European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00006.24T.0424.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, angefochtenen Urteil wurde * C* mehrerer Verbrechen nach § 3g VG (idF vor BGBl I 2023/177) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er sich in W* auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er jeweils mittels des Messenger‑Dienstes „WhatsApp“ eine Video‑Datei an * P* übermittelte, und zwar
(1) am 9. März 2020 eine solche, die ein im Jahr 2008 geführtes Interview mit dem als Holocaust‑Leugner bekannten * W* zum Thema „Es gab keine Gaskammern“ zeigt, in welchem dieser unter anderem ausführt, die „historischen Beweise“ sprächen „massiv dagegen, dass sechs Millionen Juden willentlich in Gaskammern vergast wurden, in einer bewussten Politik von Adolf Hitler“ und er „glaube, es gab keine Gaskammern“, sowie
(2) am 12. März 2020 eine solche, die ein im Jahr 1999 geführtes Interview mit dem als Holocaust‑Leugner bekannten * Z* zeigt, in welchem dieser unter anderem ausführt, dass „der Holocaust“ und „die amerikanische Propaganda-Idee der Massentötung durch Gaskammern durch Deutsche“ „wissenschaftlich widerlegt“ sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit die Fragenrüge (Z 6) in Bezug auf die Betätigung im nationalsozialistischen Sinn jeweils eine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Vorliegen eines Verbotsirrtums (§ 9 StGB) zu jeder der beiden – nach § 3g VG gestellten – Hauptfragen vermisst, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung. Denn sie legt nicht dar, warum das angesprochene deliktische Element – entgegen dem Wortlaut des § 3g VG – nicht auf der Tatbestandsebene angesiedelt sein sollte.
[5] Hinzugefügt sei, dass der Rechtsbegriff der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des § 9 StGB gerade deshalb nicht in Betracht kommt, weil er als normatives Tatbestandsmerkmal vom Tätervorsatz umfasst sein muss, ein diesbezüglicher Irrtum demnach (schon) die Tatbestandsmäßigkeit des Täterverhaltens ausschließt (Lässig in WK2 Vor VG Rz 2 und VG § 3g Rz 10). Ein Irrtum über diesen Begriff ist somit ein Tatbildirrtum und als solcher nicht Gegenstand einer Zusatzfrage (RIS‑Justiz RS0088950 und RS0124171; Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 18).
[6] Weshalb die Hauptfragen um die „Voraussetzung des vorsätzlichen Handelns“ und „betreffend den Tatbildirrtum“ hätten ergänzt werden müssen, obwohl der Tatvorsatz des Angeklagten, somit auch das Fehlen eines Tatbildirrtums – weil § 3g VG kein über § 5 Abs 1 zweiter Teilsatz StGB hinausgehendes Vorsatzerfordernis enthält – nach dem Gesetz (§ 7 Abs 1 StGB) subintellegiert ist (RIS‑Justiz RS0089093 [insbesondere T10]), erklärt das übrige Vorbringen (Z 6) nicht.
[7] Die Instruktionsrüge (Z 8) behauptet Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung infolge Nichtaufnahme von Ausführungen zum „Wesen eines Tatbildirrtums“. Indem sie jene Teile der Rechtsbelehrung übergeht, die das Erfordernis eines das gesamte Tatbild erfassenden Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) betreffen, versäumt sie es prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0100695 [insbesondere T7]), an der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit Maß zu nehmen.
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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