Rechtsfolgen an diese knüpft (vgl Nademleinsky/Neumayr, aaO Rz 3.4. und 3.14 f).

[10] 4. Hier hat die Klägerin gar nicht behauptet, dass die „außereheliche (Lebens‑)Gemeinschaft“ durch irgendeinen förmlichen Akt begründet worden wäre. Ein solcher liegt auch nicht im Urteil des Amtsgerichts Banja Luka, weil darin bloß retrospektiv die frühere „Existenz“, mit anderen Worten das rein faktische Bestehen, einer Lebensgemeinschaft bis zum Tod von D*, festgestellt wurde. Dass das FamG RS nach einer Dauer der außerehelichen Gemeinschaft von drei Jahren Unterhaltsansprüche (soweit ersichtlich Art 248 FamG RS) und nach „einer längeren Zeit“ auch güterrechtliche Ansprüche (soweit ersichtlich Art 284 FamG RS) vorsieht, ändert nichts daran, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin nur eine schlichte Lebensgemeinschaft ableiten lässt (vgl Coester aaO § 17b EGBGB Rz 124).

[11] 5. Die in der Revision angesprochenen Fragen, ob nach dem Recht des Heimatlandes der Klägerin eine außereheliche (Lebens‑)Gemeinschaft bestanden hat, diese durch das Urteil des Amtsgerichts Banja Luka „registriert“ wurde und daran Unterhaltsansprüche knüpfen, sind daher nicht entscheidend. Die Klägerin zeigt damit weder Fehler der Vorinstanzen bei der Ermittlung fremden Sachrechts, noch sonstige präjudizielle Rechtsfragen auf, die die Zulässigkeit der Revision begründen könnten (vgl RS0088931 [T2, T4, T8]).

[12] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte