European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00225.23H.0126.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei sowie der Nebenintervenientin die mit jeweils 1.000,75 EUR (darin jeweils 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Miteigentümerin einer Liegenschaft und Wohnungseigentümerin dreier Objekte. Die Nebenintervenientin war bis Ende 2020 Hausverwalterin. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind in den von ihr verfassten Betriebskostenabrechnungen für 2017 und 2018 ausgewiesene Rückstände der Beklagten von (letztlich) 5.786,41 EUR für das Jahr 2017 und 4.769,41 EUR für das Jahr 2018. Die Beklagte bestreitet die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnungen unter Hinweis auf Doppelverrechnungen. Die Nebenintervenientin habe in den Abrechnungen die direkt an die Pächterin des Geschäftslokals verrechneten Betriebskostenakonti nicht berücksichtigt.
[2] Das Erstgericht wies die Klage insoweit ab.
[3] Das Berufungsgericht gab ihr in diesem Umfang statt. Fragen der Rechtmäßigkeit und Richtigkeit einer Vorschreibung nach erfolgter Rechnungslegung seien ausschließlich im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG zu klären. Dort sei nicht nur die Pflicht zur formell richtigen Abrechnung durchzusetzen, sondern auch die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung geltend zu machen. Ein solches Verfahren habe die Beklagte nicht eingeleitet und die Frist dafür sei bereits verstrichen. Die einseitige Prüfung der Richtigkeit der Jahresabrechnung im streitigen Verfahren, in dem nur ein Wohnungseigentümer Partei sei, würde den dem außerstreitigen Verfahren zugrundeliegenden Grundsatz der Rechtskrafterstreckung der Entscheidung auf alle Wohnungseigentümer aushebeln. Zu 5 Ob 158/19z habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Umstand, dass die Beklagte eine Überprüfung der Abrechnung im Sinn des § 52 Abs 1 Z 6 WEG bisher nicht erwirkt hat, die Zulässigkeit der Einwendung einer Überzahlung als Gegenforderung nicht begründen kann, weil dadurch der Vorrang des Außerstreitverfahrens zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung umgangen werden könne. Diese Grundsätze seien auch hier anzuwenden. Die Beklagte rechne nicht mit eigenen Forderungen gegen die Jahresabrechnungen auf, sodass die eine Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen den Aufwandersatz für bereits abgerechnete Hausbewirtschaftungskosten als zulässig ansehende Rechtsprechung hier nicht anzuwenden sei.
[4] Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob die Beklagte bei der Geltendmachung von in den Jahresabrechnung für Bewirtschaftungskosten ausgewiesenen Rückständen Einwände erheben könne, obwohl sie die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Jahresabrechnung nicht im außerstreitigen Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG geltend gemacht habe.
[5] Gegen den abändernden Teil des Berufungsurteils wendet sich die Revision der Beklagten, in der sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils in diesem Umfang anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.
[6] Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[8] 1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hat, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059). Die Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung setzt nämlich voraus, dass das Rechtsmittel die unrichtige Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage geltend macht. Nur dann muss die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung überprüft werden (vgl RS0048272). Es ist daher Sache des Revisionswerbers darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sei. Eine Rechtsrüge, die sich auf die bloße und nicht weiter ausgeführte – der Sache nach begründungslose – pauschale Behauptung beschränkt, das Berufungsgericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, ist nicht gesetzesgemäß ausgeführt (RS0043605).
[9] 2.1. Die Revisionswerberin greift die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts nur insoweit auf, als sie sich der (nicht weiter begründeten) Rechtsansicht des Erstgerichts anschließt, die Beklagte könne im streitigen Verfahren Einwände gegen gravierend unrichtige Betriebskostenabrechnungen erheben. Mit der umfassenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts dazu setzt sich die Revisionswerberin nicht auseinander. Warum der – angesichts des aufwändigen Beweisverfahrens im Übrigen nicht ohne weiters nachvollziehbare – Umstand, dass die Unrichtigkeiten der Betriebskostenabrechnung für 2017 und 2018 (angeblich) ohne Einsicht in zugehörige Belege erkennbar gewesen wären, von rechtlicher Relevanz sein soll, führt die Revision nicht aus.
[10] 2.2. Selbst wenn man im Argument, durch die Korrektur der Unrichtigkeit der Abrechnungen werde weder in die Sphäre der anderen Wohnungseigentümer eingegriffen noch entstehe der Eigentümergemeinschaft dadurch ein Nachteil, (gerade noch) eine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge sehen wollte, wäre dem entgegenzuhalten, dass dies einerseits eine inhaltliche Prüfung der Abrechnung voraussetzt und andererseits ein Nachteil der Eigentümergemeinschaft, die in der Abrechnung ausgewiesene Betriebskostenrückständein erheblichem Ausmaß nicht erhält, jedenfalls nicht auszuschließen ist.
[11] 2.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Geltendmachung von Unrichtigkeiten der Betriebskostenabrechnungen sei dem innerhalb der Frist des § 34 Abs 1 letzter Satz WEG einzuleitenden wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG vorbehalten, kann sich auf die bereits vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 5 Ob 116/19y, aber auch auf die kürzlich ergangene Entscheidung des Fachsenats 5 Ob 201/23d stützen (dort: behauptete Unrichtigkeit des Verteilungsschlüssels). Wollte man dem einzelnen Wohnungseigentümer nämlich die Bestreitung der inhaltlichen Richtigkeit einer Abrechnung im Streitverfahren ermöglichen, würde dies die Zuordnung dieser Überprüfung in das außerstreitige Verfahren völlig unterlaufen. Substanziierte Einwände gegen diese – bereits der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zugrundeliegende – Auffassung erhebt die Revisionswerberin nicht.
[12] 3. Ihre schwer verständlichen Ausführungen zur Berücksichtigung der Doppelverrechnungen, selbst wenn man ihr den Einwand der Unrichtigkeit der Jahresabrechnungen für 2017 und 2018 verwehren wollte, sind wörtlich der Berufungsbeantwortung entnommen und lassen eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts vermissen. Soweit die Revisionswerberin aus einer von der Klägerin verweigerten Saldo‑Korrektur offenbar Ansprüche (etwa auf eine Gutschrift) ableiten will, ist ihr mit dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, dass sie nie eine Aufrechnungseinrede erhoben hat. Sekundäre Feststellungsmängel verneinte schon das Berufungsgericht. Eine nähere Auseinandersetzung mit den auf die Begründung des Berufungsgerichts nicht Bezug nehmenden Ausführungen der Revisionswerberin ist entbehrlich.
[13] 4. Die Revision war daher zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Da ihnen nicht mehrere Parteien gegenüberstanden und sie von unterschiedlichen Rechtsfreunden vertreten waren, steht der Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG allerdings nicht zu.
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