European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00183.23B.0123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem außerordentliche Revisionrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die eheliche Gemeinschaft der mittlerweile geschiedenen Streitteile wurde am 11. 2. 2020 aufgehoben.
[2] Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Diese Liegenschaft wurde ihr vor der Eheschließung geschenkt. Auf der Liegenschaft waren zugunsten der Mutter der Antragsgegnerin sowie vier weiterer Personen Wohnungsgebrauchsrechte einverleibt. Diese vier Personen willigten in die Löschung der zu ihren Gunsten einverleibten Rechte gegen Zahlung von jeweils 5.000 EUR (gesamt 20.000 EUR) ein. Diese vier Wohnungsgebrauchsrechte wurden nach Leistung der Abschlagszahlungen während aufrechter ehelicher Gemeinschaft gelöscht.
[3] Unter anderem zur Finanzierung dieser Abschlagszahlungen hatten die Streitteile im April 2015 einen gemeinsamen Kredit über 50.000 EUR aufgenommen. Zur Besicherung des Kredits wurde ein Pfandrecht auf der Liegenschaft der Antragsgegnerin einverleibt. Dieser Kredit haftete am 11. 2. 2020 mit 31.853,63 EUR und bei Ende des Verfahrens in erster Instanz mit 26.018,32 EUR aus.
[4] Der Kredit über 50.000 EUR wurde wie folgt verwendet: 20.000 EUR zur Finanzierung der Abschlagszahlungen und etwa 1.750 EUR für die Löschung der Rechte im Grundbuch. Weitere 8.418,16 EUR dienten der Begleichung von Altschulden des Antragstellers und 10.861,32 EUR der Begleichung von Altschulden der Antragsgegnerin. Den restlichen Betrag verbrauchten die Streitteile für gemeinsame Zwecke.
[5] Bis zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft haben die Streitteile finanziell gleichermaßen zur gemeinsamen Lebensführung beigetragen. Der Antragsteller bezahlte vereinbarungsgemäß die Kreditraten, die Antragsgegnerin trug die Mietkosten. Nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft bis zur Beendigung des Verfahrens in erster Instanzhaben die Streitteile die fälligen Kreditraten in etwa zu gleichen Teilen getragen.
[6] Der Antragsteller begehrt – soweit im Revisionsrekursverfahren von Bedeutung – eine Ausgleichszahlung für die Wertsteigerung der Liegenschaft, die dadurch eingetreten sei, dass vier Wohnungsgebrauchsrechte mit den Mitteln aus dem gemeinsam aufgenommenen Kredit abgegolten worden seien und daher gelöscht werden konnten.
[7] Die Antragsgegnerin wendete sich gegen die Berücksichtigung dieser Wertsteigerung.
[8] Das Erstgericht gelangte zum Ergebnis, dass der gemeinsam aufgenommene Kredit über 50.000 EUR (unter Berücksichtigung des gemeinsam verwendeten Betrags) den Streitteilen im Verhältnis von etwa 75 % (Antragsgegnerin) zu 25 % (Antragsgegner) zugute gekommen sei, legte dieses Verhältnis auf die noch offene Kreditsumme um und verpflichtete die Streitteile, den noch offenen Kreditbetrag entsprechend diesen Quoten im Innenverhältnis zu tragen. Den Antrag auf Ausgleichszahlung wegen der Wertsteigerung der Liegenschaft während aufrechter Ehe wies es ab. Die Parteien hätten beabsichtigt, das mit den Wohnrechten belastete Objekt auszubauen und auf der Liegenschaft zu wohnen. Es sei daher nicht um die Schaffung einer Wertanlage gegangen.
[9] Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung. Der Grundsatz, wonach von den Ehepartnern auf eine nicht der Aufteilung unterliegende Liegenschaft gemachte wertsteigernde Aufwendungen zu berücksichtigen seien, gelte nur, wenn durch gemeinsame Arbeit oder Ersparnis ein Wertzuwachs im Vermögen des früheren Ehepartners bewirkt worden sei. Da die Streitteile die Auszahlung der Wohnungsgebrauchsrechte kreditfinanziert hätten und das Erstgericht die Aufteilung des noch offenen Saldos so vorgenommen habe, dass der dafür aufgewendete Betrag der Antragsgegnerin zugewiesen worden sei, bestehe keine Veranlassung, den Wertzuwachs, der hier – ohne Investitionen, Sanierungs- oder Umbauarbeiten – entstanden sein möge, auszugleichen.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der – nach Freistellung – von der Antragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht mit seiner Beurteilung der begehrten Ausgleichszahlung wegen der behaupteten Wertsteigerung der Liegenschaft von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist im Sinn des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[11] 1. In seinem Rekurs begehrte der Mann eine Ausgleichszahlung von 88.890 EUR. Schon deshalb lag in zweiter Instanz ein 30.000 EUR übersteigender Entscheidungsgegenstand vor. Ein Bewertungsausspruch des Rekursgerichts war daher nicht erforderlich (1 Ob 113/23h).
[12] 2. Der Aufteilung unterliegt grundsätzlich nur das Vermögen, das die Ehegatten gemeinsam geschaffen und zu dessen Erwerb sie während der ehelichen Lebensgemeinschaft beigetragen haben (RS0057287).
[13] Die von der Antragsgegnerin in die Ehe eingebrachte Liegenschaft ist unstrittig vonder Aufteilung ausgenommen.
[14] 3. Nach der Judikatur zählt die Wertsteigerung einer in das Aufteilungsverfahren nicht einzubeziehenden Liegenschaft zur Aufteilungsmasse, wenn sie nicht nur auf die allgemeine Werterhöhung, sondern auf gemeinsame Anstrengungen der Ehepartner zurückzuführen ist (RS0057308; vgl RS0057363), etwa aus während der Ehe erworbenen Mitteln finanziert wurde und zum Aufteilungszeitpunkt noch im Wert der Liegenschaft fortwirkt (vgl RS0057363 [T9]). Dadurch soll erreicht werden, dass derjenige Teil, der Sachgüter in die Gemeinschaft eingebracht hat, nicht auch jenen Wertzuwachs erhält, der durch die Verdienste des anderen Ehepartners ermöglicht wurde (RS0057644 [T5]). Neben der Wertsteigerung der Liegenschaft, die mit erst während der Ehe aufgenommenen Kreditmitteln bewirkt wurde, sind auch diese Schulden in die Aufteilung miteinzubeziehen (1 Ob 233/20a [Rz 19]).
[15] 3.1. Soweit das Rekursgericht meint, eine in die Aufteilung einzubeziehende Wertsteigerung liege schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht den auf die Ablöse von Wohnungsgebrauchsrechten entfallenden Betrag aus dem gemeinsamen Kredit im Innenverhältnis der Antragsgegnerin zugewiesen habe, legt es ein irriges Verständnis von dessen Entscheidung zugrunde. Nach den Feststellungen haben die Streitteile den während der Ehe aufgenommenen Kredit bis zum Ende des Verfahrens in erster Instanz zu gleichen Teilen in etwa zur Hälfte zurückgezahlt. Damit kann keineswegs davon ausgegangen werden, der Kreditsaldo entfalle, soweit im Innenverhältnis die Antragsgegnerin zur Tilgung verpflichtet wurde, ausschließlich auf den zur Finanzierung der Löschung von auf der Liegenschaft haftenden Rechten verwendeten Betrag. Dieser Teil des Kreditbetrags kann nicht aufgrund seines Verwendungszwecks isoliert betrachtet werden, sondern wurde – ausgehend von einer Gesamtreduktion des Kreditsaldos auf etwa die Hälfte – ebenfalls um ca 50 % vermindert. Wenn das Erstgericht die Antragsgegnerin im Innenverhältnis zur Rückzahlung von 75 % des noch offenen Kreditsaldos verpflichtete, bedeutet dies lediglich, dass sie im Innenverhältnis auch von dem noch offenen Teil der zur Finanzierung der Löschung von Lasten verwendeten Summe drei Viertel zu tragen hat. Dass der Antragsteller zu einer möglichen Wertsteigerung der Liegenschaft nicht auch einen Beitrag geleistet hätte, kann aus der vom Erstgericht vorgenommenen Verteilung des noch offenen Kreditbetrags im Innenverhältnis daher keineswegs abgeleitet werden.
[16] 3.2. Richtig ist zwar, dass die von einem (oder auch beiden) Ehepartnern in die Ehe eingebrachte, aber fremdfinanzierte Liegenschaft eine als eheliche Errungenschaft anzusehende und in die Aufteilung miteinzubeziehende Wertsteigerung erfährt, soweit der Kredit aus während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erwirtschafteten Mitteln vermindert wird. Werden in einem solchen Fall keine weiteren Investitionen, Sanierungs- oder Umbauarbeiten während dieser Zeit erbracht, entspricht nach der Rechtsprechung des Fachsenats die auf der Kredittilgung beruhende Wertsteigerung einer Liegenschaft in der Regel betragsmäßig der Reduktion des Kreditsaldos (RS0130671; vgl auch 1 Ob 238/21p).
[17] 3.3. Hier geht es aber nicht um die Tilgung eines Kredits, der von einem oder beiden Streitteilen vor Eheschließung zur Finanzierung des Ankaufs einer Liegenschaft, die selbst nicht der Aufteilung unterliegt, aufgenommen und dessen Saldo dann mit ehelichen Mitteln verringert worden ist. Die Streitteile haben vielmehr mit einem Teil des während der Ehe gemeinsamen aufgenommen Kredits die Löschung von vier auf der Liegenschaft der Antragsgegnerin einverleibt gewesenen Wohnungsgebrauchsrechten finanziert. Damit kann nicht mehr von einer bloßen Verminderung eines Kredits ausgegangen werden. Vielmehr liegt eine gemeinsame Investition in die Liegenschaft der Frau vor, die nach den Behauptungen des Antragstellers zu einer Wertsteigerung geführt haben soll. Der Umstand, dass die Streitteile ursprünglich beabsichtigten, in dem auf der Liegenschaft errichteten Haus zu wohnen, und deshalb die Löschung der Wohnungsgebrauchsrechte für erforderlich hielten, letztlich aber davon Abstand nahmen, betrifft ihren Beweggrund, der entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht für die Miteinbeziehung einer möglichen Wertschöpfung in das Aufteilungsverfahren unbeachtlich ist.
[18] 4. Der Oberste Gerichtshof hat zu 1 Ob 241/22f bereits ausgesprochen, dass der Verzicht auf ein Wohnrecht (bei der dort gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise) zu einer Wertsteigerung (der Ehewohnung) führen kann, die bei der Aufteilung angemessen zu berücksichtigen ist. Auch im vorliegenden Fall behauptet der Antragsteller, dass es durch die Löschung von vier Wohnungsgebrauchsrechten an der Liegenschaft der Frau zu einer Wertsteigerung gekommen ist. Dass eine mögliche Wertschöpfung durch die Löschung von Lasten, die auf der Liegenschaft der Antragsgegnerin hafteten, eingetreten sein kann, ist auch unter Berücksichtigung, dass darüber hinaus (bei Beschlussfassung in erster Instanz) noch ein weiteres Wohnrecht einverleibt war, nicht von vornherein ausgeschlossen. Da diese Löschung von Lasten während der Ehe mit einem Kredit, zu dessen (teilweiser) Tilgung eheliche Mittel aufgewendet wurden, herbeigeführt wurde, wäre eine daraus resultierende Wertsteigerung als eheliche Errungenschaft neben den darauf entfallenden Schulden in die Aufteilung einzubeziehen. Ob eine Wertsteigerung eingetreten ist, kann nach den bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilt werden. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren ein entsprechendes Beweisverfahren nachzutragen haben.
[19] 5. Zur Berücksichtigung einer möglichen Wertsteigerung bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung:
[20] 5.1. Grundsätzlich ist bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung keine streng rechnerische Feststellung erforderlich, vielmehr ist eine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festzusetzen (RS0057596)
[21] 5.2. Sollte das fortgesetzte Verfahren eine Wertsteigerung der Liegenschaft ergeben, die mit den während der Ehe aufgenommenen Kreditmitteln bewirkt wurde, sind neben der darauf zurückzuführenden Wertsteigerung auch diese Schulden in die Aufteilung miteinzubeziehen. Die Wertsteigerung kann allerdings nur soweit berücksichtigt werden, als sie tatsächlich durch den Einsatz ehelicher Mittel bewirkt wurde, bei Kreditfinanzierung also nur soweit, als der Kredit während aufrechter ehelicher Gemeinschaft zurückgezahlt wurde (1 Ob 233/20a).
[22] 5.3. Entsprechend der Reduktion der gesamten Kreditbelastung wurde im vorliegenden Fall auch jener Teil der Kreditsumme, der zur Finanzierung der Löschung von vier Wohnungsgebrauchsrechten diente, bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch gemeinsame Bemühungen der Streitteile um etwa 36 % reduziert. Insoweit wäre eine mögliche Wertsteigerung der Liegenschaft, die aus der Löschung von vier Wohnungsgebrauchsrechten resultierte, auf gemeinsamen Anstrengungen der Streitteile zurückzuführen und unterläge in diesem Umfang als eheliche Errungenschaft der Aufteilung.
[23] 5.4. Das von den Vorinstanzen herangezogene Aufteilungsverhältnis von 1 : 1 ziehen die Streitteile nicht in Zweifel. Ausgehend davon käme zugunsten des Antragstellers eine Ausgleichszahlung für etwa die Hälfte einer möglichen Wertsteigerung der Liegenschaft in Betracht, die nach den vorangestellten Erwägungen (Pkt 5.3.) der Aufteilung unterliegt. Bei der Ausmittlung einer möglichen Ausgleichszahlung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Mann nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft Zahlungen auf die Kreditschuld leistete, die anteilig auf den zur Finanzierung der Löschung von Lasten auf der Liegenschaft der Frau entfallen. In diesem Umfang hat er nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Frau mit aus nach der Trennung erworbenen Mitteln einen Vermögensvorteil geschaffen, der ihr im Rahmen der Aufteilung nicht zusteht (vgl 1 Ob 97/19z). Diese Rückzahlungen werden daher bei der Bemessung einer allfälligen Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sein. Die von der Frau in diesem Zeitraum getätigten Zahlungen vermindern dagegen eine mögliche Ausgleichszahlung nicht, weil ihr die Wertsteigerung an der Liegenschaft zukommt (vgl dazu 1 Ob 44/18d [2.1. und 2.2.]). Hingegen kann bei der nach Billigkeit auszumittelnden Ausgleichszahlung unberücksichtigt bleiben, dass mit dem Kredit auch „Altschulden“ der Frau, also Verbindlichkeiten abgedeckt worden sind, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen in keinem Zusammenhang standen, weil insoweit ein Vorteil sowohl dem Mann als auch der Frau – ebenso wie durch den zu gemeinsamen Zwecken verwendete Teil der Kreditsumme –annähernd im gleichen Ausmaß zugute gekommen ist.
[24] 6. Das in dritter Instanz maßgebliche Begehren steht mit der vom Erstgericht vorgenommenen Zuweisung der noch offenen Kreditsumme im Innenverhältnis (75 % : 25 % zu Lasten der Antragsgegnerin) in einem untrennbaren Zusammenhang, sodass dessen Entscheidung nicht in Teilrechtskraft erwachsen konnte (vgl RS0007209). Ungeachtet dessen, dass der Mann in dritter Instanz nur noch eine Ausgleichszahlung anstrebt, ist daher eine gänzliche Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen geboten.
[25] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG.
8. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
[26] Werden eheliche Mittel verwendet, um bei einer in die Ehe eingebrachten Liegenschaft die Löschung von Dienstbarkeiten herbeizuführen, ist eine dadurch bewirkte Werterhöhung der Liegenschaft bei der Aufteilung zu berücksichtigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)