OGH 15Os124/23h

OGH15Os124/23h14.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Mag. Sekljic als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers M* N* gegen den Antragsgegner F* G* wegen §§ 6 ff MedienG, AZ 13 Hv 102/21a des Landesgerichts Steyr, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 3. März 2023, AZ 9 Bs 311/22g (ON 32 der Hv‑Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Antragstellervertreters Mag. Gursch und des Antragsgegnervertreters Dr. Schilchegger, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00124.23H.1214.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Medienrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 13 Hv 102/21a des Landesgerichts Steyr verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 3. März 2023, AZ 9 Bs 311/22g, durch den Ausspruch, dass „gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG der Antragsgegner auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen“ hat, § 390a Abs 1 StPO.

 

Gründe:

[1] In der Medienrechtssache des Antragstellers M* N* gegen den Antragsgegner F* G* wegen §§ 6 ff MedienG wurde der Antragsgegner mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom 30. Dezember 2021, GZ 13 Hv 102/21a‑15, nach §§ 6 Abs 1, 7a (Abs 1) und 7b (Abs 1) iVm § 8a MedienG zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags an den Antragsteller sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO (iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG) zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

[2] Mit Urteil vom 14. Juni 2022, AZ 9 Bs 79/22i (ON 26), gab das Oberlandesgericht Linz der Berufung des Antragsgegners nicht und der Berufung des Antragstellers dahin Folge, dass es den Entschädigungsbetrag erhöhte. Gleichzeitig sprach es aus, dass dem Antragsgegner auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen (§ 390a Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG).

[3] Über den Kostenbestimmungsantrag des Antragstellers und die dagegen erhobenen Einwendungen des Antragsgegners entschied das Landesgericht Steyr in erster Instanz mit Beschluss vom 1. Dezember 2022 (ON 29).

[4] Der dagegen ergriffenen Beschwerde des Antragstellers, womit dieser den Zuspruch zusätzlicher „vorprozessualer Kosten“ begehrte, gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 3. März 2023, AZ 9 Bs 311/22g (ON 32), teilweise Folge.

[5] Zugleich sprach das Beschwerdegericht aus, dass „[g]emäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG der Antragsgegner auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen [hat].“

Rechtliche Beurteilung

[6] Dieser Ausspruch über eine grundsätzliche Kostenersatzpflicht im Verfahren über die Kostenbeschwerde steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[7] Da das MedienG keine besonderen Regelungen zum Kostenersatz im – hier von Bedeutung – selbständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a Abs 1 MedienG enthält, gelten gemäß § 41 Abs 1 MedienG die Bestimmungen der StPO (15 Os 88/20k).

[8] Grundsätzlich haben Verfahrensbeteiligte ihre Vertretungskosten selbst zu tragen (§ 393 Abs 1 StPO). Eine Ersatzpflicht für Vertretungskosten von Verfahrensgegnern trifft allerdings – soweit hier relevant – Personen, die in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen nach § 389 Abs 1 oder § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verpflichtet wurden (§ 393 Abs 4 StPO).

[9] Ein solcher konstitutiver (Lendl, ÖJZ 2008, 717 [718]) Kostenausspruch hat nach der Systematik des Gesetzes in der das Verfahren für die Instanz erledigenden (Sach-)Entscheidung – einem Urteil oder einem Beschluss, mit dem ein Verfahren über eine Privatanklage (Subsidiaranklage, selbständigen Antrag nach § 8a Abs 1 MedienG) nach § 485 Abs 1 Z 3 StPO (ggf iVm § 41 Abs 5 MedienG) eingestellt wird – zu ergehen (§ 389 Abs 1 iVm § 260 Abs 1 Z 5 StPO; RIS‑Justiz RS0101347, RS0129436).

[10] Die Kosten des Verfahrens über ein Rechtsmittel gegen eine solche das Verfahren erledigende (Sach-)Entscheidung fallen gemäß § 390a Abs 1 erster Satz StPO den nach §§ 389 und 390 StPO verpflichteten Personen zur Last, sofern die Kosten nicht durch ein ganz erfolgloses Rechtsmittel des Gegners verursacht wurden. Die Kostenersatzpflicht für ein solches Rechtsmittelverfahren ist also grundsätzlich vom endgültigen Verfahrensausgang und von einer bereits in erster Instanz ausgesprochenen Verpflichtung zum Kostenersatz abhängig; sofern es um ein Rechtsmittel des Gegners geht, auch von dessen Erfolg (RIS‑Justiz RS0101332; Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 3 f, 7 f).

[11] § 395 StPO regelt die Zuständigkeit für und das Verfahren über die Entscheidung (Abs 1) sowie die Höhe eines allenfalls zu leistenden Kostenersatzes (Abs 2 erster Satz). § 395 Abs 2 zweiter Satz StPO normiert, dass die Kosten des Bemessungsverfahrens „als Kosten des Strafverfahrens“ anzusehen sind, erklärt erstere also zu einer Teilmenge von letzteren. Eine Grundlage für einen eigenständigen Kostenausspruch im Bemessungsverfahren enthält diese Bestimmung somit nicht (RIS‑Justiz RS0000158, RS0101521; Lendl, WK‑StPO §§ 394, 395 Rz 6, 17).

[12] Beschlüsse über Kostenbestimmungsanträge und Beschlüsse über dagegen gerichtete Kostenbeschwerden sind also keine solchen ein eigenes Verfahren beendenden (Sach‑)Entscheidungen. Die Pflicht zum Ersatz der Kosten einer Kostenbeschwerde und des Verfahrens darüber kann daher nur eine Person treffen, die bereits im Grundverfahren zum Kostenersatz verpflichtet wurde. Dass in Beschlüssen über Kostenbeschwerden eigenständig über eine grundsätzliche Pflicht zum Ersatz (nur) der Kosten der Kostenbeschwerde oder des darüber geführten Verfahrens abzusprechen wäre, ergibt sich weder aus § 390a Abs 1 StPO noch aus einer anderen gesetzlichen Bestimmung.

[13] In den Beschluss über die Kostenbeschwerde wurde somit zu Unrecht ein auf § 390a Abs 1 StPO gestützter grundsätzlicher Kostenausspruch aufgenommen; diese Gesetzesverletzung war festzustellen.

[14] Da der Antragsgegner im Grundverfahren tatsächlich zum Kostenersatz verpflichtet wurde und die Kostenbeschwerde teilweise Erfolg hatte, weshalb sie insoweit auch notwendig war (§ 395 Abs 2 erster Satz StPO; Lendl, WK‑StPO §§ 394, 395 Rz 15), ist ein Nachteil dieses Ausspruchs für den Antragsgegner im Sinn des § 292 letzter Satz StPO nicht auszumachen (Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 43 ff).

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