OGH 8ObA85/23t

OGH8ObA85/23t22.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Arnaud Berthou (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in derArbeitsrechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Johannes Mayrhofer, LL.B., MBA, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 11.179,35 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichtin Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. November 2023, GZ 11 Ra 43/23g‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00085.23T.0322.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war bei der beklagten Partei ab 1. 6. 2022 als kaufmännische Angestellte im Office Management beschäftigt, wobei im Dienstvertrag folgende Vereinbarung getroffen worden war:

„Im gegenseitigen Interesse wird eine Probezeit für die Dauer von einem Monat vereinbart, während welcher das Dienstverhältnis von beiden Seiten täglich gelöst werden kann. Die beiden darauffolgenden Monate gelten als befristetes Arbeitsverhältnis. Wird dieses Arbeitsverhältnis über diese drei Monate hinaus ohne besondere Befristung fortgesetzt, geht es in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über.“

[2] Die Beklagte verwendet solche Befristungen standardmäßig in den von ihr abgeschlossenen Dienstverträgen, ohne dass darüber mit der Klägerin gesprochen worden wäre. Am 6. 7. 2022 informierte die Klägerin die Beklagte von ihrer Schwangerschaft. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass das Dienstverhältnis über den Ablauf der Befristung nicht weiter fortgesetzt würde.

[3] Die Vorinstanzen sprachen der Klägerin 11.179,35 EUR brutto an Entgelten für die Zeit von 1. 9. 2022 bis zum Beginn des Mutterschutzes am 14. 12. 2022 zu, weil die dreimonatige Befristung nicht zur Erprobung abgeschlossen worden sei, sodass der Ablauf der Befristung nach § 10a Abs 1 MSchG gehemmt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

[5] 1. Nach § 10a Abs 1 MSchG wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zu dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 MSchG gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist. Eine sachliche Rechtfertigung der Befristung liegt nach § 10a Abs 2 MSchG unter anderem vor, wenn diese zur Erprobung abgeschlossen wurde und aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Dadurch soll eine Umgehung des Mutterschutzes durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge hintangehalten werden, wodurch Frauen infolge Zeitablaufs des Arbeitsverhältnisses und Nichterlangung eines neuen Arbeitsplatzes bei Schwangerschaft eine Reihe von Ansprüchen verlieren würden (ErläutRV 735 BlgNR 18. GP  22).

[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 9 ObA 89/09t ausgesprochen, dass es nach § 10a Abs 2 MSchG nicht nur darauf ankommt, dass aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist, sondern das Gesetz darüber hinaus verlangt, dass das Dienstverhältnis „zur Erprobung“ abgeschlossen wurde, wobei aus einer dreimonatigen Befristung, bei welcher der erste Monat gesetzlicher Probemonat sein soll, noch nicht darauf geschlossen werden kann, dass die gesamte Befristung dem Zweck der Erprobung dient. Die bloße Tatsache, dass die Befristung gerechtfertigt ist, weil die Verwendung eine längere Erprobung erfordert, reicht damit nicht aus (so auch Wolfsgruber‑Ecker in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 10a MuttSchG Rz 9). Vielmehr muss aus der getroffenen Vereinbarung hervorgehen, dass die Befristung der Erprobung der Arbeitnehmerin dient (ebenso Gerhartl, Befristung zur Erprobung und Schwangerschaft, taxlex 2011, 24 [25]).

[7] 3. In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden muss (Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 19 AngG Rz 19). Jedenfalls aber muss der Arbeitgeber den Zweck der Erprobung bei Vertragsschluss hinlänglich deutlich gemacht haben (Trost in Löschnigg/Melzer 11 § 19 AngG Rz 27). Letztlich ist die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Zweck der Erprobung ausdrücklich vereinbart werden muss, aber nicht entscheidungswesentlich, weil die Beklagte der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in keiner Weise vermittelt hat, dass auch die dreimonatige Befristung der Erprobung dienen würde.

[8] 4. Die außerordentliche Revision der Beklagten war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte