OGH 8ObA16/24x

OGH8ObA16/24x25.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH & Co KG; *, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2024, GZ 9 Ra 76/23x‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00016.24X.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war seit 2013 bei der Beklagten als Fahrscheinkontrollor beschäftigt. Am 7. 7. 2022 verließ er den Dienst rund zwanzig Minuten vor dem eigentlichen Dienstende und ersuchte seinen Arbeitskollegen, seinen Prüfstreifen für ihn abzustempeln. Als der Kläger am Nachhauseweg von seinem Vorgesetzten angerufen wurde, kehrte er wieder in den Dienst zurück und behauptete auf der Toilette gewesen zu sein. Erst als ihn sein Vorgesetzter auf die Unglaubwürdigkeit dieser Verantwortung hinwies, legte er den wahren Sachverhalt offen und entschuldigte sich. Am 21. 7. 2022 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. 10. 2022. Der Zentralbetriebsrat der Beklagten erklärte am 5. 8. 2022, die Kündigung nicht anfechten zu wollen.

[2] Die Vorinstanzen haben die auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage abgewiesen.

[3] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, sozial ungerechtfertigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung durch Umstände begründet ist, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es darauf an, ob die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden, sodass die Kündigung als adäquate Reaktion und gerechte Maßnahme erscheint (RS0051888). Diese Umstände müssen nicht so gravierend sein, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar wäre (RS0051888 [T14]). Wohl aber muss eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber doch in erheblichem Ausmaß nachteilig erscheinen (RS0051888 [T15]).

[5] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzustellen und in Abwägung dieser gegenläufigen Interessen zu beurteilen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist (RS0051818). Eine solche Interessensabwägung kann naturgemäß nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet deshalb regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0051818 [T7, T8]; RS0124055).

[6] 3. Soweit der Kläger geltend macht, dass es sich um eine bloß einmalige Dienstverfehlung gehandelt habe, hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Außendienstmitarbeiter der Beklagten eine besondere Vertrauensstellung genießen, weil eine Überprüfung ihrer Tätigkeit nur eingeschränkt möglich ist. Der Kläger hat die Beklagte nicht nur über seine Arbeitszeit täuschen wollen, sondern auch einen Arbeitskollegen angestiftet, seinen Prüfstreifen abzustempeln, um das Zeitaufzeichnungssystem der Beklagten zu umgehen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger durch sein Verhalten das Vertrauen der Beklagten so schwer erschüttert hat, dass seine Kündigung sozial gerechtfertigt war, hält sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.

[7] 4. Da das Erstgericht die Feststellungen zum Vorfall am 7. 7. 2022 aufgrund des Vorbringens des Klägers getroffen hat, musste es kein Beweisverfahren durchführen. Im Übrigen können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt wurden, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963).

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